Hereafter - Das Leben danach

Originaltitel
Hereafter
Land
Jahr
2010
Laufzeit
129 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Simon Staake / 1. Juni 2011

Wenn man dem alten Mann Eastwood etwas nicht vorwerfen kann, dann ist es Berechenbarkeit. Das galt ja schon für den jungen Regisseur Eastwood, der in seinen ersten beiden Filmen den modernen Stalker-Film begründete und über eine ungleiche Liebe zwischen einem jungen Hippiemädchen und einem älteren Mann erzählte. Aber Eastwood im Alterswerk schwankt zwischen Redneck-Boxerinnen und Japanern im Krieg, zwischen Mandelas Rugbyspielern und getauschten Söhnen. Wo er früher zumindest als Darsteller ungeliebt auf einen Typus festgelegt war, hat er sich als Regisseur schon immer Freiräume erarbeitet, erst recht in den letzten Jahren. Nun also 15 Jahre nach "Die Brücken am Fluss" wieder mal ein Melodrama und der erste Film mit übernatürlichem Inhalt als Hauptthema. Gut, "Der Fremde ohne Namen" war eigentlich eine Geistergeschichte (außer in der deutschen Synchronfassung), aber wie Eastwood sich hier in ein kontroverses und vor allem für ihn als - wenn auch fälschlicherweise so wahrgenommenen - 'Männerregisseur' ungewohntes Thema stürzt, muss man schon mal respektieren. Die andere gute Nachricht: Nach dem eher geteilten Presseecho und mäßigem Einspiel in den USA war man ja skeptisch, aber Eastwood schafft es, wieder einen ziemlich guten Film abzuliefern; kein Meisterwerk, aber doch einen Film, der einen positiv überrascht.

Die von Peter Morgan verfasste Geschichte entwickelt sich in drei Erzählsträngen, die Eastwood wie nicht anders zu erwarten ganz klassisch parallel montiert: Die französische Journalistin Marie (Cécile de France) entkommt bei einer Naturkatastrophe nur ganz knapp dem Tod, hat dabei aber eine Erfahrung mit dem Jenseits gemacht. Der Amerikaner George (Matt Damon) kennt Erfahrungen mit dem Jenseits nur zu gut, hat er doch die Fähigkeit, mit den Verstorbenen Kontakt aufzunehmen. Nach einer erfolgreichen Karriere als Medium sehnt er sich nun nach einem ruhigen, normalen Leben. Und dann ist da noch der britische Junge Marcus (Frankie McLaren), der sich nach einem Todesfall in seiner Familie näher mit dem Jenseits beschäftigt.
Wie diese drei Geschichten miteinander verbunden werden soll hier - ebenso wie weitere Einzelheiten - nicht verraten werden. Nicht etwa, weil Eastwood nun shyamalanisiert wurde (welche grausiger Gedanke) und mit alles über den Haufen werfenden Plottwists aufwartet, sondern weil die Geschichte Erwartetes und zumindest so nicht Erwartetes in gesundem Maße zusammenführt und es sich hier lohnt, Eastwoods wie immer gemächlichem Erzählrhythmus zu folgen und die kleinen Freuden von "Hereafter" zu entdecken. Dazu gehört eben auch, dass er das zentrale Thema Jenseits aus drei Perspektiven angeht und jede davon auch Sinn macht. Zusammen ergeben die drei Stränge dann ein stimmiges Ganzes, wenn gleich die Effektivität der Zusammenführung der Plotstränge sicher im Auge des Betrachters liegt.

