Vor exakt einem Jahr gelang Tom Cruise mit seinem letzten „Mission Impossible“-Film nach einigen eher mageren Jahren die Rückkehr in vormals selbstverständliche Blockbuster-Dimensionen. Womit sich gezeigt hatte, dass die umstrittene und bei nicht wenigen sogar mittlerweile auf der „Geht gar nicht“-Liste stehende Scientology-Gallionsfigur sich zumindest noch auf ihre bewährte Franchise verlassen kann, sofern diese ein attraktives Paket mit außergewöhnlicher Action und rasanter Story anbietet. Da liegt der Gedanke nahe, sich doch am besten noch eine zweite Marke zuzulegen, mit der dann auch im schönen regelmäßigen Wechsel die Altersrente gesichert wäre. Cruises Wahl fiel dabei auf „Jack Reacher“, den Helden einer bereits siebzehn Bände umfassenden Thriller-Reihe des Autoren Lee Child. Dass dieser Reacher in der Buchvorlage mehr als 1,90 Meter misst und stolze 100 Kilogramm in die Waagschale schmeißt, hat den selbstbewussten Tom dabei wenig gestört. Der inszeniert sich hier auch mit überschaubarer Körpergröße trotzdem als eine Art Alleskönner und schafft so eine genauso makellose wie fade neue Serienfigur.
Scheinbar wahllos hat ein Attentäter mit einem Präzisionsgewehr in der Öffentlichkeit fünf Menschen erschossen. Doch schnell hat die ermittelnde Polizei in Person des Cops Emerson (David Oyelowo) und des zuständigen Staatsanwalts Rodin (Richard Jenkins) einen Verdächtigen gefasst, auf den diverse Merkmale des Anschlags hindeuten. Der bereits früher auffällig gewordene, ehemalige Army-Scharfschütze James Barr ist jedoch nicht bereit die Tat zuzugeben, sondern fordert stattdessen bei der Vernehmung einen ganz bestimmten Menschen zu sprechen: Seinen früheren Kollegen Jack Reacher (Tom Cruise). Was recht schwierig zu werden droht, ist dieser Mann doch eine Art Phantom, seit Jahren nur sporadisch auftauchend und nie irgendwelche Spuren hinterlassend. Praktischerweise spaziert ebendieser Reacher aber kurz darauf ins Büro der Polizisten und bittet seine Mithilfe an. Schon bald ist er sicher, dass Barr nicht der Täter sein kann und gemeinsam mit der Anwältin Helen Rodin (Rosamund Pike), ihres Zeichens die Tochter des Staatsanwalts, kommt er langsam einem Komplett von weit größeren Ausmaßen auf die Spur.
Er erscheint aus dem Nichts, er erkennt die wahren Zusammenhänge und Hintergründe viel schneller als alle anderen und er weiß meist im Voraus schon was als Nächstes passieren wird. Dass er zudem nach einem moralisch einwandfreien Ehrenkodex handelt, versteht sich dabei von selbst. Meine Damen und Herren, wir präsentieren: Jack Reacher, den Superman des Jahres 2013. In einer Zeit, die zunehmend von gebrochenen Helden bestimmt wird und in der selbst das Agenten-Urgestein James Bond mit diversen inneren Dämonen zu kämpfen hat und sich permanent selbst in Frage stellt, kommt nun Tom Cruise mit einem fehlerlosen Saubermann ohne Schwächen daher, gerade so als hätte es die Entwicklung zu den vielschichtigeren Heldenfiguren im Action-Kino der letzten Dekade nicht gegeben.
Diese Chuzpe muss man dann auch erstmal haben, und gut, so ein Ansatz könnte unter Umständen ja auch mal ganz erfrischend sein, wenn man sich denn dabei vielleicht nicht ganz so ernst nehmen würde. Obwohl er diese Fähigkeit zur Selbstironie in einigen Gastauftritten („Tropic Thunder“, „Rock of Ages“) auch schon demonstriert hat, ist Tom Cruise solche Art Distanz in seinem eigenen Vehikel nun völlig fremd, gefällt sich doch lieber in der Rolle des allen anderen hoch Überlegenen mit extremen Coolness-Faktor und ist natürlich doch ein "Held", auch wenn einem der recht alberne Spruch auf dem deutschen Filmplakat etwas anderes weismachen will.
Aber spätestens nachdem sein Jack Reacher dann den Verlauf einer Kneipenschlägerei schon mal exakt vorhersagt und den ahnungslosen Profiermittlern deutlich macht, dass sie sowieso in die völlig falsche Richtung denken, wird es dann doch recht schnell recht öde was die Spannung betrifft, welche man im ersten Drittel des Films noch sehr geschickt aufgebaut hatte. Da scheint sich zunächst eine durchaus interessante und verzwickte Geschichte zu entwickeln, doch je mehr deren Auflösung voranschreitet umso abstruser erscheinen Sinn und Zweck dessen, was die mysteriösen Hintermänner da ausgetüftelt haben. Die werden in Sachen Brutalität übrigens von einem osteuropäischen Typen namens „The Zec“ angeführt, dem niemand Anderes als der berühmt-berüchtigte deutsche Filmemacher Werner Herzog Gestalt verleiht. Der Mann, der einst mit Klaus Kinski filmische Meilensteine wie „Aguirre“ oder „Fitzcarraldo“ schuf, begeht seine Grausamkeiten hier mit der beiläufigen Erzählstimme die wir aus seinen Dokumentationen kennen und wurde äußerlich mit Narben, abgetrennten Gliedmaßen und einem fehlenden Auge so zurecht geschminkt, dass er fürwahr scheußlich ausschaut – ein Auftritt den man dann auch nicht anders als „bizarr“ nennen kann. Der aber immerhin heraussticht aus einem Ensemble, in dem die Routiniers Richard Jenkins oder Rosamund Pike ansonsten nur als bessere Stichwortgeber für die Aktionen des incredible Jack Reacher agieren dürfen und dem lediglich Robert Duvall mit seinem Auftritt kurz vor Schluss noch ein wenig sympathische Kauzigkeit hinzufügt.
Da die Geschichte im Verlauf nicht das einlösen kann, was sie zunächst verspricht, und zudem auch der Actionquotient im Vergleich zu den „Mission Impossible“-Filmen deutlich heruntergefahren wird (denn ähnlich spektakuläre Stunts sind keine Merkmal dieser Reihe), hält sich die Attraktion von „Jack Reacher“ letztlich in Grenzen. Die Unfehlbarkeit der Titelfigur wirkt dabei manchmal sogar unfreiwillig komisch und was bleibt ist dann halt nicht mehr als höchst durchschnittliche und wenig aufregende Thrillerkost aus der Kategorie "muss man nicht unbedingt gesehen haben". Und fortsetzen muss man so etwas erst recht nicht.
Neuen Kommentar hinzufügen