Alles, was wir geben mussten

Originaltitel
Never let me go
Jahr
2010
Laufzeit
103 min
Regie
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Volker Robrahn / 26. Februar 2011

Ein ländliches, englisches Internat in den 1970er Jahren. In dieser Welt, die sich ein wenig anders entwickelt hat als wir sie kennen, wachsen einige Kinder und Jugendliche heran, denen von Anfang an eingebläut wird, dass sie etwas ganz Besonderes seien. Vor allem haben sie mehr als andere auf ihre Gesundheit zu achten, denn der Körper ist ihr kostbarstes Gut. Die Kinder dienen als lebende Ersatzteillager für Menschen, nach deren Vorbild sie geschaffen wurden, und als Erwachsene werden sie solange ihre Organe spenden müssen, bis ihr eigener Körper versagt und sie einen frühen Tod sterben. Unter diesen Umständen entwickelt sich die Beziehung der sensiblen Ruth (Carey Mulligan) zu ihren Freunden Tommy (Andrew Garfield) und Kathy (Keira Knightley). Obwohl sich schon seit Kinderzeiten eine besondere Nähe zwischen Ruth und Tommy andeutet, geht der schließlich eine Beziehung mit der berechnenden Kathy ein, bei der sich Ruth oft nur als fünftes Rad am Wagen fühlt. Im Alter von 16 Jahren verlassen die drei das Internat um in den sogenannten "Cottages" zu leben und sich dort langsam auf den eigentlichen Zweck ihres Daseins vorzubereiten.

Die Ausgangsidee ist keinesfalls neu, fremdbestimmte und künstlich geschaffene Klone sind seit langem ein Bestandteil des Science Fiction-Genres in Literatur und Film. Doch wo Genrewerke wie "Flucht ins 23. Jahrhundert" oder dessen inoffizielles Remake "Die Insel" zunächst aus der wahren Bestimmung ihrer Protagonisten ein großes Geheimnis machen, um diese dann in einem dramatischen Action-Setting dagegen rebellieren zu lassen, geht es in "Alles, was wir geben mussten" nun um etwas ganz anderes. Die Betroffenen wissen, wofür sie vorgesehen sind, und auch dem Zuschauer wird es bereits nach einer guten Viertelstunde durch die mit der Situation ein wenig hadernde Lehrerin Miss Lucy (Sally Hawkins) noch einmal ganz deutlich gemacht.
Die "Enthüllung" der doch so ungeheuerlich scheinenden Tatsachen ist daher auch gar keine und noch nicht einmal die Kernthematik dieser Geschichte. Vielmehr geht es darum, wie die Betroffenen mit dem Wissen der kurzen Lebensspanne umgehen, was sie daraus machen und wie sie ihre kostbare Zeit nutzen. Damit ist der Film dann inhaltlich auch näher bei einem "Blade Runner" als bei den vorher genannten, nur äußerlichen Verwandten. Kazo Ishiguro ("Was vom Tage übrig blieb") ist auch weniger ein SciFi-Autor als ein an den inneren Befindlichkeiten seiner Figuren interessierter Schriftsteller, und dessen Vorlage wurde vom mittlerweile sehr filmerfahrenen Alex Garland ("28 Days Later", "Sunshine") in ein starkes Drehbuch verwandelt, trotz aller dabei unvermeidlichen Kürzungen.

