The Substance

Jahr
2024
Laufzeit
141 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Matthias Kastl / 6. Dezember 2024

Ordentliches Durchhaltevermögen zeigt der bereits im September gestartete Body-Horror-Streifen "The Substance", der aktuell noch immer vereinzelt in deutschen Kinos über die Leinwände flimmert. Ebenfalls groß sollte auch das Durchhaltevermögen beim Anschauen des Films sein – zumindest, wenn man sich eher zur zartbesaiteten Gruppe der Kinogänger zählt. Wie hier die Idee eines völlig aus dem Ruder laufenden Schönheitsexperiments ohne Rücksicht auf Verluste durchgezogen wird, nötigt wirklich Respekt ab. Das mag vielleicht nicht in jeder Szene perfekt funktionieren und hätte gut noch einen kleinen Spritzer mehr Cleverness vertragen. Doch vorausgesetzt, man bringt die nötige Ekel-Resilienz mit, ist "The Substance" ein wirklich gelungenes, bitterböses Stück Unterhaltung geworden.

Verbittert ist im Film vor allem die ehemalige Hollywood-Schauspielerin Elisabeth Sparkle (Demi Moore, "Mr. Brooks", "Der große Crash"). Mit einer eigenen Aerobic-Show im Fernsehen schien sie bisher erfolgreich ihre Karriere am Leben zu halten. Zu ihrem 50. Geburtstag erfährt sie allerdings, dass ihr schmieriger Produzent Harvey (Dennis Quaid, "Dem Himmel so fern", "Der Flug des Phoenix") in Zukunft auf eine deutlich jüngere Moderatorin setzen möchte. Elisabeth sieht panisch ihrem Karriereende entgegen, doch das Schicksal scheint ihr rettend die Hand zu reichen. Sie stößt auf eine geheimnisvolle Substanz, mit deren Hilfe sie sich eine jüngere, makellose Version ihrer selbst gebären kann – und das ist ziemlich wörtlich gemeint. Dieses zweite perfekte Ich (Margaret Qualley, "The Nice Guys", "Once Upon a Time in Hollywood") scheint schon bald alle von Elisabeths Träumen erfüllen zu können, doch die Sucht beider nach Ruhm und Anerkennung führt rasch zu ersten Konflikten.
 


Wir haben es hier natürlich mit dem klassischen Pakt mit dem Teufel zu tun. Im Gegensatz zur Hauptfigur ist jedoch jedem im Publikum früh klar, dass die Sehnsucht nach ewiger Jugend sich hier in eine albtraumhafte Spirale in Richtung moralischer Abgrund verwandeln wird. Über all dem schwebt dann auch ein bisschen der Geist von Oscar Wildes Roman "Das Bildnis des Dorian Gray", nicht zuletzt durch die visuelle Präsenz eines überlebensgroßen Porträts von Elisabeth in ihrem luxuriösen Apartment. Die Botschaft des Films ist dann auch ähnlich: die Verdammung der krankhaften Sucht nach ewiger Jugend. Da hat man mit Hollywood natürlich genau das richtige Umfeld gefunden.

Wirklich subtil geht die französische Regisseurin Coralie Fargeat bei ihrer Mission nicht vor. Elisabeths Schönheitswahn und ihre Sucht nach Anerkennung werden sehr plakativ auf die große Leinwand gebracht. Das passt aber zur überdrehten Grundausrichtung der Geschichte, die eher auf Tempo und satirischen Biss setzt als auf feinfühlige Zwischentöne. Fargeat baut vor allem auf das Groteske der Geschichte und inszeniert diese immer wieder mit Großaufnahmen, die absichtlich abstoßend und verstörend wirken. Auch wenn die Zerstörung des Körpers der Hauptfigur dabei im Fokus steht, gelingt es dem Film auch in eher unscheinbaren Momenten zu irritieren – Hunger auf Shrimps hat nach "The Substance" so schnell auf jeden Fall keiner mehr.
 


