WeCrashed

von Matthias Kastl / 19. März 2022

Die Startup-Szene positioniert sich ja gerne als der coole und rebellische Gegenentwurf zur klassischen „angestaubten“ Unternehmenswelt. Viele Investoren fühlen sich von diesen jungen Wilden angezogen, in der Hoffnung frühzeitig auf das nächste große Ding setzen zu können – auch wenn die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass diese Träume bereits schon nach kurzer Zeit platzen werden. Eines der spektakulärsten Beispiele hierfür ist die Geschichte des US-Startups WeWork, das rund um den Globus hippe Co-Working-Spaces anbietet. In 2019 war das von Adam Neumann und Miguel McKelvey in New York gegründete Unternehmen mit sensationellen 47 Milliarden Dollar eines der höchstbewerteten Startups der Welt. Doch der Hype implodierte innerhalb kürzester Zeit, als sich kurz vor Börsengang herausstellte, wie wenig tatsächliche Substanz in dem Geschäftskonzept steckte.

Einer der Hauptgründe für diese krasse Fehleinschätzung war sicherlich, dass viele Investoren und Medien jahrelang nur zu gerne den vollmundigen Worten des genauso charismatischen wie exzentrischen Gründers Adam Neumann lauschten. Figuren mit einer solchen Strahlkraft sind natürlich wie gemacht für eine filmische Aufarbeitung und so verwundert es nicht, dass die Macher von „WeCrashed“ Neumann in den Mittelpunkt ihrer achtteiligen Mini-Serie stellen. Das dessen Frau Rebekah mindestens genauso exzentrisch daherkommt und wildeste Geschichten rund um das Entrepreneur-Leben der beiden verbürgt sind, spielt den Machern natürlich ebenfalls in die Karten. Dank aufwendigem Produktions-Design, einem starken Ensemble und jeder Menge faszinierender Anekdoten ist das Ergebnis dann auch eine genauso bunte wie unterhaltsame Angelegenheit geworden – auch wenn die Serie die Chance auf wirkliche emotionale Wucht und Tiefgang manchmal dann doch eher links liegen lässt.

 

In den acht Folgen der Serie begleiten wir Adam Neumann (Jared Leto, „Requiem for a Dream“, „House of Gucci“) von den ersten Gehversuchen als Unternehmer in New York bis hin zum großen dramatischen Finale. Dabei werden wir Zeuge wie Adam nicht nur seinen zukünftigen Partner Miguel McKelvey (Kyle Marvin) mit der Vision einer völlig neuen Arbeitswelt in den Bann zieht, sondern wie er auch die dafür nötigen Investoren (z.B. Anthony Edwards, „Zodiac“, „Die Vergessenen“) gewinnt. Unterstützt wird er dabei von seiner stets nach ihrem persönlichen Gleichgewicht suchenden Frau Rebekah (Anne Hathaway, „Rachels Hochzeit“, „Der Teufel trägt Prada“). Während das Geld in Strömen fließt genießen Adam und Rebekah ihren neuen Reichtum ausschweifend und planen so schnell wie möglich mit ihren wilden Ideen auch noch den Rest der Welt zu erobern.

Die Story rund um den kometenhaften Aufstieg und ebenso schnellen Niedergang von WeWork bietet neben den exzentrischen Protagonisten natürlich auch jede Menge eher nachdenklich stimmender Elemente – von der Leichtgläubigkeit der Investoren bis hin zu den Schicksalen der Angestellten. Doch an diesen Punkten ist „WeCrashed“ eher weniger interessiert und fokussiert sich stattdessen lieber ganz auf das selbstverliebte Gründerehepaar. Und auch wenn das wilde Partyleben der zwei natürlich nicht unerwähnt bleibt, liegt der Fokus vor allem darauf die zwischenmenschlichen Dynamiken herauszuarbeiten, mit denen sich diese beiden Narzissten gegenseitig in immer höhere Sphären katapultieren. Ein Weg, auf dem andere Menschen nur als nützliche Schachfiguren betrachtet werden, während man sich selbstverliebt für die eigene Vision der Weltverbesserung feiert.  

 

Zugegeben, das klingt ja nicht gerade nach angenehmer Gesellschaft. Mit diesen zwei Menschen möchte man im echten Leben definitiv nicht zu lange in einem Raum sein. Doch im Serienformat und mit dem nötigen Sicherheitsabstand strahlen diese zwei Figuren eine unglaubliche Faszination aus. Das liegt vor allem an Jared Leto und Anne Hathaway, die geradezu wie geboren für diese Rollen sind. Jared Leto interpretiert ja des öfteren seine Figuren auf eine etwas eigenwillige Weise, die manchmal sehr irritierend und befremdlich wirken kann. Genau das passt hier nun aber perfekt zur Rolle. Leto findet für Adam genau den richtigen Mix aus Charme, nervöser Unsicherheit und Irrationalität. So wahnhaft diese Figur auch wirkt, man ertappt sich dann doch immer wieder dabei, wie man von dessen leidenschaftlich vorgetragenen Motivationsreden auch beim fünften Mal doch wieder mitgerissen wird.

