Die Mauern von Troja und das berühmte Pferd. Die Helden Achilles und Odysseus, die Liebe zwischen Paris und der schönen Helena. Namen, die nun wirklich jeder schon mal gehört hat und ein Stoff wie geschaffen für die große Leinwand. Vor allem in einer Zeit, in der die technisch überzeugende Darstellung eines solch gewaltigen Abenteuers auch tatsächlich möglich ist. Und nachdem der mit Oscars überschüttete "Gladiator" bewiesen hatte, dass das Publikum durchaus wieder empfänglich ist für eine Wiederbelebung des klassischen Monumentalfilms im modernen Gewand, kommt nun die Steigerung in Form von Wolfgang Petersens "Troja". Unser Mann in Hollywood (genauer gesagt, einer unserer beiden "Big Budget"-Germanen im Filmmekka) durfte für die Umsetzung dieses Themas angeblich bis an die 200 Millionen-Dollar-Grenze gehen und versammelte gleich eine ganzes Arsenal an etablierten und aufstrebenden Stars. Denn gebraucht wurden unter anderem Darsteller für die folgenden Charaktere: Ein naiver und liebestrunkener Prinz namens Paris (Orlando "Legolas" Bloom), der sich in Helena, die Königin der Spartaner (Diane Kruger) verliebt, diese nach Troja entführt und damit den Zorn der gesamten griechischen Streitmacht heraufbeschwört. Sein älterer Bruder Hector (Eric "Hulk" Bana), Held zahlreicher Schlachten und gemeinsam mit König Priamos (Peter O'Toole) darauf vertrauend, dass die trojanischen Mauern bisher noch jedem Angreifer standgehalten haben. Der unbezwingbare und unberechenbare Kämpfer Achilles (Brad Pitt), der seine Dienste nur des eigenen Ruhmes wegen dem machtgierigen griechischen König Agamemnon (Brian Cox) zur Verfügung stellt. Einen Strategen und Taktiker wie Odysseus (Sean "Boromir" Bean), der eine entscheidende Rolle in diesem Krieg spielen wird. Dazu weitere Könige und Heerführer, leidende Ehefrauen und vor allem Cousins oder Cousinen, die sich zur falschen Zeit am falschen Ort befinden.
All dies mixt Petersen zu einem bunten Cocktail zusammen, der die eigentlich ziemlich lange Geschichte des Kampfes um Troja auf wenige Tage komprimiert und dabei nur die Essenz aus Homers "Ilias", dem literarischen Ursprung der Sage, verwendet. Historisch also eher ungenau, diese Adaption - aber erstens ist das mit der tatsächlich nachgewiesenen Existenz Trojas eh so eine Sache und zweitens kennen die meisten ja doch nur die eingangs aufgeführten Schlagworte. Also was soll's und warum denn nicht, das Ziel lautet hier schließlich zweieinhalb Stunden Unterhaltung.
Aufwändig verpackte und durchaus mit gebührendem Ernst präsentierte Unterhaltung allerdings, und so hallen einem auch die Begriffe "Epos" und "Drama" aus nahezu jeder einzelnen Szene und Einstellung entgegen. Bedeutende Menschen sprechen große Worte aus und lassen denen meist sogar noch größere Taten folgen. Das betrachtet man dann eine Weile durchaus mit Interesse, aber eben auch mit einer gewissen Distanz. Denn erstens gibt es hier in der Tat einige Längen und wirklich "packen" kann der Film den Betrachter zweitens auch nur selten. Ein emotionaler Zugang zu den nicht allzu tief charakterisierten, geradezu überlebensgroßen Figuren fällt recht schwer.
Das gilt für den zweifelsohne "guten", aber eindimensionalen Hector genauso wie für die deutsche Neuentdeckung Diane Kruger, die als Helena in erster Linie mit ihrem lasziven Blick betört. Recht undankbar ist für Orlando Bloom die Rolle des naiven und verantwortungslosen Paris ausgefallen, die ihn nach "Fluch der Karibik" noch ein Stück mehr auf den Part des schönen, aber farblosen Jünglings festlegt. Und Mr. Pitt hat zwar die per se interessanteste und zwiespältigste Rolle abbekommen, bekommt aber auch zu wenig eigene Leinwandzeit, um diese wirklich überzeugend zu entwickeln. Am besten schneiden da noch zwei alte Haudegen ab: Brian Cox gab schon in "X-Men 2" einen herrlichen Bösewicht ab und spielt auch seinen Agamemnon so, dass man ihn einfach hassen muss. Altmeister Peter O'Toole schließlich hat hier zwar nur eine Nebenrolle, dafür aber seine beste seit vielen Jahren. Die Konfrontation seines verbitterten Königs Priamos mit Achilles zu nächtlicher Stunde im Zelt bildet dann auch die beste, weil berührendste Szene des ganzen Films.
Einiges erwarten durfte man bei diesem Großprojekt natürlich im Hinblick auf die Spezialeffekte, mit denen vor allem die Massenszenen realisiert wurden. Das Ergebnis ist auch da so lala: Gegenüber dem in dieser Hinsicht völlig übertrieben aus dem Ruder gelaufenen "Van Helsing" sind die hier um Realismus bemühten Tricks zwar eine Wohltat, allerdings sind die besten Spezialeffekte in so einem Fall diejenigen, die man gar nicht erst als solche erkennt. Und das kann man leider weder bei der Armada an Schiffen noch bei den zu Tausenden übers Feld stürmenden Soldaten behaupten. Man weiß, dass hier der Computer gezaubert hat und man sieht es ab und zu auch.
Originell ist aber zumindest die Umsetzung von Achilles, dessen einmalige Kampftechnik aus einer flinken "Seitwärts-an-den-Gegner-heranspringen-und-von-links-oben-zustechen"-Bewegung besteht, die man gerade noch als halbwegs glaubwürdig durchgehen lassen kann. Ach ja, dann wäre da natürlich auch noch die heikle Sache mit dem Pferd. Das gehört nun mal zur Geschichte und hätte auch leicht peinlich wirken können. Diese Umsetzung ist aber nun wirklich gut gelungen, um Realismus im Bezug auf das verwendete Material und den Transport bemüht und wirkt daher so glaubwürdig wie es bei dem Thema eben geht.
Es gibt nichts wirklich Schlimmes und völlig Missratenes zu kritisieren an "Troja", alles soweit okay: Die Darsteller, die visuelle Umsetzung, der geradezu klassische Ablauf der Geschichte inklusive einer Überlebensquote der Hauptfiguren im Rahmen shakespearescher Tragödien. Andererseits ist "okay" bei einem Film mit diesem Thema, solcher Besetzung und so einem Budget doch eigentlich ein bisschen zu wenig, oder?
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