Sein letztes Rennen

Jahr
2013
Laufzeit
114 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Volker Robrahn / 8. Oktober 2013

rennen 1Dieter Hallervorden dürften selbst diejenigen etwas aus den Augen verloren haben, die ihn noch aus der Zeit seiner größten Popularität in den 70er und frühen 80er Jahren kennen. Damals durfte er sich zu den großen Drei einer Sparte zählen, die sich heutzutage „Comedian“ nennt, und bildete mit den slapstickhaften Inszenierungen rund um seine trottelige Kunstfigur „Didi“ eine Art Gegenstück sowohl zum Zappelphilipp Otto Waalkes als auch noch viel deutlicher zum feinsinnigen Humoristen Loriot. Dass der hauptberufliche Kabarettist auch ganz anders kann, wollten vor allem nach dem Massenerfolg seiner Blödelreihe „Nonstop Nonsens“ nur noch wenige wissen, doch seine Mitwirkung in provokanten Frühwerken wie „Der Springteufel“ oder als bezahlter Killer im damaligen TV-Aufreger „Das Millionenspiel“ ist auch heute noch eine Wiederentdeckung wert. Davon, nochmal so eine herausfordernde und anspruchsvolle Rolle im Kino spielen zu dürfen, hat Hallervorden seit Jahren geträumt und sich diesen Wunsch nun tatsächlich erfüllt. „Sein letztes Rennen“ ist ein komplett auf ihn zugeschnittener Film, in dem der Schauspieler noch einmal zu ganz großer Form aufläuft.
 

sein 2Paul Averhoff (Dieter Hallervorden) und seine Frau Margot (Tatja Seibt) sind ein altes Ehepaar, dass für alle anderen klar erkennbar zuhause nicht mehr allein zurechtkommt. Insbesondere die als Stewardess um die Welt jettende Tochter Birgit (Heike Makatsch) sieht sich mit der Betreuung der Beiden überfordert und forciert daher einen Umzug ins Altenheim. Dort angekommen tut sich vor allem Paul schwer, irgendwelchen Nutzen in belanglosen Sing- und Bastelkreisen zu sehen und fühlt sich von der allgegenwärtigen Lethargie dieses Abschiebebahnhofs abgestoßen. Er beginnt sich gegen die immer gleichen Rituale aufzulehnen und fasst schließlich einen abenteuerlichen Entschluss: Der ehemalige Olympiasieger von 1956 nimmt sich vor, in Berlin noch einmal einen Marathon zu laufen. Das Verständnis seiner Umgebung für diese fixe Idee hält sich in sehr überschaubaren Grenzen, selbst seine Ehefrau versucht ihm den Unsinn wieder auszureden. Doch Paul bleibt stur und beginnt so verbissen zu trainieren, dass bald allen klar wird: Der alte Mann meint es wohl wirklich ernst.
 

rennen 3Es steckt eine Menge drin in diesem Film, der in erster Linie das klassische Sportmärchen vom vermeintlich chancenlosen Außenseiter, der es aber schließlich allen zeigt, erzählt. Das bietet dem Darsteller dieser Figur dann entsprechend Raum für emotionale Szenen beim Versuch, sich gegen diverse Hindernisse und skeptische Mitmenschen zu behaupten. All das spielt Hallervorden ungemein zurückhaltend und sehr glaubhaft, so dass man dabei zu keinem Zeitpunkt mehr an frühere Streifen wie „Didi und die Rache der Enterbten“ denkt. Sein Paul Averhoff ist ein im Grunde eher leiser und freundlicher Mensch, der sich aber zu wehren weiß, als man beginnt mit ihm ein unfaires und teilweise schmutziges Spiel zu treiben.

Denn die Mittel, zu denen hier die Autoritäten in Person der restriktiven Heimleiterin (Katrin Sass) sowie der engstirnigen Betreuerin Frau Müller (Katharina Lorenz) greifen, sind schon sehr grenzwertig, als man beispielsweise den „Patienten“ bei der Erstellung eines psychologischen Gutachtens in die Enge treibt. Zwar weist man hier sicherlich zurecht auf bedenkliche Zustände und mangelhafte Betreuung in dieser Art Institutionen hin, doch greift Kino-Debütant Kilian Riedhof, der vor allem durch seinen Fernsehfilm „Homevideo“ bekannt wurde, dabei ein wenig zu sehr zum Holzhammer und präsentiert vor allem das weibliche Personal sowie den einen oder anderen Bewohner des Altenheims fast schon als Karikaturen. Lediglich mit dem sowohl engagierten als auch gelegentlich verschlagenen Pfleger Tobias gelingt ihm bei den Nebenfiguren so etwas wie eine ambivalente Figur.

rennen 4Natürlich bedarf es des storytechnischen Hifsmittels „ehemaliger Olympiasieger im Marathon“, um die Geschichte eines eigentlich abgeschobenen und hilflosen Mannes derart inspirierend erzählen zu können, der „normale“ Altenheimbewohner hat diese Möglichkeit üblicherweise nicht. Besonders realistisch ist die sportliche Leistung, die Paul Averhoff hier vollbringt, vermutlich auch nicht, doch wenn man die Wahrscheinlichkeit des körperlichen Kraftaktes selbst einfach mal außer Acht lässt, wird der Weg dorthin doch sehr ansprechend und bewegend geschildert.

Dazu gehört dann auch die fast schon bombastische und ein Stück pathetische Inszenierung des abschließenden Marathons, bei der man nur noch darauf wartet, dass aus irgendeiner Ecke plötzlich die bekannte „Rocky“-Fanfare ertönt. Ein schöner Film mit einer fein gezeichneten Hauptfigur, der zudem auch ein sehr ernsthaftes Thema angeht ist „Sein letztes Rennen“ trotzdem. Und ohne Zweifel die würdige und verdiente Altersrolle für Dieter Hallervorden.

Bilder: Copyright

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