Foxcatcher

Originaltitel
Foxcatcher
Land
Jahr
2014
Laufzeit
134 min
Genre
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Frank-Michael Helmke / 8. Dezember 2014

Es ist nicht leicht, knapp auf den Punkt zu bringen, worum es in "Foxcatcher" geht. Nichtsdestotrotz wird dieser Film in aller Munde sein, wenn zum Jahreswechsel die amerikanische "Award Season" losgeht, und niemand sollte sich wundern, wenn an deren Ende in der Oscar-Nacht eine goldene Statue an Steve Carell geht. Ja, der Steve Carell, dieser linkische, tapsige Comedy-Darsteller, der so nett und durchschnittlich ist, dass man nie glauben würde, dass er einer Fliege etwas zu leide tun kann. Nach diesem Film sieht man diesen Steve Carell mit etwas anderen Augen. Habe ich jetzt einen Teil Ihrer Aufmerksamkeit? Gut.

Foxcatcher"Foxcatcher" basiert auf einer wahren Geschichte über das ziemlich komplexe Beziehungsgeflecht zwischen drei Männern, namentlich John du Pont (Steve Carell), Sprössling einer superreichen Industrie-Dynastie, und den Brüdern Mark (Channing Tatum) und David Schultz (Mark Ruffalo), ihres Zeichens professionelle Ringer. Ja, dieser wenig populäre Kampfsport, den man eigentlich nur während Olympischen Spielen wahrnimmt, in dem Männer in etwas albernen Monturen sich gegenseitig in den Schwitzkasten zu nehmen versuchen. Das Ringen spielt oberflächlich eine sehr dominante Rolle in dieser Geschichte, und die Chance auf einen erneuten Olympiasieg für Mark ist ein zentraler Antrieb. Trotzdem sollte man nicht den Fehler begehen, "Foxcatcher" im herkömmlichen Sinne für einen Sport-Film zu halten, der in den üblichen Konventionen dieses Subgenres operiert. Der Sport ist hier mehr eine Metapher als alles andere, und die Siege (und Niederlagen) entlang der Geschichte sind immer Konsequenz für oder Resultate von der sich verändernden Beziehung der drei Männer. 

"Foxcatcher" spielt Mitte bis Ende der 1980er Jahre, als John du Pont Kontakt zu dem in einfachen Verhältnissen lebenden Mark Schultz aufnimmt und ihm anbietet, zum Kern eines neuen Ringer-Teams zu werden, welches John auf dem altehrwürdigen Landsitz seiner Familie, der titelgebenden "Foxcatcher Farm" aufbauen möchte. Das große Ziel: Mark 1988 in Seoul zu einem erneuten Olympiasieg zu führen. Wie sein älterer Bruder hat Mark bereits 1984 olympisches Gold gewonnen, stand und steht jedoch immer im Schatten seines talentierteren, erfolgreicheren und charismatischeren Bruders - und ergreift freudig die Chance, sich endlich aus diesem Schatten zu befreien. Doch was genau treibt eigentlich John du Pont an? Und wie wird Mark es aufnehmen, als John schließlich alles daran setzt, auch seinen Bruder als Trainer für das "Foxcatcher"-Team zu gewinnern?

FoxcatcherDas klingt nicht wie eine packende Inhaltsangabe, oder? Doch die Spannung liegt hier in den Feinheiten, und ist entsprechend nicht so leicht auf den Punkt zu bringen. "Foxcatcher" lebt von der wechselnden Spannung zwischen seinen drei Protagonisten. Von Fragen über Loyalität und Ambition. Wie aus einer Zweckgemeinschaft eine Verbundenheit entsteht, in der doch jeder den anderen nur für seine ganz persönlichen Motive benutzt. Und welche Konsequenzen es haben kann, wenn sich Dankbarkeit in Verletzung und Ablehnung wandelt, wenn man realisiert, dass man für den anderen eben nur ein Mittel zum Zweck ist. Es ist verständlich, wie leicht sich Mark Schultz anfangs von Du Pont einfangen lässt, denn dieser bietet ihm wahrlich unvergleichliche Möglichkeiten. Aus was für unterschiedlichen Welten die beiden kommen, zeigt schon sehr pointiert Marks ungläubiges Staunen, als Du Pont seiner vermeintlich dreisten Forderung nach einem jährlichen Salär von 25.000 Dollar zusagt (so bescheiden ist das Leben als professioneller Ringer mit Olympiasieg) nachdem er zu diesen Verhandlungen per Hubschrauber abgeholt worden ist. Und es ist auf sehr leise, subtile Art ziemlich erschreckend, wie Du Pont Mark im Anschluss lenkt, instrumentalisiert und inszeniert, um zu erreichen, was er sich aus diesem Arrangement verspricht. 

