Die Science-Fiction-Autorenlegende Richard Matheson (von ihm statt u.a. der zuletzt mit Will Smith verfilmte Genre-Klassiker „I am Legend“) schrieb Mitte der 1950er Jahre eine Kurzgeschichte namens „Steel“ über eine Zukunft, in der Roboter den Menschen als Athleten im Boxsport abgelöst haben. Damals, bei Matheson vor über 50 Jahren, hatten Roboter noch etwas sehr Exotisches und die Idee darum eine gewisse Faszination, gleichzeitig aber auch einen dystopischen Unterton, wie er typisch ist für große Science-Fiction. Denn in einer Welt, wo Roboter selbst die besseren und interessanteren Athleten sind, wird der Mensch immer überflüssiger.
Im Jahr 2011 und einmal durch den Disney-Verwurstungsfleischwolf gedreht hat sich Mathesons Geschichte in den nun deutlich knackiger klingenden „Real Steel“ verwandelt, ein durch und durch familienfreundlicher Film, bei dem es einfach Spaß machen soll, ab und zu ein paar identitätslosen Robotern beim Sich-gegenseitig-verdreschen zuzuschauen, während Hugh Jackman sein gewinnendes Lächeln für einen Plot feilbietet, der in seiner Formelhaftigkeit direkt aus der Reißbrettfabrik selbst stammen könnte.
Jackman spielt Charlie Kenton, einen ehemaligen Boxer, der sich jetzt als Besitzer/Lenker/Manager eines jener Roboter verdingt, die die Menschen in der nahen Zukunft als Kämpfer aus dem Boxsport verdrängt haben (an einer Stelle traut sich der Film ganz kurz reflektierte Töne, als er den Grund dafür benennt – das Bedürfnis der Zuschauer nach mehr Show und mehr Gewalt). Auf der höchsten Ebene des Boxens kämpfen nun Roboter gegeneinander in einem Spektakel wie beim World Wide Wrestling. Ganz unten an der Nahrungskette, quasi beim Kirmes- und Hinterhof-Boxen (nur eben mit Robotern) ist Charlie angekommen. Ein echter Loser, durch und durch. Doch wie das Schicksal es will, naht bereits eine Figur, die diesen armseligen Typen bestimmt in einen besseren Menschen verwandeln wird. Gemeint ist nicht die hier bedauernswert unterforderte Evangeline Lilly (Kate aus „Lost“) als Charlies love interest, sondern der im wahren Leben etwas mädchenhaft benannte Dakota Goyo als Charlies zehnjähriger Sohn Max, für den der Vater sich nie interessiert hat. Dank eines zurecht konstruierten Plot-Twists sieht Charlie sich gezwungen, den ganzen Sommer mit seinem Sohn zu verbringen, obwohl Vater und Sohn beiderseits nix mit einander zu tun haben wollen und sich erstmal nur ankeifen. Wie praktisch, dass Max dank eines weiteren bequemen Plot-Twists kurz darauf zufällig über einen vermeintlichen Schrott-Roboter stolpert, der sich als echter Underdog-Superstar unter den Boxrobotern erweist und Charlie noch einmal ganz groß raus bringen könnte.
Ein jeder halbwegs erfahrene Filmzuschauer wird sich den Rest der Geschichte bis zum großen Finale selbst ausmalen können und dabei garantiert mit keiner Einschätzung über den weiteren Verlauf falsch liegen. Denn sowohl in seinen Sportfilm-Strukturen bis hin zum Rocky-esquen Schluss-Fight als auch in seinen Familienfilm-Elementen (finden Vater und Sohn zusammen? Rat mal…) ist „Real Steel“ so platt, simpel und dümmlich geradeaus erzählt, dass man über sehr lange 127 Minuten vergeblich auch nur auf einen Hauch einer Überraschung wartet.
So sträflich unachtsam wie mit seiner Spannungskurve geht der Film auch mit seiner Hauptfigur um, denn abgesehen von Hugh Jackmans blendendem Äußeren und natürlichem Charme gibt es absolut nichts, was einen im ersten Drittel des Films irgendwas Einnehmendes für diesen Charlie Kenton empfinden lässt. Die gesamte Exposition lässt ihn wie einen echten Idioten von einem Loser erscheinen, der wirklich nichts richtig macht. Einen Protagonist, mit dem das Publikum wirklich mitgeht, baut man so nicht auf. Aber zum Glück hat man ja Hugh Jackman gecastet, da wird’s schon keiner merken.
All die per Motion-Capture umgesetzten Boxkämpfe der Roboter sind Effekte-technisch einwandfrei gemacht, immerhin hat man sich für deren Choreografie sogar Boxlegende Sugar Ray Leonard als Berater geleistet. An der Umsetzung gibt’s nix zu meckern, doch ein jeder ernsthafte Sportfan im Kinopublikum wird sich hier schnell fragen, wie dieser vermeintliche Sport eigentlich funktionieren soll. Wie relevant sind die Fähigkeiten des jeweiligen Lenkers (bzw. Lenker, drei gegen einen scheint hier auch okay zu sein) wirklich, oder kommt es vor allem darauf an, einfach den besseren Roboter zu bauen? Wie sehr kämpft hier der Mensch, wie sehr die Maschine? Und ganz abgesehen davon: Was zum Henker soll als Wettbewerbssport überhaupt faszinierend daran sein, wie sich ein paar Roboter gegenseitig das Gehäuse verdellen? Dass alle Menschen hier seelenlosen Robotern zujubeln, als wären es echte Sportidole, ist eigentlich ein Aspekt, der einen bei dieser Geschichte sehr nachdenklich stimmen sollte, „Real Steel“ erwartet jedoch, dass man im Kinositz ganz genauso mitjubelt. Das hier ist doch schließlich Familienunterhaltung!
Jawohl, es stimmt, nicht zu leugnen: Seine Kinder kann man bestimmt gut mit in diesen Film nehmen, denn wenn man ein zehnjähriger Junge ist und noch Spaß daran hat, Spielzeugautos ordentlich gegeneinander krachen zu lassen, wird man diesen Film lieben. Ist man allerdings ein wenig älter als das, wird man schwerlich übersehen können, dass „Real Steel“ wirklich nur ein als Kinder-Unterhaltung tauglicher Abenteuerfilm ist, eine Art „Transformers“-Sparausgabe, und auch als solcher nicht einmal sonderlich gut. Da helfen auch hervorragende Effekte, fast schon spektakulär knackig-klare Bilder (1A-Kamera, keine Frage) und ein sich wirklich bemühender Hugh Jackman nicht. Denn auch der kann noch so viel tun – gegen solch ein lieblos durchkonstruiertes Drehbuch kommt auch er nicht an. „Real Steel“ ist echter Käse.
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