Kaum ein Schriftsteller trifft aktuell das Lebensgefühl der jüngeren Generation so genau wie der Amerikaner John Green, dessen drei Solowerke nicht nur die Bestsellerlisten stürmten, sondern zudem auch noch die Kritiker begeistern, obwohl es sich dabei ja eigentlich „nur“ um Jugendliteratur handelt. Da werden vom Feuilleton Vergleiche zu Philip Roth oder John Updike gezogen, während die Leserschaft fasziniert mit den glaubwürdigen Figuren lebt und leidet.
Den besonderen Stil eines sehr speziellen Autors vom Buch auf die Leinwand zu übertragen ist in solchen Fällen schwierig bis unmöglich, doch es war praktisch unausweichlich, dass man es versuchen wird. Zu verlockend sind da die Aussichten auf einen echten Hit und mit der Adaption von Greenes immer noch frischestem Werk „The Fault in our Stars“ – das in Deutschland bereits als Buch den Titel „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ erhielt - ist die Rechnung auch gleich mal aufgegangen. Denn wann erzielt sonst schon ein eher unscheinbarer Film über das traurige Schicksal todkranker Jugendlicher an seinem Startwochenende ein Kasseneinspiel wie es sonst nur teuren Blockbuster-Produktionen gelingt? Doch das ist kein Grund die Nase zu rümpfen, denn ob nun Hype und Marketing-Coup oder nicht - diese Verfilmung ist ein herausragendes Stück Kino mit ganz eigenen Stärken.
Sie ist gerade mal sechzehn und eigentlich ist es bereits ein Wunder, dass sie überhaupt noch lebt. Denn die Krankheit von Grace (Shailene Woodley) ist unheilbar und jedes weitere Jahr ein Geschenk. Ihrer stets besorgten Mutter (Laura Dern) versucht sie genauso zu entgehen wie der Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe für Krebspatienten, doch das ändert sich als Grace dort eines Tages den äußerst selbstbewusst auftretenden Gus (Ansel Elgort) trifft, der sie mit seiner direkten und beinahe selbstgefälligen Art in seinen Bann zieht. Gus hat seine Erkrankung offenbar überwunden und begleitet in erster Linie seinen Kumpel Isaac (Nat Wolff), dem der Verlust des Augenlichtes droht. Die Freundschaft mit Gus wächst schnell zu einem echten Vertrauensverhältnis heran, erst recht als der es schafft einen Kontakt zu Graces Lieblingsschriftsteller Peter Van Houten (Willem Dafoe) herzustellen. Die Beiden planen einen Besuch des in Europa lebenden Autors, doch Graces Gesundheitszustand lässt eine solche Reise eigentlich nicht zu. Als sie diese dennoch wagen, erwartet sie in Amsterdam eine Überraschung.
Und die ist eher unangenehm, denn der sich zuvor doch so freundlich gebende Van Houten entpuppt sich als Soziopath und waschechter Kotzbrocken, von Altmeister Willem Dafoe hinreißend widerlich gespielt. Eine Entwicklung wie sie geradezu typisch ist für diesen Film, der sich zwar einerseits extrem gefühlsbetont gibt und eine Freundschafts-/Liebesgeschichte erzählt, die einem förmlich das Herz zerreißt. Doch bevor dabei ernsthaft die Gefahr aufkommt in Sentimentalität oder gar Kitsch abzugleiten, wird den Charakteren mit nicht selten schichtweg als „brutal“ zu bezeichnender Konsequenz ein neuer Nackenschlag versetzt. Der (deutsche) Titel trifft es da schon ziemlich korrekt, und dass die trotz all dieser Tief- und Rückschläge immer wieder zurückkehrende Lebensfreude nicht aufgesetzt oder künstlich behauptet wirkt, ist dann die große Leistung des Ensembles. Ein Verdienst sowohl des jungen und bisher noch nicht groß aufgefallenen Regisseurs Josh Boone, der hier ein erstaunlich sicheres Händchen für das richtige Timing und das angemessene Maß an Emotionalität beweist, als natürlich auch seiner beiden Hauptdarsteller.
Dass es sich bei Shailene Woodley um eine der ganz großen jungen Schauspielerinnen der Gegenwart handelt deutete sich zunächst in „The Descendants“ an, wurde mit ihrer starken Leistung im Mainstream-Beitrag „Divergent – Die Bestimmung“ schon deutlicher und darf nach „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ nun wohl als Gewissheit gelten. Ungeschminkt und unprätentiös verleiht sie ihrer Grace Charisma und Würde, ohne ihre Figur dabei jemals die Bodenhaftung verlieren zu lassen. Denn dass Grace nicht alt werden sondern jung sterben wird, ist eine Gewissheit um die hier nie herumgeredet oder gar die Möglichkeit eines klassischen Happy-Ends angedeutet wird. Es sind immer nur einzelne Momente des Glücks die Grace & Gus vergönnt sind – umso intensiver werden diese aber dann wahrgenommen. Der von Ansel Elgort (ebenfalls in „Die Bestimmung“ mit dabei) gespielte Gus erscheint dabei in seiner Cleverness und Schlagfertigkeit zwar gelegentlich fast ein bisschen zu perfekt, doch wird auch diese Selbstinszenierung immer wieder aufgebrochen und deutlich, dass die „Maske“ eben nicht dauerhaft durchzuhalten ist.
Es war gleich eine doppelt schwere Aufgabe die es hier zu bewältigen galt: Zuerst die literarische Sprache eines John Green in ein anderes Medium zu übertragen ohne dass diese ihre Wirkung verliert. Glaubt man den zu vernehmenden Stimmen der Buchkenner so ist dies dem Film auf eine Art gelungen, die sich kurz mit dem Satz „anders, aber auf seine Art genauso intensiv“ beschreiben lässt. Die zweite Klippe, die sich bei diesem Thema auftut, ist die Gefahr entweder in einen deprimierend-weinerlichen Ton zu verfallen oder aber am entgegensetzten Ende des aufgesetzt-kitschigen „Feel good-Movies“ zu stranden. Es dürfte aber nur wenige Zuschauer geben, die nach dem Betrachten von „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ nicht bestätigen werden, dass sämtliche Beteiligten hier tatsächlich (fast durchgehend) genau den richtigen Ton getroffen haben. Respekt!
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