Was das ist, das macht aus "Foxcatcher" solch einen fabulösen, einzigartigen, aber auch schwer zu fassenden Film. Ein Film, der in seinem Zentrum so hintergründig wie nachhaltig mit einem amerikanischen Mythos aufräumt, nämlich dem Glauben, dass Macht und Reichtum einhergeht mit einer besonderen Berufung, dass wer sich viel leisten kann auch dazu bestimmt ist, etwas Großartiges zu vollbringen. Es ist die Tragödie von John Du Pont, dass er der Erbe einer der reichsten Familien des Landes ist, aber ein durch und durch unbemerkenswerter Mann. Ein Mann, der seinen Lebtag nie ernsthaft arbeiten musste, der sich seine Zeit mit exzentrischen und kostspieligen Hobbys vertreibt (Vogelkunde, Briefmarkensammeln), und nun sein Geld und seinen Einfluss nutzen möchte, um etwas Bleibendes zu formen. Dass er sich dafür ausgerechnet den reichlich unglamourösen Ringer-Sport aussucht, ist ein Rätsel für sich. Man kann einige Details in "Foxcatcher" als Anspielung deuten, dass John Du Pont ein heimlicher Homosexueller war, und dieser Sport für ihn eine erotische Note hatte. Man muss es dem Film indes sehr zu Gute halten, dass er dies nie deutlich anspricht oder konkret thematisiert. Denn darum geht es hier letztlich auch nicht. FoxcatcherEs geht viel mehr um den irrigen Wunsch eines Mannes, sein eigenes Denkmal zu errichten als Mentor und Trainer, als eine Übergestalt des Ringer-Sports, mit dessen Händen ein großer Champion geformt wurde. Dass John Du Pont dabei ein erbärmlicher Amateur in diesem Sport ist, der überhaupt gar nichts hat, was er seinem Schützling beibringen kann, entlarvt "Foxcatcher" in brillant doppelbödigen Szenen, die an Anekdoten über den römischen Kaiser Nero erinnern: Der wähnte sich in seinen Hobbys als Dichter und Wagenlenker stets als größter Held der Welt, weil sein gesamtes Umfeld sehr darauf erpicht war, dem mächtigen Mann, in dessen Gunst sie alle standen, immer genau dieses Gefühl zu geben und dafür zu sorgen, dass er in jedem Wettkampf auch garantiert gewann. 

Es ist ein so faszinierendes wie beänstigendes Psychogramm, welches "Foxcatcher" über seine zentrale Gestalt zeichnet. Faszinierend vor allem dank der unglaublichen Effizienz, mit der schon das brillant dialogarme Drehbuch die Details dieses Charakters ausmalt, zum Beispiel über das sehr komplizierte Verhältnis Du Ponts zu seiner Mutter - eine grandiose Minirolle für die altehrwürdige Vanessa Redgrave, die nur in zwei Szenen überhaupt relevanten Dialog hat, deren Präsenz und Dominanz in Du Ponts Leben aber permanent zu spüren ist. Beängstigend vor allem dank der großartigen Darstellung von Steve Carell. Gut, die Maske tut hier auch ihren Teil, aber es ist auch ein Testament der grandiosen schauspielerischen Arbeit, die Carell leistet, dass man den linkischen Komiker hier fast nicht wiedererkennt. Von seiner ersten Szene an, als man zum ersten Mal in diese kalten, leblosen Augen sehen kann und eine nervöse Unruhe verspürt angesichts der merkwürdigen Gleichförmigkeit in seiner Stimme, lässt einen dieser John Du Pont ebenso wenig los wie die diffuse Gewissheit, dass diesem Mann eine Störung innewohnt, die früher oder später zu sehr unschönen Auswüchsen führen wird. Wieviel davon Carell allein durch sein physisches Spiel zu transportieren versteht, ist ein kleines Wunder. Selten hat die gern benutzte Formulierung der "career-changing performance" so gut gepasst wie in diesem Falle. Man wird Carell nach diesem Film nicht mehr mit denselben Augen sehen wie zuvor.

