An Education

Originaltitel
An Education
Jahr
2009
Laufzeit
100 min
Genre
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Volker Robrahn / 30. Mai 2010

Als Carey Mulligan, die faszinierende Hauptdarstellerin von "An Education" ihren Freunden erklären sollte, was für einen Film sie gerade dreht, entwickelte sich der folgende Dialog:

"Oh, you're doing a Sixties Film?" - "No. It's not Flower Power and stuff. It's before that."
"What happened before that?" - "Not much."

Genauso sieht es aus, im trüben, sich auch 1962 noch immer in einer Art Nachkriegsphase befindlichen London, in dem man von den Rock'n Roll-Vergnügungen amerikanischer Teenager noch nicht viel mitbekommt und in dem die einheitlich in Schuluniformen gekleideten jugendlichen Damen von biederen Lehrerinnen auf höchst konservative Art unterrichtet werden. Das Ziel lautet dabei auch für die sechzehnjährige Jenny (Carey Mulligan) Oxford University und noch viel mehr als sie selbst arbeitet ihr Vater (Alfred Molina) darauf hin und unterbindet nach Möglichkeit jegliche Ablenkung seiner Tochter. Doch als Jenny den deutlich älteren, aber unglaublich sympathischen David (Peter Sarsgaard) kennenlernt, verschieben sich zusehends die Prioritäten. Es ist nicht nur Davids äußere Attraktivität, sondern auch das weltmännische Auftreten und der elegante Lebensstil, dem die junge Frau rasch erliegt und sich nur zu gerne in eine aufregende Welt aus stilvollen Abendessen, elitären Kunstauktionen oder Ausflügen in die Stadt der Liebe entführen lässt. Bei ihren Mitschülerinnen ist Jenny mit diesen Erlebnissen bald der beneidete Mittelpunkt, bei den Lehrerinnen sieht das jedoch anders aus und es hagelt Warnungen und Ratschläge, doch bitte nicht für solch ein flüchtiges Abenteuer den bisher angestrebten Lebensweg aufs Spiel zu setzen. Doch Jenny hat längst ihren eigenen Kopf entwickelt, wird selbst ihre Erfahrungen machen und dabei eine ganz besondere Erziehung durchlaufen.

Was sich hier in der reinen Inhaltsbeschreibung noch wie eine nicht allzu außergewöhnliche "Coming of Age"-Geschichte anhört, entpuppt sich im Detail als eine der interessantesten aus diesem Bereich im Allgemeinen und als die vielleicht überzeugendste im Hinblick auf eine weibliche Figur im Speziellen. Denn meist widmen sich in diesem Genre ja doch immer nur langsam erwachsen gewordene Männer ihren Alter Egos in Form noch längst nicht erwachsener junger Männer. Das hat auch Nick Hornby erst einmal getan, als er mit den Schilderungen extremer Fußballfans ("Fever Pitch"), Plattensammler ("High Fidelity") oder Gar-Nichts-Tuer ("About a Boy") für hohes Identifikationspotential beim lesenden Publikum sorgte. An dieser Stelle bietet sich vielleicht ein Vergleich mit Kevin Smith an, der für amerikanische Kinofans eine ähnliche Funktion erfüllte und sich mit Werken über verschrobene Comicfans und Filmfreaks profilierte.
Dieser Vergleich wird vor allem dann interessant, wenn man beobachtet, welch gegensätzliche Entwicklung diese beiden "Slacker" nun aber genommen haben. Denn während sich bei Smith im Grunde überhaupt keine nennenswerte Weiterentwicklung erkennen lässt, er offensichtlich wirklich keine anderen als die immer gleichen Themen und pubertären Witze im Köcher hat und deshalb mit "Zack & Miri make a Porno" zuletzt einen erschreckend schwachen Film ablieferte, sieht das beim Literaten Nick Hornby völlig anders aus. Der versuchte sich in "How to be good" erstmals an einer weiblichen Protagonistin, widmete sich im vielschichtigen "A long way down" einer bunt gemischten und sehr heterogenen Gruppe inklusive interessanter weiblicher Personen und konzentrierte sich in seinem aktuellen Werk "Juliet, Naked" erneut dann auf eine weibliche Heldin. Diesen Weg geht er nun mit seinem Drehbuch für "An Education" weiter, als zusätzliches Element entwirft der Autor aber auch noch ein höchst detailliertes Abbild einer vergangenen Epoche, die in Literatur und Film bisher eher wenig hervorgetreten ist, da sie auf den ersten Blick sicher nicht zu den Spektakulärsten gehört. Dass diese Darstellung einer reichlich freudlosen, mit noch nicht allzu viel materiellem Wohlstand gesegneten, zutiefst bürgerlichen Gesellschaft dabei so akkurat und realistisch gelingt, ist dabei natürlich auch ein Mitverdienst der dänischen Regisseurin Lone Scherfig, die mit diesem Film eindrucksvoll untermauert, dass ihr in einem komplett anderen Stil inszenierter Erfolg mit "Italienisch für Anfänger" keine Eintagsfliege war.

