Madame Curie

MOH (136): 16. Oscars 1944 - "Madame Curie"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 2. Dezember 2025

In unserer letzten Folge hat das mit dem Verkuppeln nur bedingt für gute Unterhaltung gesorgt, in "Madame Curie" entpuppt sich das Kennenlernen der beiden Hauptfiguren dagegen durchaus als Segen.

Madame Curie

Land
Jahr
1943
Laufzeit
124 min
Genre
Regie
Release Date
Oscar
Nominiert "Outstanding Motion Picture"
Bewertung
8
8/10

Na, wen haben wir denn hier schon wieder. Erst vor Kurzem hatten wir in "Mrs. Miniver" ja von der Chemie zwischen Greer Garson und Walter Pidgeon geschwärmt. An diesen Erfolg wollte man beim Studio MGM anknüpfen und griff knapp ein Jahr später für die Biografie der zweifachen Nobelpreis-Gewinnerin Marie Curie auf das gerade so erfolgreiche Leinwandpaar zurück. Ein Plan, der angesichts des Charmes der zwei hier definitiv aufgeht – auch wenn sowohl Garson als auch Pidgeon jetzt nur bedingt als glaubwürdige Wissenschaftler taugen. Doch gerade der unglaublich spielfreudige Pidgeon, die entspannte Regie von Mervyn LeRoy und das ehrliche Bemühen des Films, Interesse für Curies Forschungen zu wecken, machen den Film (trotz einer gewissen Verniedlichung seiner Hauptfiguren) zu einem ziemlich unterhaltsamen Vergnügen.

Als Vorlage für den Film dient die von Marie Curies Tochter Ève veröffentlichte Biografie aus dem Jahr 1937 – ihre berühmte Mutter (1867–1934) war erst wenige Jahre zuvor gestorben. Startpunkt für den Film sind die frühen 1890er-Jahre, in denen die junge Polin Marie Skłodowska (Greer Garson, "Gefundene Jahre", "Auf Wiedersehen, Mr. Chips") an der Pariser Sorbonne Physik studiert. Ihr Professor Jean Perot (Albert Bassermann, "Der Auslandskorrespondent") erkennt das Talent der jungen Dame und macht sie mit dem brillanten, aber sehr zurückhaltenden Physiker Pierre Curie (Walter Pidgeon, "Schlagende Wetter", "Blüten im Staub") bekannt. In dessen Labor heuert Marie als Hilfskraft an, zeigt aber schon bald, dass deutlich mehr in ihr steckt. Ermutigt von Pierre werden ihr schon bald spektakuläre erste Entdeckungen im bisher noch unbekannten Feld der Radioaktivität gelingen. Doch trotz aller Begeisterung für die Wissenschaft ist Marie stets hin- und hergerissen zwischen einer Rückkehr in die Heimat und ihrer Arbeit mit Pierre. Und es macht es nicht gerade einfacher, dass die beiden dann auch noch beginnen, Gefühle füreinander zu entwickeln.
 


Mit ihrer Forschung zur Radioaktivität revolutionierte das Forscherpaar Marie und Pierre Curie einst die Physik- und Chemiewelt. Im Jahr 1903 wurden beide gemeinsam für ihre Arbeit mit dem Physik-Nobelpreis gewürdigt, acht Jahre später erhielt Marie Curie für die Entdeckung der beiden chemischen Elemente Radium und Polonium sogar noch den Nobelpreis für Chemie obendrauf. Zwei Nobelpreise in unterschiedlichen Feldern zu gewinnen, das war bis dato noch niemandem geglückt. So überrascht es nicht, dass die Macher für solch eine Prestigerolle erst einmal bei der großen Greta Garbo anklopften. Die hatte sich aber gerade von der Schauspielerei zurückgezogen, aber eine ordentliche Alternative lag für das Studio MGM ja sozusagen vor der Haustüre. Hatte man nicht gerade in "Mrs. Miniver" die Geburt eines neuen Hollywood-Traumpaars gesehen? Neben Greer Garson und Walter Pidgeon „plünderte“ man beim Oscar-Sieger des Vorjahres gleich noch mehr, und so tauchen mit May Whitty, Henry Travers und Reginald Owen hier drei weitere "Mrs. Miniver"-Veteranen auf.