Zwischendrin sind es immer wieder einzelne Szenen, die erfreuen, die berühren, die überzeugen. Und hier gibt es klare Unterschiede in der Hierarchie der erzählten Geschichten, die sich wiederum auf die Schauspieler auswirken. Oder vielleicht ist es auch umgekehrt. Die Wiederentdeckung des Films ist ganz klar Matt Damon in der Rolle des von seiner Gabe gebeutelten Mediums. Damon hat sich für die Rolle eine kleine Wampe angefressen und in die Haare ein bisschen Grau färben lassen, um so der Rolle besser zu entsprechen (und als Einwurf beim Thema Wampe: Mein Gott ist Jay Mohr als Damons Filmbruder Billy fett geworden!).
Dabei sind es nicht diese optischen Merkmale, die erstaunen: Damon bewegt sich auch anders, ganz so als hätte er wie seine Figur eine schwere Last zu tragen. Es gibt eine Szene, in der seine Figur George einer zuschlagenden Tür zuschaut, müde und enttäuscht vom befürchteten und sich bestätigenden Schicksal, und in diesen Momenten sieht Damon nicht aus wie seine 40 Jahre (was man angesichts seines jugendlichern Aussehens ja gern vergisst), sondern mindestens wie 60, so sehr scheint ihn seine emotionale Bürde altern zu lassen. Zudem ist seine Figur die einzige, die wirklich vollständig gezeichnet ist. Besonders bleibt Georges Liebe für Charles Dickens hängen und wie er, der auf Grund seiner Erlebnisse schlecht schlafen kann, versucht, zu Hörbüchern von Dickens zur Ruhe zu kommen.

Matt Damons Rolle verdeutlicht aber auch ein Dilemma des Films, denn Damon ist so gut und seine Figur so interessant, dass man eigentlich gar keine Lust hat, zu den anderen beiden Erzählsträngen um Marie und Marcus zurückzukehren. Um das Leben eines Mediums und was seine Fähigkeit aus diesem macht hätte man einen eigenen Film drehen können, der vielleicht interessanter gewesen wäre als es "Hereafter" dann letztendlich ist.
Damons Erzählstrang ist auch für die lebhafteste und liebenswerteste Szene verantwortlich. Als George und Kochkurspartnerin Melanie blind Zutaten erraten müssen, liegt eine romantische Note und sexuelle Spannung zwischen den beiden, die den meisten Leinwandpaaren - und besonders den Rom-Com-Geschädigten - völlig abgeht. Auch hiervon hätte man gern mehr gesehen, zumal Bryce Dallas Howard als Melanie ein wenig Leben in die Bude bringt, was man von den drei traurigen und tragischen Protagonisten ja nicht unbedingt behaupten kann.
Cécile de France ist eigentlich eine der ausdrucksstärksten und lebhaftesten Schauspielerinnen in der französischsprachigen Welt (trotz ihres Namens ist sie ja keine Französin, sondern Belgierin). Hier hat sie allerdings den undankbarsten Erzählstrang erwischt. Als Journalistin, die Ruf und Karriere mit ihrer Suche nach Beweisen für die Existenz eines Jenseits gefährdet, hat sie wenig Möglichkeit zu glänzen und muss zudem in den wenigen Szenen mitspielen, die ein wenig ins Lächerliche gleiten. Denn wenn ihr eine Schweizer Forscherin (Marthe Keller, "Der Marathon-Mann") erklärt, die Existenz des Jenseits sei wissenschaftlich unabweisbar bewiesen, macht man denn doch die mentale Notiz "Äh, nicht wirklich?!" und fragt sich, wo diese Dame denn ihren Doktortitel her hat.
Marcus' Erzählstrang - auch getragen vom guten Spiel des jungen Frankie McLaren - hat einen überraschenden Knalleffekt (mit noch überraschenderer Storyeinbindung) zu bieten sowie ein paar sehr nett satirische Momente, in denen die Quacksalber und Scharlatane im Beruf des Mediums (alle außer Matt Damon!) vorgeführt werden.

Apropos vorgeführt: Die Eröffnungssequenz zeigt ungewohnte Schauwerte für einen Eastwoodfilm, denn die dort dargestellte Katastrophe wird mit ordentlich (und ordentlich gemachtem) CGI umgesetzt und hat zudem eine "Man ist dabei"-Intensität, die man Eastwood und seinem reservierten Stil gar nicht zutraut. Danach wird es fast zwei Stunden ja auch eher gemütlich und gefühlig. Allerdings nicht zu sehr, Gott sei Dank, denn Eastwood behält in allen drei Erzählsträngen den Realismus.
Und so ist auch seine Jenseitsdarstellung die vielleicht realistischste, weil am weitesten verbreitete: Weißes Licht und schattenhafte Schemen. Wer Eastwood nicht wohlgesonnen ist, sagt auch: Hat Eastwood also wieder das Klischee gefunden. Sein größter Feind ist ja immer das lauernde Klischee, das sich mal mehr mal weniger deutlich in seine Filme - auch die tollen - hereinschleicht. Man denke da mal nur mit Grausen an Maggies Redneck-Familie oder Billie "The Blue Bear", die ehemalige ostdeutsche Prostituierte zurück, die das "Million Dollar Baby" ganz bedenklich an Glaubwürdigkeit kosteten.
Solch schlimme Figuren gibt es hier nicht und glaubwürdig sind trotz des Themas alle Figuren und ihre Motivationen und Gefühle. Aber etwa bei der Musik wird's manchmal doch arg zu klischiert. Jemand wie Eastwood hat es doch eigentlich gar nicht nötig, das simple Frankreichbild in seiner Heimat weiter zu füttern. Warum er dann also ein Abendessen in einem eleganten, modernen Restaurant mit den Klängen der Musette unterlegt, ganz so als stünde der schnauzbärtige Mann mit Baskenmütze und Akkordeon im Arm gleich neben der Theke, weiß man nicht recht. Und in der ohnehin nur ganz, ganz knapp am Schmalz vorbeilaufenden Schlussszene wallen die romantischen Streicher derart penetrant auf, dass es schon fast Parodiewert hat.

