Je nach dem, wen man fragt, wird die erstmalige Erschaffung einer künstlichen Intelligenz mit eigenständigem Bewusstsein entweder der nächste große Entwicklungsschritt in der Geschichte der Menschheit, oder der Anfang ihres Untergangs. Im Science-Fiction-Film vertrat man bis dato eher letztere Vermutung, an vorderster Front in James Camerons "Terminator"-Saga, in welcher der Supercomputer Skynet mit Erwachen seines eigenen Bewusstseins zum Superbösewicht und Beinah-Zerstörer-der-Menschheit wurde. Genau diesem Moment, der Geburt der ersten selbst-bewussten künstlichen Intelligenz, widmet sich nun auch das Regie-Debüt von Christopher Nolans Stamm-Kameramann Wally Pfister ("Inception", "The Dark Knight Rises"), und peppt das Szenario lapidar ausgedrückt mit der Frage auf: Was wäre, wenn 'Skynet' verheiratet wäre?
Der Forscher Dr. Will Caster (Johnny Depp) arbeitet mit seiner Frau Evelyn (Rebecca Hall) und ihrem befreundeten Kollegen Max (Paul Bettany) auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz, und sie haben bereits einen Superrechner erschaffen, der einer Maschine mit eigenem Bewusstsein ziemlich nahe kommt - einzig die Frage, wie man eine Maschine dazu bringt, ein Bewusstsein inklusive menschenartiger Gefühle zu entwickeln, ist noch ungelöst. Zu deren Lösung kommt Will Caster indes nicht mehr, als eine Gruppe technikfeindlicher Extremisten (a.k.a. Menschen, die bei 'Terminator' aufgepasst haben) eine Reihe von Attentaten verübt, in deren Folge Caster binnen weniger Wochen sterben wird. In ihrer Verzweiflung darüber kommt Evelyn auf die Idee, das Konzept eines ebenfalls getöteten Wissenschaftlers auszuprobieren: Wenn man den Computer nicht dazu bringen kann, selbst ein Bewusstsein zu entwickeln, vielleicht kann man dann ein menschliches Bewusstsein in den Computer hochladen? So kriegt Will in seinen letzten Tagen eine Menge Elektroden ins Gehirn gepflanzt, und als er das Zeitliche segnet, meldet sich sein Bewusstsein kurz darauf tatsächlich aus dem Super-Computer wieder. Will Caster ist jetzt eine Maschine, und dank des Internets hat er theoretisch Zugriff auf alle Computer der Welt und das gesamte Wissen der Menschheit, welches er nun eigenständig weiterentwickeln kann. Doch wird der neue Will diese Macht nutzen für eine exponentielle Entwicklung sämtlicher Forschung und Technik, wie es sich SciFi-Nerds und optimistische Futurologen von solch einer Singularität versprechen? Oder wird er zu einem echten 'Skynet' und zur Gefahr für die Menschheit in ihrer jetzigen Form? Und wie ist es eigentlich für Evelyn, dass ihr Mann jetzt nur noch als Computer existiert?
Es sind große Fragen der Zukunft, der Ethik und der Existenzphilosophie, an die "Transcendence" sich heran wagt, und an denen der Film leider ziemlich kläglich scheitert. Als würde er selbst nicht wirklich darauf vertrauen, dass man mit solch verkopftem SciFi-Zeug ein signifikantes Publikum ansprechen kann, bläht der Film seinen Plot auf, dass möglichst viel Spezialeffekte und ein paar beeindruckende Bilder dabei rum kommen, und versucht durch besonders hübsche und stylische Sets die Tatsache zu kaschieren, dass sein Poster-schmückendes Zugpferd nach einer halben Stunde nur noch als Computer-animiertes Gesicht am Film teilnimmt: Johnny Depp als Hauptdarsteller von "Transcendence" zu verkaufen, ist dreister Etikettenschwindel. Nicht nur, weil er wie gesagt für Dreiviertel des Films quasi nur noch als Stimme anwesend ist, sondern auch weil seine Darstellung in der restlichen Zeit so farb- und leidenschaftslos daherkommt, dass er sich mit Morgan Freeman darum streiten könnte, wer für seinen Gehaltsscheck hier eigentlich weniger getan hat. Was genau Freemans Rolle hier soll und wozu man seinen Part überhaupt braucht, erschließt sich jedenfalls nicht.
