Der Kinderbuchklassiker von J.M. Barrie reizt immer wieder neue Filmemacher dazu ihre ganz eigene Version von „Peter Pan“ umzusetzen. An die eigentliche Hauptgeschichte traut sich dabei aber kaum jemand ran, seit die Disney Company in den 50er Jahren mit ihrem Zeichentrickfilm für Jahrzehnte den Look und unsere Vorstellung von Nimmerland prägte. Und so steht die mittelmäßig erfolgreiche Realverfilmung von 2003 wie ein Solitär da, während das Universum der Figuren stattdessen lieber in Form von Quasi-Fortsetzungen (Steven Spielbergs „Hook“) oder Hintergrundgeschichten über den Autor Barrie („Wenn Träume fliegen lernen“) weitergesponnen wird. Was so gesehen noch fehlte war die Vorgeschichte, und um die hat sich nun Joe Wright gekümmert. Ein Regisseur, der gerne munter das Genre wechselt, wobei all seine Filme von „Abbitte“ über „Wer ist Hannah?“ und vor allem „Anna Karenina“ einen äußerst opulenten eigenen visuellen Stil gemein haben. Sehr bildgewaltig kommt nun auch sein „Pan“ daher und trumpft durchaus mit der einen oder anderen Szene auf, die auch den Vielseher noch zum Staunen bringt. Abgesehen von den schönen Bildern passt allerdings bei diesem Film leider nicht allzu viel zusammen.
Seine Mutter hat ihn als kleines Baby weggegeben und seitdem fristet der mittlerweile 12jährige Peter (Levi Miller) ein karges und freudloses Dasein in einem unter strengem Regiment geführten Londoner Waisenhaus. Eine Einrichtung, aus der aber immer wieder Kinder spurlos verschwinden, und eines Nachts erfährt Peter am eigenen Leibe warum. Die Besatzung eines gewaltigen fliegenden Piratenschiffs entführt die Kinder, damit sie fortan ein genauso freudloses Dasein in den Minen von Nimmerland führen, über die der Mächtige Piratenkapitän Blackbeard (Hugh Jackman) regiert. Doch im Grunde ist Nimmerland eine ganz wundervolle Welt, deren Bewohner auf die Befreiung vom Joch des Tyrannen hoffen. Ihr Retter könnte tatsächlich Peter sein, denn der entdeckt an sich plötzlich eine Fähigkeit, die ihn zu etwas ganz Besonderem macht: Dieser Junge kann fliegen und weckt dadurch einen Funken der Hoffnung in seinen neuen Gefährten Tiger Lily (Mara Rooney) und James Hook (Garrett Hedlund).
Eine knappe Viertelstunde dauert es und dann geht so richtig die Post ab in Form des Angriffs der Piraten, die mit ihrem fliegenden Schiff im Anschluss von britischen Militärmaschinen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs durch den Londoner Nachthimmel gejagt werden. Ja, das ist computeranimiert, sieht aber trotzdem toll aus und verleiht dem Betrachter das schöne Gefühl sich endlich mal wieder aus gutem Grund die 3D-Brille aufgesetzt zu haben. Und nach der Ankunft in Nimmerland geht das Staunen auch erst mal weiter, denn dann steht der erste Auftritt von einem mit Mut zur Hässlichkeit unter Tonnen von Make-Up kaum zu erkennenden Hugh Jackman als „Blackbeard“ an. Der schmettert dabei gemeinsam mit seinen willfährigen Untertanen doch tatsächlich – man glaubt seinen Ohren nicht zu trauen – den Refrain von Nirvanas „Smells like Teen Spirit“. Grunge-Rock in Nimmerland, das ist auf jeden Fall mal ein neuer Ansatz. Doch so witzig die Idee ist, steht sie hier als einsamer Gag dieser Art alleine da, ähnliche Momente wird es in der Folge nicht mehr geben und deshalb darf man sich schon fragen, was das dann sollte.
Überhaupt erreicht der gesamte Film im Verlauf nicht mehr die Wucht dieser so viel versprechenden ersten halben Stunde. Die Handlung wird stattdessen zunehmend verworrener. Zwar dient die Rolle des vermeintlich die Erfüllung einer alten Prophezeiung repräsentierenden Peter als grober Aufhänger für die weitere Geschichte, doch diese besteht dann nur noch aus einen Anhäufung mehr oder weniger gelungener Einzelszenen.
Es gilt die bekannten Elemente wie die „Lost Boys“ und die kämpferische Tiger Lily unterzubringen sowie den bösen Blackbeard zu besiegen. Der wird in der Romanvorlage nur in einem Satz erwähnt und dient hier praktisch als Ersatz für den bekannten Gegenspieler Käpt'n Hook. Der kommt in seiner Hakenlosen-Jugendversion zwar ein wenig rau und egoistisch daher, doch wie er später mal zu dem bekannten Schurken wird kann man sich nach diesem Auftritt kaum vorstellen, und dass es sich um ein und dieselbe Figur handeln soll erfordert trotz einer kleinen Andeutung am Ende mehr Phantasie als selbst Nimmerland bieten kann. Der Feenstaub und das dazugehörige Volk tauchen zwar auf, doch für die eigentlich unverzichtbare Tinkerbell ließ sich dann wohl tatsächlich keine irgendwie sinnvolle Verwendung mehr finden. Ach ja, Endy gibt’s auch nicht und Peter Pan ist hier kein abenteuerlustiger, übermütiger Junge, sondern ein von der Last seiner Verantwortung geradezu erdrückter Zauderer.
Leider wirkt auch das Augenfutter dann irgendwann nicht mehr so gut wie zu Beginn. Der finale Kampf in den Wolken ist erstens so verwirrend inszeniert, dass manchmal kaum nachvollziehbar bleibt wo da gerade was und warum geschieht, und zudem derart lang geraten, dass irgendwann auch die (nun noch viel deutlicher vor einer grünen Studio-Leinwand gedrehte) Action schließlich zu Ermüdungserscheinungen führt. So bleiben am Ende eine Ansammlung netter Einzelideen und ein zeitweilig beeindruckender optischer Augenschmaus, während Geschichte und Figuren jedoch weder fesseln noch begeistern können. Dann vielleicht doch lieber nochmal den schönen alten Disney-Film anschauen?
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