Was dabei neben dem Einblick in eine Welt, in der Abweichungen von der Regel noch einen Tabubruch darstellten und Reisen in andere Länder noch ein Luxus für wenige Begüterte waren, so beeindruckt, ist die absolute Glaubwürdigkeit der Haupt- und Nebencharaktere, bei denen nirgendwo auch nur die Spur einer Schwarzweiß-Zeichnung zu erkennen ist. Der zur Zeit der Dreharbeiten bereits 22jährigen Carey Mulligan nimmt man mühelos das erst 16jährige Mädchen ab, wozu zwar auch die brave Schuluniform beiträgt, vor allem aber doch ihr nuanciertes Spiel zwischen Neugier und Unsicherheit auf der einen sowie Trotz und Entschlossenheit auf der anderen Seite. Peter Sarsgard ist geradezu gezwungen, uns seinen David so charmant und unwiderstehlich zu präsentieren, dass wir ihm nicht nur die Eroberung der nur etwas mehr als halb so alten Frau zutrauen, sondern auch über die von Anfang an unübersehbaren dunklen Seiten seiner Figur lange Zeit genauso großzügig hinwegsehen wie die unerfahrene Jenny. Als Wolf im Schafspelz sahen wir den Schauspieler ja schon einmal im Thriller "Flightplan" und auch hier bleibt er durchgehend undurchschaubar.
Dazu ausgefeilte Nebenfiguren wie die schnell als dummes und ungebildetes Blondchen zu erkennende Helen von Rosamund Pike, die sich aber ihrer Vorzüge und Defizite sehr wohl bewusst ist und sich erstaunlich sicher auf dem Parkett der Eitelkeiten bewegt. Auch den zunächst sehr eindimensional streng und unsensibel angelegten Vater lässt Alfred Molina später auftauen und liefert eine feine Leistung als den Manipulationen des redegewandten und raffinierten David hoffnungslos ausgelieferten Durchschnittsbürgers. Hervorragend auch Emma Thompson in einer kleinen Rolle als Rektorin, der es nicht gelingt über ihren Schatten zu springen, und die von Olivia Williams gespielte Klassenlehrerin, welche trotz zwischenzeitlicher Demütigungen im richtigen Moment zur Stelle ist.

Anspielungen und Zitate, französische Musik und Ausflüge in die hohe Kunst - auch diese kleinen Elemente sorgen für großes Vergnügen und verstärken nur noch eine einzigartige Atmosphäre aus Leichtigkeit und Lebenslust mit einem stets spürbaren Hauch von Verrat und dem schließlich unvermeidbaren Aufwachen aus einem schönen Traum. Das Ende dieser Erziehungsgeschichte mit Lerneffekt ist dabei bittersüß und letztlich genauso ambivalent wie die philosophischen Gedanken, die sich dabei über die Frage ergeben, was für ein Leben man wählen sollte. Diese hallen noch länger nach und das ist eben nur möglich, wenn die Handlungen der Charaktere jederzeit glaubhaft und nachvollziehbar bleiben. All dies macht den Film dann selbst zu einem eigenen kleinen Kunstwerk, welches mit Oscarnominierungen für Carey Mulligan und Nick Hornby belohnt wurde, über deren Berechtigung es nichts zu diskutieren gibt.

Bilder: Copyright

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1/10

Endlos langweilig und auf TV-Niveau

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