Wer auch nur ein bisschen Comic-affin ist, der konnte in den letzten Monaten dem Hype um den anstehenden „Deadpool“-Film kaum entgehen. Und wer immer noch glaubt, hier würde einem der Superhelden aus der zweiten Reihe die Bühne bereitet (wie es bei „Ant-Man“ und den „Guardians of the Galaxy“ durchaus der Fall war), der hat in der Tat noch nicht mit bekommen, wie sich die Marke „Deadpool“ allein durch die Comicvorlage in den vergangenen Jahren zu einer der stärksten aus dem Hause Marvel entwickelt hat. Mittlerweile erscheinen jeden Monat gleich mehrere neue Geschichten des „Söldners mit der großen Klappe“ und diese werden in auffälliger Zahl auch von Leuten gekauft und gelesen, die sich sonst eher wenig mit den auf Papier gedruckten Helden beschäftigen. „Deadpool“ ist halt cool und absolut in, was gerade die alteingesessenen Comicfans etwas erstaunt und zum Teil auch entsetzt, benimmt sich dieser Wade Wilson doch geradezu diametral zu deren „klassischen“ Helden und ist keineswegs der Auffassung, dass mit großer Kraft auch eine große Verantwortung einhergeht. Respekt- und rücksichtslos bahnt sich der künstlich verstärkte Kämpfer seinen Weg und das mit einer Brutalität, wie man sie von Marvelfiguren noch nie gesehen hat. Außer vom „Punisher“ vielleicht, doch im Gegensatz zu dessen grimmigem Ernst kommt „Deadpool“ selbst inmitten der größten Blutlachen immer noch mit einem selbstironischen Augenzwinkern daher.
Aber kann man so eine Figur in dieser Form auf die Leinwand bringen ohne das große Publikum zu verschrecken? Eine Frage, die wohl so ziemlich jeder Filmproduzent mit „auf keinen Fall“ beantworten wird, und dementsprechend fiel auch der erste Kinoauftritt von Wade Wilson als Nebenfigur im ersten „Wolverine“-Solofilm von 2009 sehr enttäuschend aus, zu allem Übel hatte man der sonstigen Quasselstrippe dort sogar noch den Mund zugenäht. Gespielt wurde er auch in dieser Version schon von Ryan Reynolds, der zudem auch mit seinem eigenen großen Superhelden-Film, der DC-Adaption „Green Lantern“ einen kolossalen Flop hinlegte.
Daher mag es auf den ersten Blick erstaunen, dass nun trotzdem wieder Reynolds die Rolle spielen darf. Tatsächlich ist der Schauspieler aber sogar die treibende Kraft hinter der nun vorliegenden, sehr werkgetreuen Adaption. Denn es war vor allem Ryan Reynolds, der das Projekt vorantrieb und jahrelang mit dem 20th Century Fox um einen „Deadpool“-Film nach seinen Vorstellungen rang und das Studio schließlich mit den enthusiastischen Reaktionen auf einen von ihm selbst realisierten (und ganz "zufällig" im Internet gelandeten) Kurzfilm überzeugte. Für die daraufhin erfolgte konsequente Umsetzung der Idee darf man Fox durchaus Respekt zollen, andererseits hält sich das finanzielle Risiko aber auch in Grenzen, da „Deadpool“ mit einem Budget von rund 50 Millionen Dollar nur gut ein Drittel dessen kostete, was die Kollegen „Avengers“ oder „X-Men“ sonst bei ihren aufwändigen Abenteuern verschlingen.
So hat man sich dann sogar getraut, diesen Anti-Helden eindeutig im „X-Men“-Universum zu verankern, obwohl sein Film eine völlig andere Tonart anschlägt. Aber der Söldner bewegt sich nichtsdestotrotz im bekannten Gebäude der Mutantenschule und hat zur Unterstützung mit „Colossus“ und der (vor allem durch ihren Namen beeindruckenden) „Negasonic Teenage Warhead“ auch zwei bisher wenig genutzte X-Men an seiner Seite – die bekannteren Namen wollte man dann offenbar doch nicht in der verrückten „Deadpool“-Welt Schaden nehmen lassen.
