Mitte der 80er Jahre ist die Gegend in und um Los Angeles ein Pulverfass aus Drogenhandel, Straßenkriminalität und willkürlicher Polizeigewalt. Vor allem in den von schwarzen Bewohnern dominierten Stadtteilen scheint es für viele junge Männer kaum einen anderen Weg als den vorgezeichneten in eine Spirale aus Verbrechen und Gefängnis zu geben. Nachdem der Crackdealer Eric „Eazy E“ Wright (Jason Mitvhell) aus Compton nur knapp einer Verhaftung entgeht, sieht er dies als letztes Warnzeichen. Als der etwas heruntergekommene Musik-Manager Jerry Heller (Paul Giamatti) ihm anbietet, sich um die Vermarktung seiner viel versprechenden musikalischen Ambitionen zu kümmern, schlägt Eric ein. Zusammen mit seinen ebenfalls sehr talentierten Kumpeln Andre „Dr. Dre“ Young (Corey Hawkins) und O’Shea „Ice Cube“ Jackson (O‘ Shea Jackson jr.) gründet er eine Gruppe, die allein schon mit ihrem Namen für Aufmerksamkeit sorgt: Die Band N.W.A. („Niggaz with Attidude“) und ihr Album „Straight Outta Compton“ fegen wie ein Orkan über die Musik- und Medienlandschaft, stehen fortan gleichsam für das authentische schwarze Lebensgefühl wie für die „Bedrohung“ die für die etablierten Schichten von diesen bisher sozial Benachteiligten ausgeht. Doch obwohl der Erfolg gigantisch ist, treten innerhalb der Gruppe bald erste Streitigkeiten zutage. Nacheinander verabschieden sich Ice Cube und dann auch Dr. Dre aus der Band, deren Zenit bereits überschritten scheint.
Der Fußabdruck, den die „Niggaz with Attitude“ hinterlassen haben, ist in der Tat riesengroß, denn auch als es diese Band schon nicht mehr gab, sorgten deren ehemalige Mitglieder mit ihren folgenden Solowerken oder ihrer Produzententätigkeit für die weitere Entwicklung des Hip Hop mit Stoßrichtung Gangsta Rap, denn auch so bekannte Namen wie Snoop Doggy Dogg oder Tupac Shakur entstammen dieser Schule. Diese Story in nur einem Kinofilm zu erzählen ist deshalb auch eine knifflige Aufgabe, gilt es doch hier nicht nur eine einzelne schillernde Figur in einem typischen Biopic abzuhandeln. Trotz der stolzen Laufzeit von gut zweieinhalb Stunden bewältigt Regisseur F. Gary Gray dies auch nur mit Hilfe von Kompromissen und wählt da dann manchmal eher fragwürdige Schwerpunkte.
Überzeugend der Auftakt, in dem das Lebensgefühl in den sozial schwierigen Stadtteilen eingefangen wird und die Selbstverständlichkeit, mit der sich viele der Bewohner in ihr Schicksal fügen. Geradezu bedrückend wirken die unfassbaren Schikanen der berüchtigten L.A. Police und es lässt sich sehr gut nachfühlen wie der Zorn in den jungen Männern aufsteigt, die selbst dann verprügelt und gedemütigt werden, wenn sie einfach nur ihre Straße entlang nach Hause gehen wollen. Wenn diese dann schließlich als gefeierte Rapper vor euphorischen Massen ihr aggressives „Fuck the Police“ darbieten, dann ist die Anspannung auf allen Seiten deutlich spürbar. Und natürlich kommt der Film zu einem Zeitpunkt heraus, der „besser“ nicht gewählt sein könnte, sorgen doch die Berichte über Übergriffe von vermeintlichen Ordnungshütern gegen schwarze Bürger gerade in den letzten Monaten für ein erneutes Aufflammen der Rassenunruhen in den USA. So fühlt sich „Straight Outta Compton“ vor allem in diesem Punkt auch nie wie ein historischer Film an, sondern wie ein verdammt aktueller.
Das brisante Thema rückt allerdings im Verlauf immer weiter an den Rand und muss Platz machen für die anscheinend bei plötzlichem Ruhm immer und überall auftretenden Eitelkeiten und Streitigkeiten, die aus langjährigen Weggefährten schließlich erbitterte Gegner machen. So geschieht es auch hier, aus Selbstsucht oder auch verführt von ihren Getreuen driften die großen Drei von „N.W.A.“ immer weiter auseinander, und „dissen“ sich schließlich in ihren Solowerken aufs Übelste gegenseitig. Dass die Hauptbeteiligten bzw. deren Erben allesamt als Produzenten am Film beteiligt sind (und der Sohn von Ice Cube hier sogar seinen Vater spielt) sorgt aber dafür, dass keiner von ihnen zu schlecht wegkommt und am Ende wird die Hauptschuld an deren Zwist sogar etwas billig den jeweiligen Managern zugeschoben. Dass man den gewalttätigen und in der Realität gerade jetzt wieder auf einen Mordprozess wartenden Suge Knight (R. Marcos Taylor) dabei wenig schmeichelhaft zeichnet ist noch vertretbar, warum sich der von Paul Giamatti verkörperte, zuvor noch stets für seine „Jungs“ gerade machende Jerry Heller aber recht plötzlich zum schmierigen Mistkerl wandelt, sorgt dagegen doch etwas für Verwunderung.
Während die Charakterisierungen insgesamt eher oberflächlich bleiben und sämtliche weiblichen Figuren sowieso nur als Staffage oder halbnackt auf Partys rumlaufendes Eye-Candy dienen, ist es schließlich Eazy-E, der hierzulande sicher unbekannteste der drei Protagonisten, der sich schließlich zum emotionalen Herz des Films entwickelt und für die berührendsten Momente sorgt. Man muss allerdings konstatieren, dass der Film in seiner zweiten Hälfte deutlich an Wucht verliert und sich viel zu lang mit nur mäßig interessanten Streitereien beschäftigt, während etwa der später zu gleich mehreren Morden eskalierende Krieg zwischen den Ost- und Westküstenrappern nur ganz am Rande angedeutet wird.
„Rap ist keine Kunst“ behauptet zu Beginn des Films ein besonders übereifriger Cop, während Manager Jerry seine Künstler vor Misshandlungen schützt und sie als eben solche bezeichnet. Nun mögen die Musik und Texte der „Niggas with Attitude“ zwar mindestens genauso viel Politik wie Kunst gewesen sein, aber auch deshalb ist deren Geschichte absolut erzählenswert. Und auch wenn sich der gewaltige kommerzielle Erfolg des Films in den USA angesichts des doch sehr amerikanischen Themas in Europa kaum wiederholen wird, ist er auch allemal sehenswert. Dabei gilt es allerdings mit Bedacht zu wählen, in welcher Version man sich „Straight Outta Compton“ zu Gemüte führt. Bei der deutschen Synchronisation geht selbst mit größtem Bemühen zwangsläufig ein Großteil der speziellen Atmosphäre und Sprache verloren, der Originalfassung vollständig zu folgen dürfte aber selbst versierten Verstehern des Englischen mitunter schwerfallen. Original mit Untertiteln lautet daher ganz eindeutig die beste Lösung und unsere Empfehlung.
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