Little Miss Sunshine

Originaltitel
Little Miss Sunshine
Land
Jahr
2006
Laufzeit
100 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Simon Staake / 23. August 2010

Der Indie-Boom der 1990er ist tot, es lebe der Indie-Boom der 2000er! Also zumindest, wenn man Boom relativ sieht. Denn sowohl die besonders von Mini-Majors wie Miramax gepushten Indies der 90er, so künstlerisch erfolgreich und einflussreich sie auch waren, haben natürlich im reinen Einspielergebnis ebenso wenig Einfluss auf ein Umdenken in Hollywood gehabt wie die Indie-Hits in den letzten Jahren. Das kann auch kein "Garden State", der Überraschungshit des letzten Jahres, oder eben "Little Miss Sunshine", der dieses Jahr zumindest in den USA einen Achtungserfolg schaffte, leisten. Aber trotzdem ist es schön, dass sich solche kleinen Filme nicht durch massive Werbekampagnen durchsetzen, sondern durch Qualität und die darauf folgende Mundpropaganda. Und tatsächlich scheint es dem Independent-Film nach einigen doch eher schwachen Jahren wieder besser zu gehen.

Aber eins muss man bei aller Freude über diese feinen Filme schon anmerken: Die für sich immer eingenommene Originalität, mit der sich diese Filme von der Reißbrettkonkurrenz der großen Studios abgrenzen wollen, ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Denn mittlerweile ist ein Großteil der "andersartigen" Indies fast genau so formelhaft und berechnend zusammengesetzt wie die Blockbusterparaden des Mainstreamkinos. Und in diese Reihe muss man auch das Drehbuch von Michael Arndt zu "Little Miss Sunshine" stellen.
Das fängt schon beim Genre an. Was ist kostengünstig und gleichzeitig storytechnisch die richtige Chance für eine Reihe ungewöhnlicher Charaktere und die Dinge, die sie voneinander lernen? Genau, das Roadmovie. Der "Little Miss Sunshine"-Check: Aha, eine Reise quer durch drei Staaten mit einer brutalen Deadline: Die Familie Hoover muss ihre jüngste Tochter innerhalb von kürzester Zeit in einem altersschwachen VW-Bus von New Mexico nach Los Angeles bringen, damit diese dort an einem Schönheitswettbewerb teilnehmen kann.
Womit wir schon bei den Figuren wären: Die müssen natürlich alle möglichst abgedreht und außergewöhnlich sein. Der "Little Miss Sunshine"-Check: Es lebe die dysfunktionale Familie in Form der Hoovers! Da hätten wir Dwayne (Paul Dano), den Sohn der Familie, der als rebellischer Teenager mit Nietzsche-Faible ein Schweigegelübde abgelegt hat und seit Monaten streng befolgt. Dann wäre da Opa (Alan Arkin), dessen Kokskonsum ihn seinen Platz im Altersheim gekostet hat und der sich gerne einer sehr deutlichen Sprache bedient. Vater Richard (Greg Kinnear) ist ein Motivationstrainer mit einem kleinen Problem: Sein Buch "Erfolgreich in neun Schritten" ist eben alles andere als erfolgreich. Die kleine Olive (Abigail Breslin) ist fasziniert von Schönheitswettbewerben und trainiert ständig mit Opa ihren Tanzvortrag. Mehr schlecht als recht zusammengehalten wird der wilde Haufen von Mutter Sheryl (Toni Collette). Und als wäre es der ungewöhnlichen Charaktere noch nicht genug, stößt auch noch Sheryls Bruder hinzu, der depressive schwule Proust-Experte Frank (Steve Carell), der nach seinem Selbstmordversuch aus Liebeskummer nicht allein gelassen werden darf. Voilà, eine klassische kaputte Familie mit vielen Konflikten, die bis zum Finale gelöst und einigen Lebensweisheiten, die bis dahin gelernt werden müssen.

Hat der Rezensent jetzt doch einigermaßen kritische Worte zum vorhersehbaren Aufbau mit den zu erwartenden Charakteren verloren, so darf der Leser sich jetzt zurecht fragen: "Womit verdient der Film denn nun seine acht Augen?" Ganz einfach: Indem er das, was er macht, absolut großartig macht. Man mag das eine oder andere schon in anderen Roadmovies oder Familien-Tragikomödien gesehen haben, aber das Regisseurs-Ehepaar Jonathan Dayton und Valerie Faris schaffen es, den Mix aus Humor und Ernst, aus abseitigem Witz und leiser Tragik perfekt umzusetzen. "Little Miss Sunshine" mit seiner erzwungenen Situation und seinen in ihrer Überzeichnung und Anhäufung doch ziemlich unglaubwürdigen Figuren sollte eigentlich nicht funktionieren - und funktioniert großartig. Mit einem nicht von der Hand zu weisenden Charme, perfektem Timing und einem sehr guten Ensemble gewinnt dieser Film jeden Skeptiker, der sich beim in ähnlicher Form zu erwartenden Finale doch wundert, wie sehr ihn das Ganze gepackt hat und mit wie viel positivem Pathos und bittersüßen Zwischentönen es doch ausgestattet war. "Little Miss Sunshine" schlägt jeden auf seine Seite - nur ein Grund für die herausragende Mundpropaganda, durch den sich der Film im Heimatland zum Überraschungshit des Jahres gemausert hat und so in den Eliteclub jener Blockbuster einbrechen ließ, die zehn Wochen oder mehr in den US-Kino-Top Ten waren.

