Das algorithmische Denken hinter Netflix' neuem deutschen Komödien-Versuch "Spieleabend" ist offensichtlich: Man nehme ein Kammerspiel-artiges Szenario mit rund einem halben Dutzend Figuren und lasse deren Dynamik aufeinanderprallen, bis die (möglichst komischen) Fetzen fliegen. Hat in Sönke Wortmanns "Der Vorname" und Bora Dagtekins "Das perfekte Geheimnis" ja recht erfolgreich funktioniert. Nach diesem Strickmuster hat der Comedy-Autor Claudius Pläging die sehr deutsche Institution des hier titelgebenden Spieleabends ausgewählt, um seinen Protagonisten Jan (Dennis Mojen) in eine Situation zu stoßen, die in ihren Grundzügen an den Komödienklassiker "Meet the Parents" erinnert. Nur dass Jan hier nicht seine Schwiegereltern in spe für sich einnehmen muss, sondern den Freundeskreis seiner neuen Freundin Pia (Janina Uhse) davon überzeugen will, dass er der Richtige für sie ist. Leider mangelt es hier an einem Antagonisten vom Kaliber eines Robert de Niro. Sowie den wichtigsten Zutaten, welche die bisher genannten Filme alle zu solchen Erfolgen machte: Hohes Tempo und große Gagdichte.
Besagter Jan, bodenständiger Inhaber eines Fahrradladens, wird hier jedenfalls etwas widerwillig von Pia in die protzige Villa von Pias bester Freundin und deren Mann mitgenommen, wo Jan sich in einem "Clash der sozialen Klassen" etwas unwohl fühlt. Erst recht, als sein eigentlicher Widersacher auftaucht - Pias Exfreund Mathias, der offenbar mit ihrer Beziehung noch nicht ganz abgeschlossen hat und Jan in einem möglichst schlechten Licht dastehen lassen will.
Bis wir an diesem Punkt angelangt sind, ist bereits über eine halbe Stunde des Films vergangen, in der es nur zwei wirklich gelungene weil recht überraschende Lacher gegeben hat. Der Rest der Laufzeit wurde mit seicht vor sich in plätscherndem Setup verbracht. Das Problem: Viel mehr Tempo wird "Spieleabend" auch im weiteren Verlauf nicht hinlegen. Als zum Mittelpunkt endlich das Spiel auf den Tisch kommt, das offensichtlich dramaturgisch dazu gedacht ist, die angelegten Konflikte hochkochen zu lassen und die Dynamik innerhalb der Figurenkonstellation auszuschlachten, ist dieses kurzzeitige Zimmer-Feuerwerk dann leider auch ziemlich schnell und wenig einfallsreich abgebrannt. "Wenig einfallsreich" ist dann auch eine Grundfeststellung für den Humor des gesamten Films, der sich allzu oft verlässlicher, zotiger Elemente bedient (kopulierende Hunde? Peniswitze? Menschen, die in Kotze treten? Check, check, check), als sich auf die Suche nach originellem Humor zu machen, der wirklich etwas mit seinen Figuren zu tun hat.
Trotz seiner an sich recht schlanken Laufzeit von nur 92 Minuten nimmt "Spieleabend" zu keinem Zeitpunkt so richtig Fahrt auf. Nicht nur, dass er deutlich länger als seine offensichtlichen Vorbilder braucht, um überhaupt etwas in Schwung zu kommen. Der Film scheint einfach irgendwie nie richtig aufs Gas zu treten, und lässt viel zu wenige potenzielle Konflikte innerhalb seines Figurenkarussells vernünftig eskalieren, so dass nie wirklich Zunder in die Bude kommt. Es ist dann auch symptomatisch, dass "Spieleabend" für sein "dramatisches" Finale seinen Kammerspiel-Schauplatz verlässt und sich extern eine Zuspitzung zurechtkonstruiert, weil er mit seinem Grundszenario und der Dynamik zwischen seinen Figuren einfach zu wenig anzufangen weiß.
Das Ganze ist für einen anspruchslosen Filmabend daheim auf der Couch mit seinen leidlichen Amusement-Spitzen (Stichwort: Tischtennis) vielleicht noch ganz okay. "Spieleabend" ist damit aber halt auch nicht mehr als ein typischer Netflix-Film, deren eigene Ansprüche irgendwie nie über "ganz okay" hinauszugehen scheinen. Hier wäre jedenfalls gefühlt deutlich mehr drin gewesen.