Und „verrückt“ ist hier wörtlich gemeint, wurde der bedauernswerte Wade doch durch die Behandlung mit dem „Weapon X-Programm“ nicht nur fürchterlich entstellt, sondern hat dadurch (und durch seine vorausgehende Krebserkrankung) auch geistig einigen Schaden genommen, was sich dann halt immer wieder bei seinen unkontrolliert-absurden Aktionen bemerkbar macht. Seiner großen Liebe Vanessa (Morena Baccarin) mag er so lieber nicht mehr unter die Augen treten, stülpt sich stattdessen lieber das rote Kostüm über und macht sich auf die Jagd nach dem Verursacher seines Zustandes, dem undurchsichtigen Ajax (Ed Skrein). Dabei lassen zahllose Hilfsschergen auf meist sehr brutale Art ihr Leben, bis sich die beiden Erzfeinde schließlich in einem Schlusskampf gegenüberstehen, der zwar weit weniger bombastisch ausfällt als bei den übrigen Marvel-Kollegen, der aber von seiner Art und auch dem Schauplatz her doch ausgezeichnet passt zum raueren Ambiente dieser Figur.
Nur zu Beginn des Films wirkt der Humor noch ein wenig aufgesetzt und gezwungen, auch wenn sich Wade Wilson zum ersten Mal direkt ans Publikum wendet, mag das zunächst befremdlich erscheinen. Diese Meta-Ebene gehört aber nun einmal zum Kern der Figur, die sich eben stets bewusst ist, letztlich nur eine Comic- bzw. Filmfigur zu sein. Dieser Ansatz wurde übernommen und auch konsequent durchgezogen, was den Film zunehmend witziger macht und eben auch dazu beiträgt, dass hier ein völlig anderes Marvel-Feeling aufkommt als gewohnt. In diesem Kontext ist dann auch die extreme Gewalt akzeptabel, die so überzeichnet und eindeutig als „nicht ernst zu nehmen“ daherkommt, dass sich davon selbst die FSK überzeugen ließ, die „Deadpool“ trotz der gezeigten Brutalität eine Freigabe ab 16 Jahren erteilte – zur Überraschung des produzierenden Studios selbst, denn dort hatte man eher mit einer Freigabe nur für Erwachsene gerechnet.
Ryan Reynolds merkt man die Spielfreude bei „seinem“ Projekt jederzeit an, auch hinsichtlich des Hauptdarstellers geht man hier ja ungewöhnliche Wege, ist doch dessen eigentliches Gesicht nur in den Rückblick-Sequenzen zu sehen, während er ansonsten entweder mit entstelltem Antlitz oder halt maskiert vor der Kamera auftaucht. Man darf gespannt sein, wie dieses „Problem“ in einer eventuellen Fortsetzung angegangen wird, in der es dann ja kaum noch solche Flashbacks geben dürfte. Aber gerade in den Szenen, die Wade Wilson vor seiner "Verwandlung" zeigen, gelingen auch ein paar ernsthafte Momente, die selbst im sonstigen überdrehten Umfeld nicht deplatziert wirken - und man bekommt auch noch eine der intensiveren und gewagteren Sexszenen in der Historie der Superheldenfilme zu sehen.
Dass dieser Film dabei ein ganzes Stück günstiger produziert wurde als von aktuellen Superhelden-Filmen gewohnt ist nicht zu übersehen, denn abgesehen von „Colossus“ gibt es keine aufwändigen CGI-Charaktere zu bestaunen. Das stört aber nicht weiter, denn „Deadpool“ legt seinen Schwerpunkt eben ganz klar auf andere Aspekte und punktet mit Witz und Respektlosigkeit, zahlreichen Anspielungen auf andere Werke der Pop-Kultur sowie der beschriebenen, ganz eigenen Tonalität. Der Level anderer selbstironisch-überzogener Comic-Adaptionen wie "Kingsman“ oder dem ersten „Kick-Ass“-Film wird dabei zwar nicht durchgehend erreicht, aber dafür ist diese Titelfigur immerhin wirklich eine ganz Besondere.
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In welcher Comic-Adaption, die keine Superhelden-Verfilmung ist, spielte Ryan Reynolds ebenfalls eine Hauptrolle?
(Nachtrag: Die Verlosung ist mittlerweile beendet und die Gewinner benachrichtigt, bitte keine Mails mehr schicken)
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