Pioniere des wilden Westens

MOH (22): 4. Oscars 1931 - "Pioniere des wilden Westens"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 28. November 2023

1991 gewann mit "Der mit dem Wolf tanzt" seit langer Zeit mal wieder ein Western die begehrteste Filmtrophäe der Welt. Das letzte Mal war dies bei den vierten Academy-Awards knapp 60 Jahre früher dem Epos "Pioniere des wilden Westens" im Jahr 1931 gelungen. Doch so richtig überzeugen will dieser Oscar-Gewinner nicht und auch das Thema Rassismus, das in unserer letzten Folge in "Trader Horn" für Diskussionen sorgte, ploppt zumindest kurz auch hier wieder an die Oberfläche.


Pioniere des wilden Westens

Originaltitel
Cimarron
Land
Jahr
1931
Laufzeit
131 min
Genre
Release Date
Oscar
Gewinner "Outstanding Production"
Bewertung
5
5/10

Die Ehre, sich als erster Western die Auszeichnung für den besten Film des Jahres zu sichern, dürfte  “Pioniere des wilden Westens“ damals wohl vor allem seiner üppigen Schauwerte und der episch angelegten Story zu verdanken gehabt haben. So startet der Film spektakulär mit einer aufwendig inszenierten Darstellung des Oklahoma Land Run, bei dem sich 1889 amerikanische Siedler das letzte noch nicht vergebene Indianerland nach dem guten alten “first come, first serve“ unter den Nagel rissen.

Das wilde Wettrennen um die besten Plätze wird dabei von Regisseur Wesley Ruggles ziemlich überzeugend als emotionales Gemisch aus Gier, Chaos und Verzweiflung geschildert. Mittendrin ist der Zeitungsverleger Yancey Cravat (Richard Dix), der am Ende mit seiner Frau Sabra (Irene Dunne) allerdings mit einem kleinen Häuschen in der neu gegründeten Stadt Osage Vorlieb nehmen muss. Doch selbst der erfolgreiche Aufbau einer lokalen Zeitung, die Geburt einer Tochter oder das Ausschalten mancher böser Buben scheint Cravats Abenteuersucht nur temporär befriedigen zu können  

“Pioniere des wilden Westens“ ist ein Film, der sehr viel will, am Ende aber leider nicht soviel davon erreicht. Der Oklahoma Land Run ist hier nur der Startpunkt für eine Geschichte, die 40 Jahre umspannt und dabei seine Hauptfigur vom Wilden Westen bis in die moderne Großstadt durchreicht. Eigentlich eine ziemlich faszinierende Idee, die dank des ordentlichen Budgets der Produktion visuell auch ziemlich überzeugend dargestellt wird. Dabei profitiert der Film auch davon, dass er noch ziemlich dicht an der hier behandelten Zeitepoche dran war – schließlich dürften einige der Beteiligten den Wilden Westen noch selbst erlebt haben. Das verleiht “Pioniere des wilden Westens“ eine gewisse Aura der Authentizität, die heutige Filme in dieser Form natürlich nicht einfangen können. Davon profitiert vor allem der Anfang, bei dem wir nicht nur das stark inszenierte Wettrennen, sondern auch faszinierende Einblicke in die ersten Babyschritte einer neugegründeten Stadt erhalten. Hier buhlen Rechtsanwälte am Straßenrand um Kunden oder es wird die örtliche Kneipe mal schnell für eine heilige Messe zweckentfremdet.
 


Leider übertragt sich die Faszination für diese Settings nur bedingt auf die Story und ihre Figuren. Es hakt dabei gleich an mehreren Stellen, was sich vor allem in der zweiten Hälfte des Filmes rächt. Während man sich für den Wilden Westen noch viel Zeit nimmt, sieht das für spätere Abschnitte nämlich leider anders aus. Die Zeitsprünge innerhalb der Geschichte erfolgen dann immer schneller und ungelenker, so dass weder die Figuren noch das Publikum gefühlt so richtig in den jeweiligen Zeitabschnitten ankommen.

Das größte Manko ist aber sicher die Hauptfigur. Am Anfang ist das Zusammenspiel zwischen Yancey und Sabra ja noch liebevoll genug, um dessen Machogehabe und die überzogene Theatralik im Schauspiel von Richard Dix tolerieren zu können. Als dieser dann aber Frau und Kind sitzen lässt, nur um später für paar heldenhafte Auftritte und große Reden wieder kurz daheim vorbeizuschauen, ist es mit der Sympathie und dem Verständnis für diese Figur dahin. Würde dessen Egoismus hier irgendwie kritisch aufgegriffen oder kommentiert werden, könnte man das Verhalten vielleicht noch akzeptieren, aber das geschieht leider nur bedingt. Stattdessen muss man zum Beispiel einen Gerichtsprozess ertragen, bei dem die Selbstverliebtheit von Yancey und das überbordende Schauspiel des Darstellers für deutlichen Frust vor dem Bildschirm sorgen.
 


So verliert einen der Film immer mehr in seiner zweiten Hälfte, auch wenn zumindest Irene Dunne als Sabra einen ordentlichen Job macht. Es ist aber durchaus interessant in welche moderne Richtung sich deren Figur am Ende entwickelt. Schade nur, dass der Film diesen Aspekt eher nebenher und gefühlt auch etwas lieblos abhandelt. Trotzdem muss das lobenswert erwähnt werden, genauso wie das gute Wort, das Yancey teilweise für die Rechte der indigenen Bevölkerung einlegt.

Man merkt schon, dass die Macher sich auch Mühe gegeben haben auch modernere gesellschaftliche Blickwinkel mit einfließen zu lassen – zumindest im Kontext der damaligen Zeit. Wobei dies leider nicht für die Rolle eines afroamerikanischen Kindes in dem Film gilt, das schon deutlich rassistisch angehaucht für den Zweck des Comic Relief eingesetzt wird. Und so hat “Pioniere des wilden Westens“ am Ende dann doch einfach zu viele Baustellen, als dass das spannende Setting und der durchaus interessante Storyansatz so richtig Fahrt aufnehmen könnten.

"Pioniere des wilden Westens" ist aktuell als DVD auf Amazon in Deutschland verfügbar. Alternativ ist der Film auch auf der Webseite des Internet Archive kostenlos abrufbar.
 

Ausschnitt zu "Pioniere des wilden Westens" inklusive unseres fragwürdigen "comic reliefs" und einer leicht manischen Hauptfigur..


Überblick 4. Academy Awards
Und nun noch einmal die Kategorie “Outstanding Picture“ mit allen nominierten Filmen der vierten Academy Awards 1931 auf einen Blick:


Ausblick
In unserer nächsten Folge starten wir in die fünften Academy-Awards im Jahr 1932 und widmen uns nach dem Vorjahresbeitrag "The Frontpage" hier gleich der nächsten Abrechnung mit dem Boulevardjournalismus.


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