Was sich erst recht nicht erschließt, sind die Ereignisse während eines Zeitsprungs, mit dem "Transcendence" seinen Plot in zwei klare Hälften trennt - und die ohnehin schon extrem wackelige Glaubwürdigkeit seines Plot-Konstrukts endgültig über Bord wirft. Da geht es gar nicht um die Frage, ob man die Sache mit dem hochgeladenen Bewusstsein schluckt. Aber man stelle sich mal vor, dass ein künstliches Super-Bewusstsein mit virtuell zusammengeklauten Millionen anfängt, mitten in der Wüste ein gigantisches, hochtechnifiziertes neues Hauptquartier zu bauen, dem eine Extremistengruppe ohne Internet-Anschluss bereits in der ersten Planungsphase auf die Schliche kommt - aber das FBI bekommt von all dem überhaupt nichts mit? Spätestens an dieser Stelle wird offensichtlich, wie heillos sich "Transcendence" verheddert in dem Kuddelmuddel aus seinen hübschen Visionen von super-fortschrittlicher Technologie, den komplexen ethisch-emotionalen Aspekten, die damit zusammenhängen, und der Notwendigkeit, zugleich aber auch noch einen Plot konstruieren zu müssen, der mit konventionellen Spannungsmitteln arbeitet und auf einen deutlichen Showdown hinausläuft.
Um Letzteres zu gewährleisten, gefrieren sämtliche Akteure außer dem neuen Superhirn während des Zeitsprungs quasi in Stasis. Das FBI bleibt blind und blöd, die Extremisten tatenlos, und die gute Evelyn fängt auch erst dann, als es dem Plot genehm ist, an Probleme damit zu haben, dass ihr virtueller Partner erstens nicht physisch anwesend und zweitens sehr wenig mitteilsam darüber ist, was genau er mit seinem ganzen hochentwickelten Tech-Firlefanz eigentlich treibt und was für Pläne er hat. Mein Partner ist nur noch ein Computer, ich bin mir nicht sicher, ob seine Emotionen eigentlich wirklich echt sind, und so richtig reden tut er mit mir auch nicht - aber ein Thema hab ich damit erst, als mich endlich mal jemand fragt, ob ich mir darüber nicht mal Gedanken machen sollte.
"Transcendence" hätte ein Drama über die Schwierigkeiten einer solchen Beziehung werden können, auch wenn ihn das sehr weit ins Fahrwasser des so unendlich besseren und klügeren "Her" getrieben hätte. Er hätte eine Tragödie über die menschliche Angst vor Fortschritt und Veränderung werden können, die etwas Gutes vernichtet, weil sie es nicht verstehen kann oder will. Er hätte ein Reißer im Geiste des "Terminator" werden können, eine klassische Technology-running-Amok-Mär; das wäre zwar nicht orginell, hätte aber immerhin eine klare Linie. Doch leider ist der Film all das ein bisschen und nichts davon richtig, als wüsste er selbst nicht, was er eigentlich erzählen und was für eine Botschaft er vermitteln möchte. Das Ergebnis ist ein Schluss, der so konfus und ungeschickt daher kommt, dass man sich nur noch am Kopf kratzen mag ob soviel Planlosigkeit.
Gerade angesichts der komplexen Materie und gewichtigen Themen, an die sich der Film heran wagt, ist es seitens der Produktionsfirmen geradezu fahrlässig gewesen, zum einen einem bis dato unbeschriebenen Blatt von Drehbuchautor zu vertrauen, und zum anderen das Ganze dann auch noch in die Hand eines Regie-Debütanten zu legen, der sich nur mit schönen Bildern auskennt aber keinerlei Erfahrung mit der Führung von Schauspielern hat. Es ist entsprechend eine eklatante Schwäche von "Transcendence", dass er zwar hübsch aussieht, mit seinen Figuren aber überhaupt nichts anzufangen weiß. Alle Akteure bleiben hier willenlose Instrumente eines überforderten Plots, der nicht einmal in der Lage ist, die Konsequenzen seines eigenen Szenarios effektiv zu durchdenken. Resultat ist so ziemlich das Ernüchternste, was es im ernsthaften SciFi-Bereich geben kann: Ein Film, der sich für sehr klug hält, aber sehr dumm ist.
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