Ob Franks peinliches Zusammentreffen mit seinem Ex-Lover und "Selbstmordgrund", Dwaynes kleiner Zettel an Frank ("Bitte bring dich nicht heut Nacht um") oder Opas Tipps für des Enkels Sexualleben, es sind die Kleinigkeiten, die in Erinnerung bleiben und mit denen sich Drehbuchautor Arndt für die etwas bequeme Ausgangssituation rehabilitiert. Viele kleine Szenen, die nicht zum Schenkel klopfen witzig sind, aber einem schadenfrohe, ungläubige oder wissende Lächeln auf das Gesicht zaubern. Unerwartet emotionale Szenen, wenn die Story in traurigere oder kontroversere Gefilde vordringt, die dann aber sofort wieder durch absurden Humor (ein Teil des Films erinnert an "Immer Ärger mit Bernie") konterkariert werden, bevor es zu gefühlsduselig wird.
Auch der immer wieder auftauchende messerscharfe satirische Witz bringt ordentlich Pluspunkte. Wenn etwa die Absurdität, fragwürdige menschliche Objektivierung und perverse "Mini-Erwachsene"-Logik von Schönheitswettbewerben für Kinder durch Olives Performance gnadenlos und schonungslos offen gelegt werden, gelingen "Little Miss Sunshine" quasi im Vorbeigehen ein paar kritische Anmerkungen, die andere mit dem Holzhammer und dementsprechend erfolglos nach Hause geprügelt hätten. Komödie, Tragödie, Satire - dieser Film ist von allem ein bisschen, ohne sich dabei in einer der Richtungen zu verheddern oder sich in Sachen Stil und Inszenierung irgendwo im Niemandsland zu verlieren.

Dass dieser Film so erfolgreich in dem ist, was er tut, hat wie gesagt auch viel mit den Schauspielerleistungen zu tun. Das Schattenkabinett von tollen Darstellern, Toni Collette und Greg Kinnear, macht das, was es immer macht: die beiden überzeugen, ohne sich groß in den Vordergrund zu spielen. Das Rampenlicht ist für andere. Abigail Breslin ("Signs") etwa, die ihre schwierige Kinderrolle nicht überzogen niedlich spielt und die kleine Olive tatsächlich wie ein wirkliches Mädchen ihres Alters anlegt. Oder Paul Dano, der sich rollenbedingt viel mit Mimik behelfen muss, was auch gut gelingt. Und dann - vollkommen überraschend - Steve Carell in der unglaubwürdigsten Rolle des ganzen Films. Wie Carrell daraus das emotionale Zentrum des Films macht, das ist beeindruckend und hätte man dem eher für Klamauk bekannten Carell ("The 40-Year-Old-Virgin") kaum zugetraut. Aber indem er die Rolle eher zurückhaltend mit einer stillen, traurigen Weisheit und trotzdem beißendem Witz ausstattet, darf sich Carrell als durchaus wandlungsfähiger Darsteller zeigen. Absoluter Szenenstehler ist aber Alan Arkin, bei dem es so viel Spaß macht, diesem alten Hasen in Sachen Timing und Präsenz zuzusehen, dass seine Abwesenheit in den Szenen, in denen er fehlt, doch bemerkt wird.

"Little Miss Sunshine" gelingt das im Indie-Bereich, was zwar selten aber trotzdem auch Mainstream-Blockbuster von Zeit zu Zeit schaffen: Eine fabulöse Umsetzung kann auch eine sattsam bekannte Situation bzw. ihre ebenso bekannten Figurblaupausen in wunderbares, erfolgreiches Genre-Kino verwandeln. Zum ganz großen Klassiker reicht es da dann nicht, aber zumindest zu einem voll und ganz gelungenen Kinoabend, aus dem einen die absurden, witzigen, traurigen Abenteuer der Hoovers seltsam gutgelaunt entlassen. Das wohl mit den düstersten Einlagen durchsetzte Feelgood-Movie des Jahres, und auch eins seiner filmischen Highlights.

