The revolution starts here. Als 1975 in Venice Beach, Los Angeles, die 12 Mitglieder des Zephyr Competition Skate Teams zum ersten Mal mit ihren Boards durch trockengelegte Swimming Pools kurvten, legten sie damit den Grundstein für einen Trendsport, der auch fast dreißig Jahre später die Jugendkultur dominiert. Damals hatte niemand von ihnen darüber nachgedacht, was für Folgen ihr Tun haben könnte, und so ist die Dokumentation von Original-"Z-Boy" Stacy Peralta nicht nur ein Lehrstück über die Frühgeschichte des modernen Skatens, sondern auch ein allgemeingültiges Portrait über die Entstehung einer Jugendkultur, die sich wie so viele sinnverwandte Bewegungen vor allem eins auf die Flaggen schrieb: Die Regeln machen wir.
Der von Schauspiel-Rebell Sean Penn erzählte und von Peralta
beeindruckend dynamisch inszenierte Film widmet sich zu Beginn jedoch
erst einmal ausgiebig einer anderen Sportart, nämlich Surfen.
Denn die zwölfköpfige "Z-Boys"-Gang (elf Jungs
und ein Mädel) war ursprünglich eine Surfer-Clique, die
sich in den frühen Siebzigern in Dogtown, einem besonders heruntergekommenen
Teil der Strand-Community von Venice Beach, zusammenfand. Ausgehend
von dem von den Surfboard-Designern Skip Engblom, Jeff Ho und Craig
Stecyk gegründeten und betriebenen "Jeff Ho & Zephyr
Production Surf Shop" machten sich die jungen Teenies morgens
in die Wellen auf, und halfen nachmittags gemeinsam in ihrem Mutter-Laden
mit. Und weil man eben aufgrund der Wellenlage immer nur vormittags
surfen konnte, revitalisierten die Teenager zur Tagesgestaltung
den seit den frühen Sechzigern eigentlich schon wieder ausgestorbenen
Sport des Skateboardens. Den Stil großer Surf-Idole auf die
Straße übertragend, kreierten die Z-Boys so eine damals
völlig neue Art des Skatens, aus der schließlich alles
hervorgehen sollte, was man heute auf den Straßen sieht.
Man
kann es sich kaum noch vorstellen, aber fast bis zum Anfang der
80er waren Skateboards gänzlich flache, dünne Bretter,
die erst seit wenigen Jahren auf vernünftigen, widerstandsfähigen
Plastikrollen glitten. Auf solchen Geräten wurden die Art Tricks
erfunden, welche die Weiterentwicklung der Boards erst hervorbrachten.
Und all das mehr so nebenbei und ohne jeglichen Hintergedanken.
Wenn sich die ehemaligen Mitglieder der Z-Boys an das erste Mal
erinnern, als sie während der großen Dürre, die
Kalifornien Mitte der 70er heimsuchte, in einem leeren Pool skateten
und so im Prinzip die Grundlage für die Half-Pipe legten, bekommt
man ein Gefühl dafür, wie entscheidende geschichtliche
Veränderungen ganz klein und unbedeutend anfangen.
Genau das ist es, worum es in "Dogtown & Z-Boys" vor
allem geht: Um die unschuldigen, freien Anfänge von etwas,
dass später größer und spektakulärer wurde,
als es sich jeder der Pioniere je erträumt hätte. Geträumt
haben sie eigentlich sowieso nicht: Der Film, bestehend aus Interviews
von heute und Originalaufnahmen von damals, zeigt den Sport in seiner
ursprünglichen Form, in der unverfälschten Reinheit des
Einfach-Drauflos-Rollens. Ohne teure Klamotten, ohne spezielle Marken-Boards,
ohne Perspektive. Skaten um des Skatens willen. Als all die Möglichkeiten
des Sports noch unbekannt waren und darauf warteten, von den Z-Boys
entdeckt zu werden. Mit dem abenteuerlichen Abfahren von Swimming
Pools "erfand" die Gruppe das Vertical Skating - und blieb
für lange Zeit mit immer mindestens einer Rolle auf fester
Oberfläche. Es ist schwer zu glauben, dass der erste Aerial-Trick
aus reinem Zufall entstand, als Skate-Legende Tony Alva eines Tages
einfach
über den Rand des Pools hinaus schoss, und das Erscheinungsbild
des Skatens auf ewig veränderte. Den Z-Boys bei ihren Pool-Eskapaden
zusehen ist irgendwie, wie bei einer Steinzeit-Doku auf die Erfindung
des Rades zu warten. Retrospektiv erscheint es so simpel, so nahe
liegend: einfach mit dem Board abheben. Und trotzdem musste erst
irgendwer überhaupt auf die Idee kommen. Und wenn die gesamte
Gruppe und der gesamte Sport aus dem Wellenreiten hervorging, bei
dem man naturgemäß immer Kontakt mit der Wasseroberfläche
hält, wird auch klar, wieso das so lange gedauert hat.