Die Ironie der Geschichte: Trotz einiger wirklich ekliger Momente ist der Film doch ein optischer Leckerbissen. Das liegt vor allem an einem großartigen Setdesign, das unter anderem erfolgreich Altmeister Stanley Kubrick huldigt. Überhaupt hat Regisseurin Fargeat ihren Spaß daran, mit Referenzen um sich zu werfen. Wie hier eine Szene aus Alfred Hitchcocks Meisterwerk "Vertigo" aufgegriffen wird, bringt einen zwangsläufig zum Grinsen. Ordentlich Spaß hat auch das Schauspielensemble – wer möchte nicht mal komplett von der Leine gelassen werden? Demi Moore kommt dabei ihre eigene "Schönheitsgeschichte" in Sachen Authentizität zugute. Gleichzeitig ist sie sich nicht zu schade, den nötigen Mut zur Hässlichkeit zu zeigen und überzeugend in ihrer Rolle aufzugehen – auch wenn gefühlt bei ihr und Dennis Quaid noch ein paar Nuancen mehr drin gewesen wären. Aber das ist natürlich schwierig bei Figuren, die derart am Anschlag agieren. Am Ende ist es vor allem wichtig, die nötige Energie und den Wahnsinn mitzubringen, und so darf dann auch Margaret Qualley ihrer facettenreichen Vita eine zwar eindimensionale, aber unterhaltsame und knallbunte weitere Figur hinzufügen.

Hier und da bremst sich der Film jedoch ein klein wenig selbst aus. Sei es durch unnötige erklärende Shots, die man manchmal einfach hätte weglassen können, oder durch die Tatsache, dass Elisabeths Motivation teilweise nicht ganz nachvollziehbar ist. Schließlich ist die neue Situation für ihre Figur, wenn man genau darüber nachdenkt, eigentlich gar nicht so ein großer Unterschied zu ihrem alten Dilemma. Das macht es manchmal etwas schwer zu glauben, dass diese auf sich selbst fixierte Figur die Behandlung immer weiter fortführt. Da die Story nur bedingt Tiefe mitbringt, beginnt sich im zweiten Drittel die Faszination für das Szenario trotz der energiegeladenen Inszenierung auch ein klein wenig abzunutzen. Glücklicherweise ist das aber nicht von langer Dauer.
 


Nicht etwa, weil die Story oder die Figuren plötzlich an Tiefe gewinnen, sondern weil der Film jetzt einfach komplett All-in geht und das Groteske völlig auf die Spitze treibt. Eine ernsthafte, tiefgründige Abrechnung mit Schönheitsidealen ist das nun wirklich nicht – vielmehr ein wilder, überbordender Kommentar, der lieber mit dem Vorschlaghammer als einem feinen Meißel arbeitet. Doch er ist vor allem das Ergebnis einer kompromisslos umgesetzten künstlerischen Vision. Und davon gibt es im modernen Kino viel zu wenige. So etwas auf der großen Leinwand zu sehen ist nicht nur verdammt unterhaltsam, sondern einfach auch bewundernswert. Vorausgesetzt, man bringt die nötige Ekel-Resilienz mit. Wodurch man dann ziemlich beschwingt aus dem Kino kommt und trotz mancher Schwächen realisiert, dass man gerade ein schon irgendwie einmaliges Filmerlebnis genossen hat. Und natürlich, dass Shrimps die nächsten Wochen erstmal nicht auf den Speiseplan kommen.

Bilder: Copyright

9
9/10

Für mich der Beste weil unterhaltsamste Film des Jahres. Null subtil und voll auf die Zwölf. Die Reaktionen im Kino waren pures Gold. Ein grandioses Erlebnis.

Permalink

8
8/10

Da fängt der Film mit einer recht interessanten Story und einer guten Idee an. Ich war gespannt auf das Experiment und deren Auswirkungen und über lange Strecken funktioniert der Film und die Story auch super. Die Kameraeinstellungen und Nahaufnahmen unterstreichen erstklassig die Oberflächlichkeit des Schönheitswahns. Und im Gegensatz dazu die schön inszenierten Hässlichkeiten.
Ich muss zugeben, das Genre Body Horror war mir bislang kein Begriff. Die drei Hauptdarsteller füllen Ihre Rollen extrem gut aus und es hat mich sehr gefreut, Demi Moore mal wieder in einer interessanten Rolle zu sehen.

Mit dem Ende hadere ich etwas. Natürlich kann man ein völlig überzogenes Splatter/B-Movie Ende daraus machen. Es lenkt aber schon etwas von der vorher so kunstvoll aufgebauten Kritik am Schönheitswahn ab. Am Ende des Films war der einfach dermassen drüber, das hat den Gesamteindruck des Films für mich deutlich nach unten gezogen.
Aber was solls - er hat mich alles in allem sehr gut unterhalten und ich bin gespannt auf weitere Filme der Regisseurin.

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