Bilder: Copyright

9
9/10

Ich finde diese Familie nicht formelhaft "dysfunktional", sondern eher normal, kaputt finde ich Fertigbau-Haus, Leasing-Auto, zwei Kinder gehobene Bildungsbürger-Spiegelleseridioten-Mittelschicht und der ganze langweilige Wahnsinn wie er sich fast überall abspielt und als "funktionales" Ideal gilt.

Auch stutze ich immer wenn Rezzensionen vollstecken mit Begriffen wie Glaubwürdig oder Unglaubwürdig bezüglich Storylines oder Charaktere.
Der gang ins Kino allein ist das einzige Glaubensbekenntis.
Nämlich das Kino larger than life sein sollte.

Ferner ist dieser Film nur zu empfehlen und hat sehr wohl klassiker Qualitäten, sollte aber nur von Leuten genossen werden, die nicht in urdeutscher Projektion überall nach Haaren im Kuchen suchen.

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4
4/10

Mäßig unterhaltender und größtenteils sogar richtig langweiliger Film aufgelockert durch einige gelungene Szenen mit Alan Arkin als dauernd nörgelndem Opi (echt ziemlich witzig) und einem rührendem Auftritt der kleinen Tochter bei der Little-Miss-Sunshine-Wahl am Schluss.

Ansonsten hat der Film beim besten Willen nicht viel zu bieten, er plätschert halt so dahin, bis man sich am Ende fragt, was das jetzt eigentlich alles sollte. 8/10 Augen??? Ich fass' es einfach nicht, denn ohne Alan Arkins Mitwirken hätte ich dem Streifen glatt 1 Auge weniger verpasst ...

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5
5/10

finde ich auch überbewertet. ich weiß nicht wie oft ich da gegähnt habe, war aber einfach zu viel.
gelacht habe ich auch kaum, dafür laufen die "komischen" szenen immer zu sehr nach dem selben muster ab. geht halt immer alles schief und alles ist sehr traurig. nicht so originell. das ende ist natürlich schon witzig, kein zweifel, aber bis zum ende vergeht soviel zeit.
warum der "opa" da sogar einen oscar für bekommen hat? scheint echt einfach heutzutage zu sein.
++

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4
4/10

... der Film plätscherte so dahin. War nicht dolle ...

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3
3/10

ziehmlich langatimg, habe mehr erwartet..

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6
6/10

Schade, dass man das Potential der Charaktere nicht noch mehr ausgeschlachtet hat. Gut, es sollte sicher kein Werk à la Very Bad Things werden, aber jeder Charakter hätte ein wenig mehr aus sich heraus kommen und noch skurriler sein können. Am meisten enttäuscht hat mich Frank, von dem ich zum Ende hin viel mehr erwartet habe. Ansonsten viel Herz und Witz, der Kracher ist aber sicher das Ende.

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10
10/10

Garantiert die beste amerikanische Komödie seit langer Zeit!

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8
8/10

Der Film hat das, was "Juno" fehlt: Tiefsinnigkeit.

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9
9/10

Habe gerade die deutsche Version gesehen und muss sagen, dass ich überrascht war!
Ich habe seit langem nicht mehr so bei einem Film gelacht, und gleichzeitig so ausgefeilte Charaktere beobachten dürfen. Die Schauspieler fand ich durch die Bank genial, gerade Paul Dano, der trotz seiner doch eher zurückhaltenden Figur einen bleibenden Eindruck hinterlässt.
Wiedermal schlägt ein, wie es auf den ersten Blick vielleicht, ''KInderfilm'', etliche andere hochgelobte Erwachsenenfilme um Längen.

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Man merkt dem Film einfach an, dass er mit viel Liebe gemacht worden ist. Ich habe selten einen Film gesehen, in dem jeder einzelne Charakter so fein gezeichnet wurde. Der erfolglose Erfolgsbuchautor, der unglücklich Verliebte, der farbenblinde Möchtegern-Pilot, die zu pummelige Möchtegern-Beautyqueen, der motzige Kriegsveteran - jeder der Charaktere ist herrlich absurd. lediglich die an sich talentierteste Schauspielerin, Toni Colette als Mutter der Nation, wirkt relativ blaß, einfach, weil ihre Rolle zu 'normal' ist. 'normal' ist auch genau das Wort, das der Film über die gesamte Länge wunderbar persifliert - jeder in dem VW-Bus weiß, dass er irgendwie einen Schuß in der Mütze hat, und will es nur nicht zugeben. Drum war auch für mich die lustigste Szene (Achtung Spoiler, aber die Szene ist auch im Trailer), als die Hoovers von einer Motorradstreife angehalten werden und Richard Hoover (Greg Kinnear) die Truppe anweist: "Everybody......pretend to be normal."

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