Er ist eine gern genommene Kinofigur: Der Außenseiter, eine Person die abseits einer Gruppe steht oder ihr nicht angehört, weil er nicht dem Geschmack der Masse entspricht. Wörter wie "Nerd", "Freak" oder "Geek" haben sich mittlerweile als gebräuchliche Begriffe für genau diese Menschen eingebürgert. Filmisch wurde das Thema in Filmen wie "American Splendor" oder "Ghost World" äußerst beachtlich verarbeitet. Besonders beliebt im Kino ist die Rolle des Außenseiters in der Schule. Zahlreiche Tennie/Highschool-Filme zeugen davon. Jarred Hess' Low-Budget-Film "Napoleon Dynamite" will sich nun in diese Riege einreihen.
Napoleon Dynamite (Jon Heder) sieht aus wie der junge Atze Schröder. Wuschiger Lockenkopf , eine überdimensionale Brille und ein immer leicht debil geöffneter Mund. Er ist, das wird von der ersten Einstellung an klar, ein Außenseiter. Auf der Highschool gehänselt, zu Hause vernachlässigt, lebt er sein Leben im Schatten der Anderen. Wenn er seinem Alltag entfliehen will, dann kritzelt er Fantasiewesen in sein Notizbuch, z.B. sein Lieblingstier, den Linger ("A mixture of a lion and a tiger"). Natürlich leidet er auch darunter, dass er kein Mädchen abbekommen kann. Als ein neuer mexikanischer Schüler, Pedro (Efren Ramirez), sein einziger Freund wird und noch dazu beschließt als Schulsprecher zu kandidieren, will Napoleon ihm helfen. Die beiden Außenseiter rücken somit allmählich in den Mittelpunkt des Schulgeschehens und für Napoleon könnte der große Traum, endlich eine Freundin abzukriegen, wahr werden.
"Napoleon
Dynamite" spielte in den USA über 50 Millionen Dollar
ein. Dort ist der Film bei der MTV-Generation schon längst
Kult. Napoleon scheint auf seine ganz eigene, sehr bizarre
Art und
Weise genau diese jungen Menschen zu berühren. Dabei ist
die
Person Napoleon rein äußerlich fast zur comichaften Figur
degradiert. Seine körperlichen Schwächen, die man wirklich
nur mit ganz viel Anstand nicht als Behinderung bezeichnen
kann,
und seine psychischen Ticks sind fast schon maßlos
überzeichnet.
Aber wieso schlägt dieses Phänomen, wie Dynamit beim
Publikum
ein? Vielleicht weil dieser Typ da auf der Leinwand die
Personifizierung
des gesellschaftlichen Individualisten darstellt. So
spiegelt sich
vielleicht in Napoleon die versteckte, weil heute in
wirtschaftlich
harten Zeiten nicht angebrachte, wahre Haltung einer
ganzen Generation
wider: Die Hoffnung, sich selbst treu bleiben und trotzdem
ankommen
zu können.
Der äußerst abstruse Blick von Hess auf seine Charaktere ist oft erfrischend, und einige wenige pointierte Gags sind durchaus gelungen. Das Erstaunliche ist, dass Napoleons Alltag relativ ereignislos gezeigt wird. Es sind dann eher die Nebenfiguren, die sich durch Hess' mit skurrilen Verwicklungen und vielen kleinen bösartigen Stolpersteinen gespicktes Drehbuch lavieren müssen. Was übrig bleibt, sind die zuckerbunten Panoramaeinstellungen des amerikanischen mittleren Westens. Weite, unbebaute Agrarflächen, mit nichts weiter als weitschweifender Leere. Zwischendurch einige verwaiste Häuser. Da, irgendwo in dieser Einöde spielt sich das Leben von Napoleon und seinen Freunden ab. Und wahrscheinlich ist Napoleon der einzige, der schon längst weiß, dass sie da nie herauskommen werden.
Der größte Fehler des Films ist jedoch, dass er bedeutungsschwer die Moralkeule schwingt. Er zeigt explizit, was mit Leuten wie Napoleon passiert. Wo sie bleiben, wenn es gut für sie läuft und auch wo sie bleiben, wenn es schlecht läuft. Was wollen uns die letzten Bilder sagen? Müssen die Freaks immer unter sich bleiben? Ja, wollen sie das sogar? Sicherlich nicht. Menschen wie Napoleon und seine Freunde stehen durch ihre Werte- und Lebenshaltung meistens für eine Alternative und heben sich somit ab von der Haltung der großen Masse. Doch Hess straft diese Menschen mit einem bitterbösen und unverständlichen Zynismus ab. Der Film hätte eine kleine und durchaus gelungene Außenseiter-Komödie werden können, stattdessen wird er durch seine abwegige Haltung leider fast schon unverschämt belanglos.
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