Ewige Jugend

Originaltitel
Youth
Jahr
2015
Laufzeit
118 min
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Frank-Michael Helmke / 31. Oktober 2015

Paolo Sorrentino ist gerade mal 45 Jahre alt, doch wenn man sich seinen letzten und seinen neuesten Film anguckt, könnte man ihn für deutlich älter halten. Bereits in seinem vorherigen Film "La Grande Belezza" war die Hauptfigur ein alternder Künstler, der altersweise aufs Leben zurückblickt, und oberflächlich betrachtet besteht der Unterschied zu seinem neuen Werk "Ewige Jugend" vor allem darin, Ewige Jugenddass es nun zwei Künstler sind, die zusammen aufs Leben zurückblicken, und dass es dabei etwas ruhiger und melancholischer zugeht, was vor allem am Setting liegt: in einem edlen Schweizer Berghotel in der Nebensaison nehmen die Gedanken andere Wege als im Zentrum der pulsierenden italienischen Dekadenz unter den Reichen und Schönen Roms.

Und noch ein Unterschied ist mehr als deutlich: Der übergroße internationale Erfolg von "La Grande Belezza", der um den ganzen Globus mit Preisen überschüttet wurde, gekrönt vom Oscar für den besten fremdsprachigen Film, brachte Sorrentino für seinen neuen Film das Interesse einer ganz anderen Schauspielerkategorie ein. Und so haben wir es hier nun mit einer mehr als namhaften Besetzung zu tun, inklusive drei Oscar-Preisträgern. Das macht sich gut auf dem Poster und bei der Vermarktung. Doch sollte man sich vom Trailer nicht irreführen lassen: Was dort angepriesen wird als eine durchaus flotte, selbstironisch-trockene Komödie übers Alt werden und Alt sein ist in Wahrheit die meiste Zeit ein eher elegisches, eher handlungsarmes Drama, bei dem sich Sorrentino wie zuvor in den großen italienischen Fußstapfen des Federico Fellini bewegt - soll heißen: Es mäandert fröhlich vor sich hin.

In besagtem Schweizer Hotel halten sich der Meisterkomponist Fred Ballinger (Michael Caine) und der Filmregisseur Mick Boyle (Harvey Keitel) auf. Während Ballinger sich schon lange im Ruhestand befindet und bereits langsam in Vergessenheit gerät, ist Boyle davon besessen, noch ein ultimatives großes Werk zu vollenden und brainstormt tagtäglich mit einer Gruppe Drehbuchautoren nach der perfekten letzten Szene. Ewige JugendDamit stehen die beiden befreundeten Künstler für zwei unterschiedliche Herangehensweisen ans Altern: Fast schon apathische Resignation, die sich gefährlich nah an Melancholie und Depression bewegt; und wilder Aktionismus, der sich so entschieden wie vergeblich gegen die eigene Vergänglichkeit stemmt und diese nach Kräften zu ignorieren versucht. Der Umgang mit und die Akzeptanz des Alters ist dann auch ungefähr das Oberthema dieses Films, dessen Titel natürlich blanke Ironie ist, denn von (ewiger) Jugend sind diese beiden Herrn weit entfernt, sie hängen ihr höchstens nostalgisch nach in ihren Gedanken und Erinnerungen an frühere schöne Zeiten und schöne Frauen, mit denen sie gern (oder leider nicht) geschlafen haben. Und gelegentlich wird diese Jugend ihnen dann auch noch fast schon sadistisch vor Augen geführt, zum Beispiel als die amtierende Miss Universe im Hotel vorbei kommt und splitternackt zu den beiden alten Herrn ins Abkühlbecken steigt.

Von einer Handlung möchte man bei diesem Film eigentlich nicht sprechen, es gibt höchstens ein paar lose Episoden, die minimale Handlungsbögen aufweisen. Am meisten tut sich noch in der Beziehung von Ballinger mit seiner Tochter und Assistentin Lena (Rachel Weisz), die hier mit dem Ende ihrer Ehe klarkommen muss und sich ziemlich an ihrem Vater reibt, von dem sie sich zeitlebens nicht richtig geliebt gefühlt hat. Im Gegensatz dazu stehen die Szenen mit Paul Dano als ein Ewige Jugendweltberühmter junger Schauspieler, der sich im Hotel auf seine nächste Rolle vorbereitet - ein "Subplot", bei dem man sich fragt, was genau er einem überhaupt sagen soll. Aber um eine klare Geschichte geht es hier auch nicht, viel mehr eben um die Reflexion großer und gewichtiger Themen, die das Altern so mit sich bringt, vornehmlich die Vergänglichkeit von so ziemlich allem, angefangen bei der eigenen Existenz bis hin zu Liebe, Verstand und Schönheit. 