Wer eifrig das Wort Jenseits in dieser Rezension gezählt hat, wird feststellen, dass es häufig fällt, und dann, das der deutsche Zusatztitel gleich doppelt daneben liegt. Zum einen, weil "Hereafter" nichts anderes als Jenseits bedeutet, zum anderen, weil es Eastwood hier nun überhaupt nicht um das Leben danach geht. Denn anders als Filme wie "Hinter dem Horizont" oder "In meinem Himmel" kriegen wir das Jenseits so gut wie gar nicht zu sehen. Es geht also eher darum, wie sich die Frage nach der Existenz des Jenseits auf drei Personen im Hier und Jetzt auswirkt. Eastwood ist im Nachgehen dieser Frage mit "Hereafter" ein leiser, langsamer und angesichts der Thematik erstaunlich überzeugender Film gelungen. Man muss dem Film seine Version des Jenseits nicht unbedingt abkaufen, sofort abzuweisen ist sie aufgrund der überlegten Art und Weise von "Hereafter" aber auch nicht.
Sicherlich werden die, die an die Existenz eines Lebens nach dem Tode glauben (was Eastwood und Drehbuchautor Morgan übrigens beide nicht tun) von diesem Film am meisten haben, aber auch alle anderen können es sich wieder mal in Eastwoods Kino der alten Schule gemütlich machen. Und so wünscht man sich auch nach diesem Film wieder, dass Clint Eastwood dem Jenseits noch lange fernbleibt. Sie wissen schon, dem richtigen.

Bilder: Copyright

9
9/10

Hey ! Es ist ein "Eastwood" !
Allein dafür schon 9 Augen !

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10
10/10

SUPER FILM!
DER ALTE MANN HAT ES WIEDER GESCHAFFT EINE LATTE DRAUF ZU LEGEN!

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7
7/10

Mach´s kurz: Toller, langsamer Film.

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4
4/10

Definitiv Eastwood's mit Abstand schwächster Film. Plätschert bis zum Schluss ohne jegliche Dramaturgie vor sich hin und dann war's das plötzlich auch schon. Kein Vergleich zu den genialen "Million Dollar Baby" oder "Gran Torino". Schade.

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9
9/10

Matt Damon hat's einfach drauf. Er schlüpft immer wieder in interessante Rollen und bearbeitet Themen, die nicht so Mainstream sind (GreenZone und Good Will Hunting). Auch diesmal überzeugt er wieder durch schauspielerische Leistung und bringt unter Eastwood's Regie das Phänomen 'Medium' sehr gut rüber. Auch die anderen Schauspieler zeigen sehr gute Leistung.
Die Szenerie erscheint lediglich im 2. Drittel etwas langatmig und auch das Ende ist nicht gerade spektakulär überraschend.
Trotzdem absolut sehenswert, nichts für jedermann.
Danke Clint, Matt, und natürlich Cécile.

PS: Stand da was von Steven Spielberg im Abspann?

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10
10/10

Ich persönlich kann mir den Film immer wieder ansehen, für eine solche, langsame Story eher ungewöhnlich. Aber dass die Bilder bei Clint Eastwood immer begeistern ist ja bekannt. Ansonsten schließe ich mich der Meinung von Denis an und ja Steven Spielberg hat mitproduziert.

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