Die Mittelklasse als gesellschaftliche Schicht spielt im britischen Kino eher eine untergeordnete Rolle. Regisseure wie Ken Loach, Mike Leigh oder auch Andrea Arnold begeben sich mit ihren Erzählungen meisten ins Arbeitermilieu. Deshalb ist es interessant zu beobachten, dass nach Leighs "Happy-Go-Lucky" und "Another Year" nun auch "Queen"-Regisseur Stephen Frears sich der Mittelklasse zuwendet.
Seine Komödie "Immer Drama um Tamara" (soll wohl ein lustiger Titel sein, ist im Vergleich zum schlichten Original allerdings eine reine Frechheit) basiert auf einem Comic von Posy Simmonds. Es ist die Geschichte der Journalistin Tamara Drewe (Gemma Arterton), die nach langer Zeit aus London wieder in ihr Heimatdorf auf dem Land zurückkehrt und damit eine ganze Gruppe von Menschen durcheinanderbringt. Da ist zum einen der berühmte Krimiautor Roger Allen (Nicholas Hardiment), der gemeinsam mit seiner Frau Beth (Tamsin Greig) ein Schreib- und Recherchedomizil für angehende Schriftsteller und Romanciers führt. Und dann gibt es auch noch Gärtner Andy Cobb (Luke Evans), der Tamara schon in ihrer Jugend liebte, sie aber hinter der zynischen Großstadtfassade nicht mehr wiedererkennt. Eigentlich lieben alle Tamara. Nicht nur Andy und Roger laufen bald hinter ihr her, sondern auch noch der Indierock-Star Dominic Cooper (Ben Sergeant).
Es entspinnt sich ein wahrer Reigen an Fehltritten und Betrügereien. Da folgt eine Intrige auf die andere. Die Darsteller - allesamt hervorragend - haben sichtlich ihren Spaß dabei, die verschrobenen Charaktere zu spielen. Das Drehbuch ist gespickt mit ironischen Dialogen, die immer wieder gerne die Möchtegern-Intellektuellen ziemlich dumm aussehen lassen. Stephen Frears hat aus der Vorlage eine herrliche Komödie gemacht, die sich besonders durch den Erzählrhythmus auszeichnet. Mit großem Gespür für den Witz seiner Geschichte (auch den visuellen) ist Frears nicht an den großen vorhersehbaren Wendungen interessiert. Er versteht es, seine Geschichte nuanciert voranzutreiben, ohne dabei seine Figuren der Lächerlichkeit preis zu geben. Das ist in diesem Fall besonders wichtig, da der Film in viele kleine Mikro-Erzählungen zerfällt und daher ständig in Gefahr steht die Gesamtheit aus den Augen zu verlieren. Aber Stephen Frears ist nun mal ein ganz toller Filmemacher, der sein Handwerk über alle Maßen beherrscht.
So wird eine kleine Nebenhandlung zu Beginn des Films im weiteren Verlauf zum eigentlichen Rhythmusgeber der ganzen Geschichte: Zunächst sind die beiden vollkommen gelangweilten Mädchen Jody und Casey nur komisches Beiwerk. Sie lungern den ganzen Tag an der Bushaltestelle herum, lesen Teenager-Magazine und träumen von den großen Stars, die natürlich um ihr Kaff einen ganz großen Bogen machen. Doch aus ihren harmlosen Scherzen und Streichen, die sie Tamara, Roger und dem ganzen Rest spielen, entwickeln sich Verwicklungen und Konflikte, die am Ende die Karten neu mischen.
Am Ende ist "Immer Drama um Tamara" ein Film, der Erwachsene zeigt, die sich vollkommen von ihren Trieben leiten lassen und jegliche Vernunft verloren haben. Nur in einer solchen Welt können Kinder das Ruder an sich reißen und damit die geltende Ordnung vollkommen auf den Kopf stellen. Frears inszeniert das vergnüglich und mit leichter Hand, so dass der häufig bitter-böse britische Humor voll zur Geltung kommen kann. Ein wunderbarer Spaß, um das Kinojahr ausklingen zu lassen.
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