Nein, ein actionreicher Film ist dies nicht, sondern ein sehr ruhiger, mitunter fast etwas behäbiger. Was einen aber die Schönheit der Bilder und die Poesie der Erzählung nur noch mehr genießen lässt, auch wenn dieser Genuss bei fortschreitender Handlung mit einer großen Traurigkeit einhergeht. Denn es gilt von vornherein sich damit abzufinden, was geschehen wird, wird dem Publikum die Hoffnung auf ein klassisches Happy-End doch schon in der ersten Szene genommen.
Diese Unausweichlichkeit und die Lethargie, mit der die drei Hauptfiguren das für sie vorgesehene Schicksal als lebende Ersatzteillager akzeptieren, wird bei vielen Zuschauern einen inneren Abwehrreflex hervorrufen und mehrmals im Kopf die Frage formulieren lassen "Warum wehren die sich nicht dagegen?". Eine Denkweise, die unserer Konditionierung durch unzählige Hollywood-Produktionen geschuldet ist, zeigen diese doch für gewöhnlich nicht die Masse der sich Fügenden, sondern stets die großen Ausnahmen, diejenigen die es wagen gegen das System anzugehen und zu kämpfen. Dass es diese auch hier gibt, wird zumindest angedeutet, wenn die Kinder sich gegenseitig die warnenden Beispiele der Unglücklichen erzählen, die es wagten die Grenzen des Internatsgeländes unerlaubt zu übertreten. Aber um die geht es diesmal nicht, sondern um diejenigen, die sich mit ihrer Funktion nicht nur abfinden, sondern sogar einen gewissen Stolz dafür entwickeln, wie hilfreich und nützlich sie sind. Was auch dazu führt, dass die letzte, schließlich zum Tode führende Spende von ihnen als "Vollendung" bezeichnet wird.
Wer das als Kritikpunkt ausmacht und empört "unrealistisch" ruft, der sei an die durchaus realen Episoden der Menschheitsgeschichte erinnert, in denen Sklaven sich ebenfalls in ihr Schicksal fügten und treu ihren Herren folgten, oder Soldaten für ihr Vaterland sowie vermeintlichen Ruhm und Ehre an vorderster Front in den sicheren Tod marschierten. Auch hier wird glaubhaft und überzeugend vermittelt, dass die Betroffenen von frühester Kindheit an so erzogen und geprägt wurden, dass sie ihre Bestimmung nicht ernsthaft in Frage stellen. Halbherzig tun sie das schon, gehen Liebesbeziehungen ein, weil sie sich davon ein paar Jahre Aufschub erhoffen und werden aus dem gleichen Grund eine Zeitlang "Betreuer" von schwächer werdenden Spendern. Aber wirklich in Frage gestellt wird das System hier nicht.

Diese Geschichte ist überaus faszinierend, wunderschön in Szene gesetzt und wird durch ein überzeugendes Trio junger Hauptdarsteller dann tatsächlich "vollendet". Undurchsichtig und nicht sehr sympathisch agiert Keira Knightley als Kathy, eher verwirrt und als Getriebener macht nun zum zweiten Mal nach "The Social Network" der zukünftige Spider-Man Andrew Garfield auf sich aufmerksam. Herz und Zentrum des Films ist aber die großartige Carey Mulligan, letztes Jahr bereits Oscar-nominiert für "An Education", die mit ihrer zerbrechlichen Präsenz unterstreicht, wozu sie fähig ist, wenn man ihr denn etwas mehr zu tun gibt als in der "Wall Street"-Fortsetzung.
Leider bleibt dann bei dieser Adaption doch etwas zu wenig Zeit um das Beziehungsdreieck so richtig rund auszuformulieren, aber ansonsten sind wir hier nicht allzu weit entfernt von einem perfekten Stück Kino, wozu ja auch gehört, anschließend leidenschaftlich über das Gesehene diskutieren zu können. Das ist bei "Alles, was wir geben mussten" zweifellos der Fall, und wenn dann ausnahmsweise sogar noch der deutsche Filmtitel schöner und aussagekräftiger ist als das Original namens "Never let me go", dann passt das nur noch als i-Tüpfelchen oben drauf.

Bilder: Copyright

Die konstanten Spoiler in ihren Rezensionen sind mir wirklich langsam ein Dorn im Auge. Ich habe keine Lust immer erst zu schauen wer die Rezension geschrieben hat um nicht gespoilert zu werden. Das kann doch echt nicht wahr sein.

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@Marcel, schau dir den trailer an. da wird auch schon recht klar angedeutet was es mit dem "heim" auf sich hat (ich wusste jedenfalls sofort wofür die kinder gedacht sind). und da die buchvorlage beim lesen auch recht schnell klar macht das es kein "happy end" geben wird, ist es dieser rezension nicht vorzuwerfen das extrem gespoilerd wird. wie schon angesprochen, es geht nicht um die eigentliche geschichte, sondern um die protagonisten. denn der eigentliche handlungsstrang ist, zumindest im buch, für sich genommen totlangweilig. sehr viel passiert nicht, viel interessanter sind die gedanken und gefühle der "heimkinder". bin deswegen auch sehr gespannt auf die verfilmung, da so etwas ja meist schwer ist auf eine verfilmung zu übertragen.

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9
9/10

@Marcel:
Was kann denn bitte "nicht wahr sein"?

