Frühlingserwachen in New Jersey (dem "Garden State" des Titels): Als der Selbstmord seiner Mutter ihn nach neun Jahren wieder nach Hause bringt, beschließt Schauspieler Andrew Largeman (Zach Braff) die Psychopharmaka, die ihn seit seiner Kindheit lethargisch ruhig stellten, im Schrank zu lassen und sich endlich dem Leben zu stellen. Dazu gehören neben der Zukunft vor allem seine Vergangenheit und sein Vater (Ian Holm), mit dem er seit Jahren nicht gesprochen hat. Bei der ungedämpften Konfrontation mit der Realität helfen ihm ausgerechnet die leicht durchgeknallte zwanghafte Lügnerin Sam (Natalie Portman), die er im Wartezimmer eines Arztes trifft, und seine nicht weniger durchgeknallten High School-Kumpel, die ebenfalls versuchen, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Oder zumindest so tun....
"New Jersey - only the strong survive" heißt es passenderweise auf einem T-Shirt einer beliebten amerikanischen Bekleidungskette. Hamster gehören offenbar nicht dazu, dafür aber klingonisch sprechende Typen in Ritterrüstung, wie sie einem im fulminanten Regiedebüt des TV-Schauspielers Zach Braff (bekannt vor allem aus der Mediziner-Comedy "Scrubs") schon am Frühstückstisch begegnen können. "Garden State" ist das reinste Sammelsurium an Kuriositäten, die Andrew daran erinnern sollen, dass doch alles relativ ist. Und wer kennt schon den Sinn des Lebens, vor allem des eigenen? Nicht zufällig sind die erste Einstellung und Andrews Weg durch den Flughafen direkte Zitate aus Mike Nichols' "Die Reifeprüfung". Wie dort Dustin Hoffman alias Ben muss auch Andrew sich nach Jahren der Abhängigkeit von gesellschaftlichen Zwängen fragen, was er mit seinem Leben anfangen soll.
"Garden State" handelt vom Nachhausekommen, und eigentlich ist die Geschichte weder neu noch originell: Ein bisschen Erwachsenwerden, ein bisschen erste Liebe, ein bisschen Familiendrama und ein bisschen Slacker-Kultur - "Die Reifeprüfung", "Reality Bites", "Say Anything" und "Dazed and Confused" haben alle ihren Einfluss auf's Drehbuch genommen. Es findet sich sogar Musik von Simon & Garfunkel auf dem süchtig machenden Soundtrack - wenn das kein Zufall ist... Und obwohl sich der Film besonders am Anfang einiger Rom-Com- und College-Film-Klischees bedient, tut er dies stets wissend und mit einem Augenzwinkern, zum Beispiel als auf dem Höhepunkt der Pseudo-Frat-Party Flaschendrehen gespielt werden soll.
Das
größte Lob gebührt zunächst Zach Braff. "Wenn
ich das Drehbuch nicht geschrieben hätte, hätte man mir
so eine Rolle niemals angeboten", behauptet Braff. Also übernahm
er kurzerhand auch die Regie (wenn schon, denn schon) und überzeugte
obendrein noch Natalie Portman ("Hautnah")
und Ian Holm ("The Day after Tomorrow")
mitzumachen. Das allein ist schon eine ziemliche Leistung. Allerdings
haben vielleicht auch die beiden gemerkt, wie viel echte Leidenschaft
in Braffs Projekt geflossen ist.
Dazu muss gesagt werden, dass die Wirkung von "Garden State"
zu großen Teilen Natalie Portman zu verdanken ist. Dabei tut
sie nicht viel mehr, als auf der Leinwand zu erscheinen und ihr
hinreißendes Kleinmädchen-Lächeln zu lächeln.
Reicht aber schon, um in Andrews Leben und im Kino die Sonne aufgehen
zu lassen, um das Ganze mal etwas blumig auszudrücken. Wer
das zu übertrieben findet, sollte am besten gleich hingehen
und sich selbst überzeugen.
Im Auge behalten sollte man ebenfalls Peter Saarsgard, der vor kurzem
schon neben Liam Neeson in "Kinsey" bleibenden Eindruck
hinterließ. Der nämlich spielt den Slacker mit Herz und
soviel Überzeugung, dass man am Ende fast an seine Altersversicherung
glaubt. Trotz, oder vielleicht gerade wegen des konstanten Schlafzimmerblicks.
Darüber
hinaus verfügt Braffs Film über eine unglaubliche Liebe
zum Detail, die ganz gezielt die heutigen Mitzwanziger anspricht,
ähnlich wie zum Beispiel die Texte von Benjamin von Stuckrad-Barre.
Man sitzt also da und wundert sich, wieso einem alles so bekannt
vorkommt (ich hatte auch eine Kuscheldecke!), fragt sich "Woher
weiß der das über mein Leben?" oder erinnert sich
schaudernd an das letzte schreckliche Kleidungsstück, das einem
von einer wohlmeinenden Verwandten geschenkt wurde.
Am Ende kann man sich also über Braffs Eintopf aus kollektiven
Jugenderinnerungen freuen, erleichtert in dem Bewusstsein, das man
doch nicht so allein war (ist!?) mit seinen heimlichen Ängsten
und Leidenschaften. Das Ergebnis ist einer der mitreißendsten
Filme über das Erwachsenwerden und das Leben im Allgemeinen
seit langem. Ein Film, der lustig und traurig zugleich ist und irgendwie
mitten ins Herz trifft, so kitschig das jetzt klingen mag. Am Ende
ist man voll von kleinen Weisheiten über das Leben, zum Beispiel
dass ein richtiges Zuhause ein imaginärer Platz ist, nachdem
sich alle Familienmitglieder gleichermaßen sehnen. Manchmal
dauert es halt, bis man so ein Zuhause gefunden hat. Bei Andrew
Largeman dauert es vier Tage. Und dem zuzuschauen macht einfach
nur Spaß.
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