Pride

Originaltitel
Pride
Jahr
2014
Laufzeit
120 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Margarete Prowe / 29. Oktober 2014

Oh, sie hörten gar nicht mehr auf, ausgelassen zu tanzen auf der Eröffnungsparty des Filmfests Hamburg in diesem Jahr. Und das nur, weil ein kleiner Clip aus dem wunderbaren Auftaktfilm, der britischen Underdog-Komödie „Pride“ von Matthew Warchus als Dauerschleife gezeigt wurde. Ausgerechnet der Hauptdarsteller der Polizeiserie „The Wire“, Dominic West, lässt in dieser Szene den Discokönig raus und tanzt zu Shirley & Company’s “Shame Shame Shame“.

"Pride“ erzählt die auf wahren Begebenheiten basierende Geschichte einer Lesbisch-Schwulen-Initiative namens L. G. S. M. (Lesbians and Gays Support the Miners) im London der Thatcher-Ära, die den Streik der Bergarbeiter in einem walisischen Dorf unterstützten. 1984 hat der junge Mark Ashton (Ben Schnetzer) nach der Londoner Gay Parade eine Idee: Warum sollte man nicht mal Spenden für die streikenden Minenarbeiter sammeln? Margaret Thatcher ist das große Feindbild beider Gruppen, also denkt er sich frei nach dem Motto „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ etwas aus und gründet L. G. S. M., eine kleine Gruppe, die sich auch nicht davon vom Spendensammeln abhalten lässt, dass sich die Gewerkschaft der Minenarbeiter weigert, ihr Geld anzunehmen. So suchen sie sich selbst ein kleines Städtchen in Wales, dessen Bewohnern sie ihre Spenden direkt in die Hand drücken wollen. Der eher ruhige Abgesandte der Stadt, Dai (Paddy Considine) nimmt das Geld in London entgegen und lädt sie spontan nach Onllwyn in Wales ein. Doch die Bewohner von Onllwyn sind größtenteils skeptisch oder sogar feindlich gesonnen, als ein Bus mit Schwulen und Lesben im Ort ankommt. Aber auch trotz großer Vorurteile erwärmen sich sogar die Minenarbeiter irgendwann für ihre unverhofften Freunde.

1984 war nicht die beste Zeit, um in Großbritannien schwul oder lesbisch zu sein. Vorurteile und Vorbehalte herrschten bei vielen vor, sogar der Glaube, dass Aids die Strafe Gottes für Homosexualität war. So werden die Schwulen und Lesben in „Pride“ in der Zeitung, die von ihrer Spendenaktion Wind bekommt, auch sofort als „Perverse“ abgestempelt. Gleichzeitig war die Thatcher-Ära ein fruchtbarer Ausgangspunkt für hervorragende britische Komödien wie zum Beispiel „Billy Elliott“ (spielt ebenfalls 1984/85) oder „Ganz oder gar nicht“. Die Geschichte dieser ungewöhnlichen Freundschaft zwischen Schwulen, Lesben und Minenarbeitern klingt eigentlich zu märchenhaft für einen Film und basiert doch auf einer wahren Geschichte. Viele der Charaktere im Film gibt es wirklich, wie den jungen Mark Ashton und Jonathan Blake, den wilden Tänzer. Wie bewegend ihre Geschichte nach der Handlung weiterging, erfährt man am Ende des Films im Abspann. Erfunden hingegen ist der junge Joe, dessen Eltern glauben, dass er in einer Konditoreischule lernt, während er in Wirklichkeit mit anderen Schwulen und Lesben nach Wales fährt.

Das Ganze wurde von Warchus herrlich witzig und Mainstream-kompatibel umgesetzt. Natürlich gibt es erwartet komische Szenen wie alte walisische Damen, die endlich mal die Sau rauslassen wollen oder jemanden, der sich plötzlich outet, doch ist „Pride“ auch deshalb überaus sehenswert, da der erstmalige (!) Drehbuchautor Stephen Beresford auch das damals gerade überaus präsente Thema Aids und die Hoffnungslosigkeit der Streikenden geschickt in die Geschichte einflicht. Interessant ist hierbei, dass dies erst Warchus' zweiter Film ist, der eigentlich Theaterregisseur ist. Sein letzter Film liegt sogar 15 Jahre zurück. Erfolgreicher war er am Theater: 2009 gewann Warchus sogar einen Tony für „God of Carnage“ und so ist es kein Wunder, dass er vor kurzem Kevin Spacey als Creative Director des Old Vic in London ablöste.

Wem all dies noch nicht Grund genug ist, sich „Pride“ anzuschauen, den müsste die wunderbare Besetzung ins Kino locken: Bill Nighy zeigt mit einer hochgezogenen Augenbraue, was alle denken, Andrew Scott (Moriarty in „Sherlock“) spielt einen zurückhaltenden Waliser, der sich von seiner Familie ausgegrenzt fühlt und mit dem Paradiesvogel Jonathan (Dominic West) zusammen ist, während Imelda Staunton gewohnt witzig gegen alle Widerstände ankämpft und die besten Sprüche reißen darf. Nach dem Kinobesuch wird man verstehen, warum das Hamburger Filmfest-Publikum danach nur noch tanzen und das Leben feiern wollte.

Bilder: Copyright

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