Dass ich hier inhaltlich auf das eingehe, was in den ersten 30 Minuten geschieht, wie in nahezu allen anderen Rezensionen auf dieser Seite auch?

Ich weiß auch wirklich nicht, wie man es hätte noch deutlicher machen können als im Text geschehen: Die Tatsache, dass es sich um fremdbestimmte, als Organspender vorgesehene Klone handelt (ja, ich wiederhole das hier sogar nochmal)ist im Film nach wenigen Minuten klar und selbst der Trailer macht daraus kein Geheimnis.

Es ist schlicht und einfach kein "Spoiler".
Rein formal nicht und auch nicht im Hinblick darauf, worum es
bei dieser Geschichte eigentlich geht.
Den Film zu besprechen ohne dabei auf sein Hauptthema einzugehen, wäre daher zwar sicher theoretisch möglich, aber doch wenig sinnvoll.

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9
9/10

Nun, die Rezension nimmt ein Großteil der Handlung voraus. Auch stört mich so etwas: "Diese Unausweichlichkeit und die Lethargie, mit der die drei Hauptfiguren das für sie vorgesehene Schicksal als lebende Ersatzteillager akzeptieren..." Hier wird mal eben die Spannung vorweg genommen ob sie sich dagegen wehren werden oder nicht. Die am Anfang gezeigte Endszene ist keine Entschuldigung. Inzwischen habe ich den Film gesehen und fand ihn dennoch faszinierend. Es mag ja stimmen, dass der Film nicht unbedingt von der Handlung lebt, aber gerade vom inneren Konflikt der Protagonisten und den haben sie bereits aufgelöst.

Zudem: Kathy = Carey und Ruth = Keira.

gruß

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Fand das Buch äußerst faszinierend, geradezu grandios...weiß jemand warum der Film, bis jetz durchgehend mit super Rezensionen, so gar keine Rolle bei den Oscars gespielt hat? Thema oder isser bloß zu spät angelaufen?

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Der Film hört sich gut an. Ich finde die Rezension sehr aufschlussreich und auch - Überraschung - spoilerfrei. Es wird ja deutlich darauf hingewiesen, dass es viel mehr darum geht, wie die drei Protagonisten mit ihrem vermeintlichen Schicksal zurecht kommen als das die Tatsache betrachtet wird, um was es sich dabei genau handelt. Aufjedenfall mal eine andere Sichtweise und thematisch bestimmt auch realitätsnaher als immer nur diejenigen Einzelschicksale zu betrachten, die sich - mehr oder minder erfolgreich - zur Wehr setzen.

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@Marcel: Endlich mal einer, der es ausspricht. Da werden einem kostenlos fundierte Filmrezensionen geboten und dann das. Du solltest dein Geld zurück verlangen.
Zum Film: Sehr interessante Rezension, die deutlich Lust auf mehr macht.

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7
7/10

Ich habe den Film angesehen, ohne vorher etwas über ihn gehört oder gelesen zu haben und somit würde ich auch sagen: Gott sei Dank habe ich die Kritik hier auf der Seite nicht vorher gelesen!
Sorry, aber ich finde sie auch "spoilerisch".
Und auch wenn das hier alles kostenlos zur Verfügung gestellt wird, dann darf man doch trotzdem Kritik äußern, oder nicht?

Der Film an sich hat mich sehr berührt und ich fand es sogar ausgesprochen gut, dass die Drei - und auch kein Anderer - den vermeintlichen Helden gespielt haben und geflüchtet sind, es noch nicht einmal versucht haben. Das war wirklich mal etwas anderes.

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Also ich fand das Buch todlangweilig da verzichte ich auf den Film!

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4
4/10

Der Film wäre gerne mehr als er letztlich ist.
Was die Rezension als poetisch beschreibt machte auf mich eher einen biederen Eindruck. Ich möchte sicher keinen Kitsch oder klischeehafte Gefühlsduselei, allerdings fehlten mir in diesem Film doch vor allem die kleinen Gesten, die einem das Gefühlsleben der Protagonisten glaubhaft machen. Ich persönlich habe mich den gesamten Film über als unbeteiligter Beobachter gesehen. In dieser Rolle bietet der der Film dann leider kaum etwas, weder optisch noch dramatisch. Der melancholisch stimmige Soundtrack wirkte folglich sogar ziemlich aufgesetzt.
Trotz guter Schauspieler bleibt der Film emotional so blass wie seine trübe Optik.
Die Handlung alleine ist darüber hinaus kein Grund für einen kinobesuch.

