Wer schon immer mal wissen wollte, was es eigentlich mit den blutrünstigen Frauengeschichten des berühmten englischen Königs Heinrich VIII. auf sich hatte und sich solcherlei Informationen am Liebsten über die bequeme Variante eines unterhaltsamen Kinofilms verabreichen lässt, dem kann nun geholfen werden. Denn nachdem man bereits zweimal Cate Blanchett als Königin Elizabeth auf der Leinwand bewundern konnte, dürfen wir nun der Geburt dieser bedeutenden Figur beiwohnen und bekommen so praktisch die Vorgeschichte der erwähnten Filme präsentiert. Wobei die Bezeichnung "Vorgeschichte" eigentlich eine unzulässige Untertreibung darstellt, denn was sich im 16. Jahrhundert am englischen Hofe abspielte, könnte sich in Punkto Dramatik, Liebe und Grausamkeit kein Groschenheftautor besser ausdenken, ohne der maßlosen Übertreibung bezichtigt zu werden.
König Heinrich VIII. (Eric Bana) hat ein Problem: Er hat zwar eine Ehefrau, aber keinen männlichen Thronerben. Für seine Berater, insbesondere den ambitionierten Herzog von Norfolk (David Morissey) ist völlig klar, wie die Laune des Regenten zu bessern und nebenbei vielleicht auch für den gewünschten Nachwuchs zu sorgen ist. Dazu sollen die Töchter seines Schwagers herhalten, speziell die ehrgeizige Anne (Natalie Portman) ist schnell für den Plan zu gewinnen, als Mätresse des Königs zu dienen. Bedauerlicherweise stellt sich die junge Dame aber nicht besonders geschickt an, so dass der König schließlich mehr Gefallen an ihrer sanftmütigen Schwester Mary (Scarlet Johansson) findet. Kurzerhand ziehen dann beide Frauen an den königlichen Hof und Mary wartet geduldig auf ihre Chance, um doch noch zum Zuge zu kommen und an die Schalthebel der Macht zu gelangen.
Was ihr auch gelingen wird, denn bekanntlich ging Anne Boleyn in die Geschichte ein als die Frau, wegen der Heinrich VIII. sich schließlich vom Papst in Rom los sagte und seine eigene, die anglikanische Kirche gründete, um Anne heiraten zu können - um ihr dann wiederum letztlich ein unrühmliches Ende auf dem Schafott zu verschaffen. Ein Schicksal, das noch eine weitere von Heinrichs insgesamt sieben Ehefrauen teilte, während sich für die restlichen andere Lösungen fanden. Mary Boleyn gehörte nicht dazu und gilt in der offiziellen Geschichte nur als Randfigur, allerdings ist belegt, dass auch sie in der Tat eine Affäre mit dem König hatte.
Dies ist der Stoff für das nun vorliegende Historiendrama des Regiedebütanten Justin Chadwick, einen Kostümfilm der budgetmäßig und ausstattungstechnisch nicht ganz in der A-Liga spielt und klar von seinen Schauspielern dominiert wird. Eric Bana als König mit sehr wechselhaften Launen und auch Kristin Scott Thomas als warnende Mutter, welche ihre Töchter ins unvermeidliche Unglück laufen sieht, machen ihre Sache zwar gut, bekommen aber zu wenig Leinwandzeit um wirklich glänzen zu können.
In erster Linie geht es hier aber natürlich um die beiden Boleyn Girls und bei deren Rollenverteilung mag es auf den ersten Blick verwundern, dass hier nicht Johansson das durchtriebene Biest gibt, wie es ihrem Image und ihrer äußeren Erscheinung durchaus entsprechen würde, sondern Portman. Da aber die Figur der Anne die deutlich vielschichtigere und anspruchsvollere ist und für Mary eigentlich nur wenig mehr als ihre unerschütterliche Gutmütigkeit übrig bleibt, geht diese Wahl schon in Ordnung. Denn von diesen zwei sehr begabten jungen Schauspielerinnen ist Johansson zwar sicher die Glamourösere, Portman aber doch die noch etwas talentiertere. Eine starke Leistung bieten hier beide, aber ihre überzeugende Darstellung kann trotzdem nicht ganz verhindern, dass es dem Zuschauer meist sehr schwer gemacht wird, am so dramatischen Geschehen auch nur irgendwie emotional Anteil nehmen zu können.
Warum ist das so? Nun, weil hier versucht wird, die sich eigentlich über Jahre hinziehenden Entwicklungen im Verhältnis der drei Hauptcharaktere in eine Laufzeit von weniger als zwei Stunden zu pressen und so die erwähnte "Entwicklung" praktisch nicht vorhanden ist, sondern man atemlos von einer historisch wichtigen und unbedingt noch unterzubringenden Szene zur Nächsten springt. Das führt dann in der Praxis dazu, dass sich z.B. die Vorlieben des Königs alle paar Minuten ändern, von "Ich liebe und will nur Dich, mein gerade geborener Sohn ist mir völlig egal", zu einem "wenn Du mir nur eine Tochter schenkst ist dein Schicksal besiegelt" nur wenige Filmmeter später. Selbiges bei den Schwestern im permanenten Taumel zwischen Streit und Versöhnung. Galt da eben noch "Du hast mich verraten und ich will Dich nie wieder sehen", heißt es kurz darauf schon wieder "aber Du bist doch meine Schwester und ich habe nur Dich".
Das alles geschieht und wechselt gleich mehrfach und im erwähnten Minutentakt, bis man irgendwann nur noch den Kopf schütteln mag über die ins Absurde abdriftenden Vorgänge am königlichen Hofe der damaligen Zeit, auch wenn sie sich tatsächlich so (oder zumindest so ähnlich) zugetragen haben mögen. Den Schauspielern kann man da, wie schon angedeutet, noch den geringsten Vorwurf machen, die Kritik muss sich eher an das gewählte Format richten. Für diesen Stoff wäre eine TV-Miniserie nämlich allemal ein Besseres gewesen, so aber funktioniert das nicht wirklich und es bleibt nur eine unterhaltsame Geschichtsstunde im gefühlten Schnelldurchlauf.
Trotzdem: Das was es zu sehen gibt ist allemal ansprechend inszeniert und gespielt. Und wer wirklich nur die historischen Basisinformationen braucht, der hat sie am Ende und wurde dabei auch anständig unterhalten.
Neuen Kommentar hinzufügen