FoxcatcherKaum weniger Lob gebührt dabei Carells beiden zentralen Spielpartnern, denn auch Channing Tatum und Mark Ruffalo dürfen sich mit Fug und Recht Hoffnung auf eine Oscar-Nominierung machen. Beide zeigen ein Paradebeispiel dafür, wie sich Charakter auch über Körpersprache und -haltung erzählen lässt. Man achte allein mal darauf, wie es der extrem gut aussehende Posterboy Tatum schafft, sich fast schon allein dadurch in einen verbissenen, tumben und immer etwas unterwürfigen Ringer zu verwandeln, indem er konsequent seinen Unterkiefer nach vorne schiebt. Ähnlich beeindruckend, wie Ruffalo O-beinig und tänzelnd den Kontrapunkt dazu setzt und Dave schon allein durch die Körpersprache als den Teil des Bruderpaars zeigt, dem alle Dinge so viel leichter fallen und der viel sicherer ist in allem, was er tut. 

Man könnte sich stundenlang über feine Details wie diese auslassen, gerade in der Analyse des weiteren Verlaufs des Films, über all jene kleinen Momente und Szenen, die so subtil wie nachhaltig das Verhältnis dieser drei Männer zueinander verschieben und dabei psychologisch so haargenau ins Mark treffen. Doch das würde bedeuten, inhaltlich viel vorweg zu nehmen, und das hieße nicht nur zu spoilern, sondern den potenziellen Zuschauern dieses Films auch die Chance zu nehmen, diese cineastischen Freuden für sich selbst zu entdecken. Beschränken wir uns also darauf, an dieser Stelle noch ein höchst überfälliges Lob an Bennett Miller los zu werden. Der Regisseur ist kein Fließbandarbeiter - "Foxcatcher" ist erst sein dritter Film nach "Capote" und "Moneyball". Er macht keine Filme, die leicht zugänglich sind, doch was er vollbringt, sind wahre Perlen des Kinos, elegante und sehr kluge Beobachtungen und Kleinode in der Kunst des visuellen Erzählens. Man muss es erstmal hinkriegen, dass sich eine sehr spezielle Geschichte über zwei Ringer und ihren Möchtegern-Mentor anfühlt wie eine epische Abhandlung über die Auswüchse eines wahnhaften, verdrehten amerikanischen Selbstverständnisses. 

"Foxcatcher" beruht auf wahren Begebenheiten, es sei aber dazu geraten, sich über diese tatsächlichen Hintergründe nicht im Voraus schlau zu machen. Zum einen gönnten sich Miller und seine Autoren einige Freiheiten in der Chronologie der Ereignisse, um ihre Geschichte stärker und pointierter zu erzählen, die deutlich von den tatsächlichen Fakten abweichen. Zum anderen würde man sich damit selbst einen massiven Spoiler setzen bezüglich des tragischen Ausgangs, den diese Geschichte letztlich nahm. Auch wenn dieses Ende angesichts des Foreshadowings, welches Miller über den gesamten Film geradezu meisterhaft betreibt, retrospektiv betrachtet schon von Beginn an unausweichlich erscheint. Aber auch dies ist etwas, was man als Zuschauer von "Foxcatcher" am Besten selber entdeckt. Wie die vielen anderen herausragenden Puzzlestücke, aus denen sich hier einer der besten Filme des Jahres zusammensetzt.

Bilder: Copyright

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1/10

Filmszene ist mein Internet-Medium 1. Wahl, wenn ich mich über Filme informieren möchte.
Diese Rezension ist gut geschrieben und das ist der Grund, weshalb ich c. 4 Anläufe unternahm um diesen Film im TV halbwegs zu Ende zusehen.
Aber mal ehrlich, Leute: was soll dieser Film darstellen. Er mag als Lehrfilm für Psychologie dienen oder als Sportler-/ Biopicfilm, wobei mir die sogar olympische "Sportart" Ringen unverständlich geblieben ist.

Ich persönlich erwarte von einem Film u.a. geistige Anregung, eine gute Geschichte, interessante Dialoge und Bilder und manchmal "nur" Unterhaltung, Spannung etc.
Aber das hier ?? Langweilig, langatmig, uninteressant ( Gut, man kann natürlich sagen, dass der "Film" so ebenfalls eine Funktion als Antifilm erfüllt hat).
Es ist mir ein Rätsel, wie man so etwas verfilmen konnte und die Geschichte hätte man auf eine Stunde verdichten können.
So, genug der Kritik die ja auch nur meine subjektive Sichtweise darstellt.
Ich werde Filmszene trotzdem weiter besuchen ;-).

VG

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