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4
4/10

ja, wieder mal ein film, der vorgibt mehr zu sein als er letztendlich wirklich ist. irgendwie so wie sucker punch.

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4
4/10

Der Film ist lahm. Nach der ersten Hälfte hat's gereicht. Es passiert einfach nix. Und damit meine ich nicht, daß der Film langsam oder poetisch ist, sondern daß einfach nichts passiert. Naja, Alex Garland, das ist ja der Gurkenmacher schlechthin.

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6
6/10

..ich fühlte mich wie in einer Jane Austen-Verfilmung.

Mäßig interessante Liebesgeschichte, leider mit einer völlig überbewerteten, arg künstlich agierenden Keira Knightley, die zu oft (ob ihres Aussehens) besetzt wird . Daneben glänzt die ehrliche Carey Mulligan..

Sehenswerter Film. Ist aber auch nicht schlimm, wenn man ihn verpasste.

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1
1/10

9 v. 10 augen, habe ich was anderes gesehen? ich frage mich nach so einem film immer, wer macht solche filme u vor allem, wer schaut so was u findet das noch gut?? unterhaltungswert=0, spannung=0, anspruch=0

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6
6/10

Verschenktes Potenzial

Erstens Mal. Der Film hat etwas Wunderschönes. Aber so richtig reingezogen hat mich nichts. Ich kenne die Romanvorlage nicht aber irgendwie habe ich die Charaktere nicht gespürt. Natürlich, die sind seit Geburt auf ihr Schicksal vorbereitet worden - und trotzdem: es geht um Leben und Tod und jede Figur nimmt das ganze so gelassen einfach hin?

Irgendwie zog sich durch den ganzen Film eine emotionale Kälte. Richtiges Mitfiebern ist unmöglich und die Charaktere interessieren einem auch zu wenig.

Trotzdem, spannende Idee.

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1
1/10

Also, das Auge ist auf den Film bezogen, ich habe ihn mir gerade angesehen und verspürte den Drang zu wissen was andere von ihm halten und habe mir jetzt 3 oder 4 Rezensionen durchgelesen, manche mit positiver und andere mit negativer Kritik.
Nun, ich kann durchaus den Blickwinkel verstehen, was man an dem Film findet.
Die Thematik "Auseinandersetzung mit der Endlichkeit in einer zugespitzten Konstellation",
"ein Film über das Altern und den nahenden Tod sowie über einen jeweils würdevollen Umgang", "Frappierend ist, dass der Tod innerhalb der Handlung die gleiche Zwangsläufigkeit und Unausweichlichkeit für die Protagonisten hat, wie für einen 85-jährigen Todkranken. Wird dem Tod – gerade junger Menschen – ein Zweck zugewiesen, schlagen die ethisch-moralischen Drehzahlmesser aus."
Zitiert aus :http://www.filmstarts.de/kritiken/101355-Never-Let-Me-Go/kritik.html
Es ist verständlich für mich, durchaus, aber erst wenn ich darüber nachdenke wird mir das ersichtlich, somit es hat in der Hinsicht eine anspruchsvolle Idee, mit der man sich auseinandersetzen will, sonst würde ich ich hier nicht sitzen und das kommentieren.
Dennoch, der Film an sich ist nicht sehenswert, meiner Meinung nach. Es passiert nichts und damit meine ich nicht "es ist ein ruhiger Film", nein, ich finde ihn wirklich einfach nur langweilig. Es ist besteht keine Spannung drinne und ich konnte mich mit keiner der Charaktere identifizieren, weshalb auch die Gefühle auf der Strecke blieben. Er ist auch nicht witzig oder abenteurlustig. Er ist einfach nur langweilig. Er erinnert mich mehr an diese langweiligen Bücher die man in der Schulzeit zerkauen musste. Ich erinnere mich auch an dem Film 'Die Wand'(http://www.diewand-derfilm.at/) denn ich in der Schule gesehen habe, der war genau so langweilig. Und ja wir haben ihn dann in der Schule zerkaut und haben etwas gefunden worüber man dann nachdenken konnte, aber an sich ist er genauso, nämlich langweilig ! :)

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