Für jeden ernsthaften Skater ist "Dogtown & Z-Boys" ohnehin Pflichtprogramm, aber auch für Nicht-Roller ist der Film mehr als zu empfehlen. Denn abseits von all den sport-spezifischen Details ist dies auch und vor allem das Portrait einer aufkeimenden Jugend-Kultur, die sich spontan und unbewusst gegen ein zugeplantes Dasein stellt. Als uninspirierte Städteplaner in Kalifornien die Grünflächen mit funktionsgesteuerten Betonwüsten versiegelten, reagierten Kinder und Jugendliche auf die Abtötung ihres kreativen Lebensraums mit einer Revolution ganz eigener Art: Sie machten die graue Einöde ihrer Schulhöfe zu ihrem neuen Spielplatz. Skip Engblom bezeichnet seine jungen
25 Jahre danach: Tony Alva, Jeff Ho, Skip Engblom und Stay Peralta. |
Schützlinge an einer Stelle des Films
als "Urban Guerillas", und trifft den Nagel damit auf
den Kopf: In einer Stadt, die ihnen systematisch alle Räume
zur freien Entfaltung nehmen wollte, führten die Jugendlichen
einen erbitterten Kleinkrieg für ihre Freiheit zu tun, was
sie wollten. Wenn die tote Betonwüste in eine neue kreative
Spielwiese verwandelt wird, erhält Skaten eine poetische Dimension
von wirklich revolutionärer Natur.
"Nobody had ever done anything like this". Dies ist einer
der häufigsten Sätze in "Dogtown & Z-Boys",
und hat eindeutig seine Richtigkeit, wenn dieser Pionier-Charakter
auch ein wenig überbetont wird, was den einzigen Schwachpunkt
des Films darstellt. Die Z-Boys erfanden nicht nur im Alleingang
die komplette Grundlage, die diesen Sport seitdem auszeichnet,
sie waren auch die ersten Opfer des Ausverkaufs, der bisher noch
jede Jugend-Kultur in den idealistischen Ruin getrieben hat. Gerade
die Geschichte von Jay Adams, von den anderen Z-Boys allgemein als
das größte Talent unter ihnen allen anerkannt und somit
vielleicht der potentiell
großartigste Skater ever, ist in dieser Hinsicht besonders
schmerzlich: Sich der kommerziellen Verwertung seines Talents verweigernd,
rutschte er ab in die negativen Begleiterscheinungen eines neuen
Trends. Zur Produktionszeit des Films war Jay Adams gerade nach
diversen Drogendelikten aus dem Gefängnis entlassen worden.
Wie wichtig seine Leistungen und die der anderen Z-Boys für
den gesamten Sport waren, wird schon allein durch die Tatsache klar,
dass Tony Hawk und Steve Caballero - die größten Skateboard-Legenden
der 80er - kurz zu Wort kommen und von ihren eigenen Idolen schwärmen
dürfen, eben den Z-Boys. Deren Pionierarbeit ist heute fast
wieder vergessen - das ganz große Geld und den Ruhm sackten
Leute wie Hawk und Caballero ein, Skaten dreht sich inzwischen nur
noch um Höher, Schneller, Extremer. Das Stil-Bewußtsein
des alten Zephyr-Teams ist verloren.
"Dogtown & Z-Boys" ist ein mehr als berechtigtes Vermächtnis
an die Väter eines Sports, der die Jugend des ausgehenden zwanzigsten
Jahrhunderts geprägt hat wie kein anderer, und eine Erinnerung
daran, dass die größten Helden einer solchen Bewegung
meistens nicht die sind, die heute die dicken Werbeverträge
unterschreiben.
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