
26 Millionen Dollar. Dieses im Vergleich lächerlich kleine Budget hätte bei den letzten sieben Filmen von Michael Bay - von "Armageddon" bis hin zur "Transformers"-Trilogie - bestenfalls fürs Catering gereicht. Dass der neueste Film von Materialschlacht-Maestro Bay trotz namhafter Besetzungsliste mit solch geringen Produktionskosten auskam, ist bereits eindeutiges Indiz dafür, dass man hier nichts von dem zu sehen bekommt, was einen Michael Bay-Film bis dato immer ausgemacht hat. Hier fliegt jedenfalls nichts in die Luft. Anstatt wie gehabt die nächste große Action-Schlachtplatte zu servieren, versucht Bay sich bei "Pain & Gain" an etwas für ihn sehr Ungewohntem. Und scheitert daran auf ganzer Linie.
Der Film basiert auf wahren Begebenheiten und erzählt die Geschichte von drei Bodybuildern aus Miami, die Mitte der 90er Jahre von ihrem recht armseligen Dasein genug hatten und mit einem vermeintlich cleveren Enführungs- und Erpressungsplan auf schnellem Wege zum großen Geld kommen wollten. Der Kopf des Trios, Fitness-Trainer Daniel Lugo (Mark Wahlberg), ersann die Idee, seinen reichen Klienten Viktor Kershaw (Tony Shalhoub aus der TV-Serie "Monk") zu kidnappen und ihn dazu zu bringen, seine gesamten Vermögenswerte an Lugo und seine Komplizen zu überschreiben. Ein Vorhaben, das von Anfang an nicht ganz so ablief wie geplant, und auch im weiteren Verlauf nur deshalb nicht sofort zu Verhaftung und Inhaftierung führte, weil sich die Polizei zeitweise noch dämlicher anstellte als die drei Täter. Was denen wiederum die Gelegenheit gab, auf weitere dumme Ideen zu kommen und sich so richtig in die Scheiße zu reiten.
"Unfortunately, this is a true story". Mit diesem Hinweis beginnt der Film und setzt damit den Ton für seine Erzählung. Denn was sich im Folgenden offenbart, ist stellenweise so absurd und (seitens der Protagonisten) dermaßen bescheuert, dass man diese ziemlich unglaubliche Geschichte wirklich nur fassen kann als eine Realsatire darüber, was passiert wenn drei Dummbrote glauben ein großes Ding drehen zu können. Das Filmplakat ist hier jedenfalls absolut irreführend, wie es Wahlberg und Johnson so als smarte, coole Sonnenbrillenträger ins Bild rückt und noch suggeriert, dass eine heiße Sexbombe zwischen ihnen steht. Die Realität sieht so aus: Die Hauptfiguren dieses Films (inklusive der Sexbombe) sind komplette Idioten, nur dass einige von ihnen besonders große Idioten sind, die darum den führenden Idioten für besonders klug halten. Die Opfer dieser Idioten wiederum sind unsympathische Arschlöcher. Weshalb man sogar geneigt sein könnte, zu den Idioten zu halten. Wären diese in ihrer Idiotie nicht so rücksichtslos und brutal.
"Pain & Gain" hört auf, ganz nett und lustig zu sein, als die Protagonisten anfangen ihr Entführungsopfer zu foltern, damit er endlich tut, was sie wollen. An diesem Punkt fängt die Geschichte an, schwer handhabbar zu werden, denn nun bewegt man sich auf einem sehr schmalen Grat. Die eskalierenden Gewaltakte, zu denen Daniel & Co. im folgenden Verlauf bereit sind, wären vielleicht noch irgendwie als schwarzhumorig zu verdauen, wenn es dem Film gelingen würde sich in eine Farce über tumbe Gangster zu verwandeln (wie z.B. die frühen Werke von Guy Ritchie). Dafür bräuchte man allerdings einen Regisseur, der die handwerkliche Finesse besitzt zu wissen, wie eine Farce funktioniert. Michael Bay ist nicht so ein Regisseur.
Das Problem von "Pain & Gain" ist nicht nur, dass sein Regisseur schon immer außerstande war, irgendetwas subtil zu machen, weshalb die satirischen Elemente über Daniel Lugos fehlgeleitete Vorstellungen zum "American Dream" wirkungslos verpuffen, weil sie einem mit der Feinfühligkeit eines Presslufthammers um die Ohren gehauen werden. Das Problem ist vor allem, dass Michael Bay denselben Film wie immer inszeniert, und scheinbar nicht kapiert hat, dass das hier leider überhaupt nicht passt.
Dass man in einem Michael Bay-Film ist, sieht man bereits in der ersten Szene, in der Mark Wahlberg in einem strahlend weißen Shirt über strahlend weiße Dächer durch strahlend weiße Wäschelaken hindurch vor der Polizei flüchtet, die in Superzeitlupe aus ihrem Einsatzwagen hüpft, und das alles vor einem strahlend blauen Himmel. Die gelackte Werbefilm-Ästhetik, die bemühte Zeitlupen-Coolness, der markig dröhnende, vollkommen Ironie-freie Soundtrack - alles ist hier wie immer bei Bay. Und in diesem Film völlig falsch.
Wenn man sich "Pain & Gain" ansieht, möchte man eine stille Träne verdrücken zusammen mit seinen beiden Drehbuchautoren, denn man kann unter diesem inszenatorischen Desaster immer noch ganz gut erkennen, wie dieser Film eigentlich mal wirken sollte, mit welch galligem Humor er seine Realsatire durchziehen wollte, und dass die Autoren sich dabei durchaus was gedacht haben. Dann mussten sie leider hilflos mit ansehen, wie ihr hübsches Projekt von einem Regisseur gekapert wurde, der mit solch einem Stoff schlicht nicht umzugehen weiß. Und anstatt das zu tun, was so eine Geschichte braucht - nämlich mit Tempo, Rhythmus und Pfiff umgesetzt werden, damit die absurde Story hübsch kurzweilig nur so am Zuschauer vorbeifliegt - dann auch noch hingeht und die ganze Kiste unnötig in die Länge zieht. Bis ein Film, der auf keinen Fall mehr als 100 Minuten dauern sollte, am Ende bei 129 ankommt.
Ja, das alles hier liest sich wie übelstes Bay-Bashing, aber was soll man machen, wenn es nun mal derart angebracht ist. Es gibt Dinge an diesem Film, die gut sind, sogar wirklich komisch. Zwar auch nicht subtil, aber wenigstens lustig. So wie die kleine Rolle der momentan tierisch angesagten dicken Komikerin Rebel Wilson ("Brautalarm", "Pitch Perfect"). Und vor allem Dwayne Johnson, der als treudoofer Ex-Kokain-süchtiger-jetzt-wiedergeborener-Christ-Bodybuilder Paul der eigentliche Star dieses Films ist und sogar einem Tony Shalhoub mühelos jede Szene stiehlt. Wegen ihnen und vielen kleinen, guten Ansätzen hat es "Pain & Gain" nicht verdient, komplett verrissen zu werden. Aber umso weniger mag man vergeben, was der Regisseur daraus gemacht hat, nämlich den traurigen Beweis dafür, dass Michael Bay wirklich nichts anderes kann als Materialschlachten zu orchestrieren. Meister, bleib bei deinen Leisten. Bitte. Bevor du noch einen potenziell guten Film ruinierst.
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