Frankie Dunn (Clint Eastwood) hat einen Großteil seines Lebens im Ring verbracht und etliche Boxer betreut. Dabei ist er ein besserer Trainer als Manager, denn zu oft hielt er seine Kämpfer von den großen Titelkämpfen fern, da er meinte, sie seien noch nicht reif dafür. Ein Beschützerinstinkt, der sich ins Extrem ausgebildet hat seit sein Boxer Scrap vor vielen Jahren beim Kampf ein Auge verlor. Heute ist Scrap (Morgan Freeman) eine Art Maskottchen in Frankies Trainingscenter und er erzählt uns eine Geschichte. Die Geschichte wie der antriebslose Frankie eine neue Lebensaufgabe findet, indem er die ehrgeizige Boxerin Maggie (Hillary Swank) unter seine Fittiche nimmt. Eine Aufgabe, die der alte Hase erst nach langem Zögern annimmt, denn erstens trainiert er prinzipiell keine Frauen und zweitens ist Maggie mit Anfang Dreißig eigentlich auch schon viel zu alt für eine große Karriere. Und so ist der tatsächliche Grund für Frankies Engagement denn auch wohl ein ganz anderer. Seit Jahren hadert er mit der Tatsache, dass sich seine leibliche Tochter von ihm losgesagt hat und auch nicht auf seine zahlreichen Briefe antwortet. Maggie dagegen braucht ihn und vertraut ihm. Ein Vertrauen, dass schon bald auf die Probe gestellt wird, denn nach den ersten Erfolgen im Boxring beginnt sich das Leben aller Beteiligten dramatisch zu ändern.
Was Clint Eastwood in der Spätphase seiner Karriere abliefert ist schon mehr als beeindruckend. Da hatte der ehemalige Italowestern- und "Dirty Harry"-Star doch bereits vor rund zehn Jahren sein großartiges Alterswerk abgeliefert und mit "Erbarmungslos" eine bemerkenswerte Selbstreflexion zum eigenen Image inszeniert. Das wurde entsprechend abgefeiert, mit einer Handvoll Oscars belohnt und Auf Wiedersehen in den verdienten Ruhestand. Haben wir so gedacht, denn Mr. Eastwood denkt gar nicht daran, sich auszuruhen. Auch nicht, nachdem er mit "Mystic River" vor gerade mal einem Jahr den Herren Robbins und Penn zu ihrem verdienten Darsteller-Oscar verhalf. Jetzt will Eastwood es sogar noch einmal selbst wissen und übernimmt auch wieder die Hauptrolle in seiner Adaption einer Kurzgeschichte über das Schicksal einer Boxerin. Aber obwohl das daraus entstandene Werk nun "Million Dollar Baby" heißt, geht es darin weder in erster Linie ums große Geld, noch um den Star im Ring. Es ist ganz eindeutig die traurige Lebensgeschichte des Frankie Dunn, die der Film in den Mittelpunkt stellt, und es ist zweifellos auch die beste Rolle, die Eastwood seit langem oder auch überhaupt je gespielt hat. Ein sowohl äußerlich als auch innerlich gezeichneter, alter Mann, der auf ein Leben zurückblickt, in dem er viele Möglichkeiten hatte und fast genauso viele auch vertan oder verloren hat. Mit rauer, manchmal (zumindest im Original) kaum verständlicher Stimme verkörpert Eastwood eine glaubwürdige Figur, die unendlich weit von den coolen Ikonen entfernt ist, die ihn einst zum Star gemacht haben. Man mag behaupten, dass die Oscar-Academy mit der erneuten Nominierung als Regisseur und auch als Hauptdarsteller einen der ihren zum persönlichen Liebling erkoren hat und vielleicht stimmt das sogar. Aber das ändert letztendlich überhaupt Nichts daran, dass vor allem die Darstellernominierung hier völlig zu Recht erfolgt. Schon eher diskutieren darf man aber über die Entscheidung, im Überschwang der Begeisterung auch gleich die Kollegen Swank und Freeman mit aufs Tableau zu hieven. Denn Hilary Swank macht ihre Sache in einer dankbaren Rolle zwar sehr gut, hatte aber bei ihrem Durchbruch mit "Boys don't cry" sicher eine schwierigere Aufgabe zu bewältigen. Dass es Morgan Freeman scheinbar nicht möglich ist, überhaupt mal eine wirklich schwache Leistung abzuliefern, ist bekannt, aber ob sein Part als lakonischer Erzähler, der einen Großteil seines Textes aus dem Off spricht, nun wirklich eine der besten Leistungen des gesamten Filmjahres war, nun ja.
Wen es überrascht, dass ein Film der sich vornehmlich um eine öffentliche Randerscheinung wie Frauenboxen dreht, eine derart große Aufmerksamkeit genießt (selbst wenn er von Clint Eastwood stammt), dem sei gesagt, dass dieser Eindruck eben auch nur die halbe Wahrheit ist. Zwar überzeugen die Ringszenen durch ihre Dynamik und bei manchen Kamerabewegungen hat der Zuschauer sogar fast das Gefühl "mitzuschlagen". Doch nach etwas mehr als der Hälfte der Laufzeit vollzieht sich beim "Million Dollar Baby" eine einschneidende Plotwendung, die den Film ein ganzes Stück weg vom Sportgeschehen und mehr in Richtung "großes Sozialdrama" rückt. Das hat dann alles Nichts mehr mit den in einschlägigen Sportlerfilmen üblichen kurzen Rückschlägen auf dem Weg nach ganz oben zu tun, sondern setzt sich recht beeindruckend mit den Themen Verlust, Heimat und Geborgenheit auseinander. Beeindruckend, wie gesagt, aber auch nicht ganz frei von manchmal etwas dick aufgetragener Rührseligkeit, die bei der Schilderung von Maggies Familie sogar recht heftig in die typischen Klischees eines "White Trash"-Umfeldes abgleitet.
"Million Dollar Baby" ist ganz zweifellos ein sehr guter Film mit drei erstklassigen Hauptdarstellern, dazu einer berührenden, tragischen Geschichte. Die unglaubliche Spannung und Dichte, die Eastwood uns kürzlich mit seinem "Mystic River" bescherte, erreicht dieser Film aber nicht. Aber das muss er auch nicht, damit wir nicht trotzdem vor einem ganz großen Künstler respektvoll den Hut ziehen können. Chapeau, Mr. Eastwood!
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