Ganz ähnlich verhält es sich mit der Leistung von Anne Hathaway. Bei dieser schwingt in vielen Rollen ja oft immer eine Art kühle und arrogante Abgehobenheit mit. Jackpot, denn auch das passt wunderbar zu der selbstverliebten Figur der Rebekah. Gleichzeitig gelingt es Hathaway wundervoll die Verzweiflung ihrer Figur einzufangen, die um jeden Preis das perfekte Selbstbild konstruieren möchte, aus Angst sonst in kompletter Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Wie diese beiden Menschen sich in Krisenzeiten gegenseitig immer weiter pushen oder auch durch das ihnen verfallene Umfeld in ihrem komplett irrationalen Kurs bestätigt werden, ist wohl der faszinierendste Aspekt dieser Serie. Zwei Figuren, die zwanghaft Selbstbestätigung benötigen und dabei jegliche Bodenhaftung verlieren. Selten hat man die zerstörerische Kraft von Narzissmus so eindrücklich in einer Serie vor Augen gehalten bekommen wie in „WeCrashed“.

 

Diese Überdosis Narzissmus ist aber auch wegen der vielen irren Facetten des hippen Startup-Kults für das Publikum ziemlich unterhaltsam. Wenn Adam mit dem Schlagen eines überdimensionalen Gongs große Sauforgien in der Firma einleitet oder Rebekah sich mit teuren Designern am Bau eines Kindergartens austobt, dann blickt man fasziniert auf diese völlig abgedrehte Parallelwelt, die sich unsere Protagonisten hier zusammengezimmert haben. Dazu ist die Serie ziemlich schwungvoll inszeniert und wieder einmal lässt sich AppleTV+ diesen ganzen Spaß auch ordentlich etwas kosten. Gerade in Sachen Setdesign bekommt man hier ein wirklich eindrucksvolles Fest für die Augen serviert.

Das wir diesem Treiben aber halbwegs gut gelaunt zuschauen liegt auch daran, dass die Serie es vermeidet sich den ja durchaus dramatischen Auswirkungen der Handlungen von Adam und Rebekah auf andere Menschen zu widmen. Dass deren Kinder dramatisch vernachlässigt werden und Angestellte jede Menge Geld verlieren ist hier eher eine Randnotiz. Und irgendwie auch eine verpasste Chance, hier doch noch einen richtigen emotionalen Punch zu setzen. Denn bei aller Faszination für den Narzissmus der Hauptfiguren, richtig emotional mitleiden kann man mit ihnen natürlich nicht. Genauso wie die Serie nicht daran interessiert ist uns wirkliche tiefere Einblicke in unternehmerische Prozesse oder die Arbeit der Investoren zu liefern, was angesichts des Hypes und der Rolle der Investoren darin ja durchaus auch seinen Reiz gehabt hätte. Wer daran interessiert ist sollte sich lieber die Dokumentation „WeWork: Or the Making and Breaking of a $47 Billion Unicorn“ anschauen oder in den zahlreichen Analysen von Finanzexperten auf YouTube stöbern.

 

So kann man der Serie schon vorhalten, dass sie ein klein wenig oberflächlich daherkommt. Auch die Versuche die Figuren mit ein wenig Backstory zu füttern wirken eher bemüht und sind nicht wirklich erfolgreich. Vor allem Adam bleibt über die ganze Serie eigentlich ein ziemlich unbeschriebenes Blatt, von dem man kaum etwas persönliches erfährt. Trotzdem kann man nicht die Augen von ihm und seiner selbstverliebten Frau lassen und irgendwie ist das ja dann doch ganz passend für eine Serie, die sich den Auswüchsen von Narzissmus widmet. Wir schlagen also auch voller Inbrunst den Gong und verkünden, dass diese Serie definitiv einen Blick wert ist. Ob man danach allerdings noch in der Lage ist die hippen Stellenanzeigen von Startups zu lesen ohne sich kräftig schütteln zu müssen steht allerdings auf einem anderen Blatt.


"WeCrashed" startet mit den ersten drei Folgen am 18. März 2022 auf AppleTV+. Danach erscheinen die ausstehenden Folgen jeweils im Wochenrhythmus.

Bilder: Copyright

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