Man kann und darf das abgehoben und affektiert finden, wenn man nicht ohnehin schlechte Laune bekommt von dem Grundgefühl, das Alt werden einfach nur deprimierend ist. Und tatsächlich lässt sich ein Gefühl von Selbstverliebtheit bei diesem Film nicht so recht abschütteln, was vor allem daran liegt, dass man sich schwer damit tut, sonderlich viel Mitgefühl für die beiden Protagonisten zu haben. Ja, sie sind alt und haben die Zeiten ihres größten Glücks und Kreativität lange hinter sich, aber sie sind nun mal ganz offensichtlich auch verdammt reich und können es sich leisten, ihrer Altersschwermut vor traumhafter Kulisse und betüdelt von bester Schweizer Hotelleriekunst zu frönen. Man kann (und soll vermutlich) das natürlich auch so lesen, dass selbst diese Begüteten und mit kreativem Genie gesegneten Herrn nicht davor gefeit sind, was die Melancholie des Alters so mit sich bringt (wenn ihre sensiblen Künstlerantennen es für sie nicht sogar noch schlimmer machen). Man ist angesichts ihres sehr angehmen Lebens aber eben auch geneigt ständig zu denken: Stellt euch mal nicht so an. 

Ewige Jugend"Ewige Jugend" ist in dieser Hinsicht immer wieder und auf verschiedene Weisen ein zweischneidiges Schwert. Man kommt nicht umhin, die cineastische Brillanz des Films unumwunden einzugestehen. Die Bildgestaltung ist absolut großartig, viele Einstellungen sind von nahezu atemberaubender Schönheit und Kunstfertigkeit. Aus seinem Setting holt Sorrentino jedenfalls das Maximale heraus. Auch die Darsteller agieren auf der Höhe ihres Könnens, die großen Namen sind hier nicht nur Schmuck fürs Poster, sie liefern tatsächlich genau die Arbeit ab, die man sich von ihnen verspricht. Und doch ist man immer wieder hin- und hergerissen. Mal erscheint einem "Ewige Jugend" wie große Kunst, dann wieder doch zu sehr Möchtegern artsy. Die tiefgründigen und weitschweifenden Dia- und Monologe sind häufig klug und weise, wirken letztlich aber fast immer unnatürlich und damit letztlich prätentiös. So agieren auch die Darsteller in Figuren, die immer eine gewisse Konstruiertheit ausstrahlen, bei aller Komplexität der Darstellung. Nur in einer einzigen Szene mit Caine und Weisz, die ziemlich genau den Mittelpunkt des Films markiert, wird es richtig berührend. Den Rest der Laufzeit verbringt man als Zuschauer eher in unaufdringlicher, angenehmer Distanz, emotional nicht zu sehr involviert, doch mit einer stetig stimulierten ästhetischen Ader, so wie man sich beim Wandeln durch ein Kunstmuseum delektiert. 

Ob man an diesem Film nun seine Freude haben oder ihn nur gelangweilt und gleichgültig achselzuckend wieder verlassen wird, hängt sehr von den persönlichen Vorlieben und wohl sicher auch vom Alter ab. Ist man selbst schon jenseits der 60, wird man sich hier wahrscheinlich sehr gut wiederfinden können, und selbst jüngere Semester können durchaus in der Lage sein, hier ein kleines Meisterwerk zu erkennen, wenn man denn ein großer Freund italienischen Autorenkinos ist, und einem im Kino betörend gute Fotografie mehr gibt als ein stringenter Plot. "Ewige Jugend" ist ein wirklich großartig gemachter Film, aus dem enorme Kunstfertigkeit spricht. Er kann jedoch auch nicht die Eigenheit des Künstlers ablegen, letztlich immer ein bisschen zu sehr um sich selbst zu kreisen. 

Bilder: Copyright

9
9/10

Absolut treffende Rezension, es gibt ein paar Momente, wo es dann doch zu arty ist, aber ansonsten ist dieser Film der reine Zen-Buddhismus. Selten so eine tiefe Entspanntheit gespürt beim Anschauen eines Filmes, einfach weil es ein filmisches Kleinod ist, das neben der überragenden Visualität eine besondere Klugheit an den Tag legt, die nicht von einem Plot abhängt, sondern von einer inneren Filmkunst, die man nicht oft trifft.

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