Unterschiedlich sieht es zwar in Sachen Personal auf dem Regiestuhl aus, aber gefühlt hat Mervyn LeRoy ("Ein rastloses Leben“, "Jagd auf James A.“) sich von der Arbeit des "Vorgängers“ William Wyler zumindest inspirieren lassen. Auch er gibt seinem Schauspielduo hier viel Luft zum Atmen, fängt liebenswürdig deren kleine Charakteristiken ein und kreiert so eine genauso warme wie entspannte Grundatmosphäre. Das zeigt sich gleich beim ersten Treffen von Pierre und Marie, bei denen der Film unser zukünftiges Ehepaar einfach mal ein paar Sekunden nervös vor einer Eingangstür stehen lässt – und es dabei genießt, diese zwei eher eigenbrötlerischen Figuren emotional zappeln zu lassen. Überhaupt setzt der Film hier ganz auf die liebenswürdige emotionale Unbeholfenheit und die Leinwandchemie der beiden Hauptfiguren. Die Geschichte selbst ist dagegen eine ziemlich geradlinige Angelegenheit, die jetzt selten wirklich erzählerisch Überraschendes liefert.
 


Stattdessen wird eben erst mal lange Zeit unschuldig aneinander vorbeigeflirtet, was dank LeRoys etwas augenzwinkernder Inszenierung aber halt ziemlich sympathisch rüberkommt. Wenn zum Beispiel auch Pierres Assistent versucht, mit Marie zu flirten, bleibt der Fokus der Kamera die ganze Zeit auf dem im Vordergrund arbeitenden Pierre, der sich über die Lautstärke der zwei echauffiert und gleichzeitig aber auch ein wenig eifersüchtig ist. Der wirklich glänzend aufgelegte Walter Pidgeon geht hier mit Inbrunst in der Rolle des niedlichen Wissenschaftsnerds auf, ohne diese dabei zu arg ins Lächerliche zu ziehen. Gerade ein kleiner Running Gag, bei dem Pierre immer etwas zu spät seine soziale Unbeholfenheit auffällt und er diese schnell noch zu korrigieren versucht, funktioniert prima in Sachen Charakterzeichnung – und endet unter anderem in einem dann wirklich sehr niedlichen Hochzeitsantrag. Greer Garson wiederum verlässt sich fast ausschließlich auf ihren Charme, eine wirklich glaubwürdige Wissenschaftlerin stellt sie jetzt nicht gerade dar, und auch deren Leidenschaft für das Metier kommt nur bedingt rüber. Weil aber das Zusammenspiel mit Pidgeon so gut funktioniert, ist auch das zu verzeihen – zumindest, wenn man seine Ansprüche bezüglich eines tiefgründigen Charakterporträts ein wenig herunterschraubt.

Man tut dem Film aber unrecht, wenn man ihm jetzt mangelndes Interesse an den wissenschaftlichen Heldentaten seiner Protagonisten unterstellen würde. Gerade im Vergleich zum ähnlich gelagerten "Louis Pasteur“, Oscar-Kandidat des Jahres 1936, sieht man hier erstaunlich viel Forschungsarbeit. Man merkt dabei auch, dass man wirklich versucht, das Publikum mitzunehmen und die doch komplexen Vorgänge zwar vereinfacht, aber auch nicht vollkommen tumb aufzudröseln. Dazu nutzt man dann hier und da auch eine neutrale Off-Stimme, was aufgrund des seltenen Einsatzes etwas ungelenk wirkt – aber es ist zumindest gut gemeint.
 


So mag das hier kein Tiefgang sein, aber es gibt stets genug Interessantes zu entdecken, und die hohen Sympathiewerte der Figuren machen es einem leicht, am Ball zu bleiben. Nur gegen Ende schwächelt der Film ein wenig, da einem vor allem für die nötige Aufarbeitung eines dramatischen Ereignisses nicht mehr genug Zeit bleibt. Insgesamt geht "Madame Curie" aber einen wirklich unterhaltsamen Weg, um die Forschungen des Ehepaars Curie einem Massenpublikum näherzubringen. Das belohnte die Academy dann auch gleich mit sieben Oscar-Nominierungen (u. a. "Bester Hauptdarsteller“, "Beste Hauptdarstellerin“, "Beste Kamera“ und "Beste Filmmusik“). Eine Trophäe konnte "Madame Curie" zwar am Ende nicht gewinnen, doch das respektable Ergebnis an der Kinokasse lässt vermuten (und hoffen), dass der Film tatsächlich sein Ziel erreichte und in dem ein oder anderen vielleicht ja ein wenig Neugier für die Wissenschaft geweckt hat. Und sogar Ève Curie war mit der Umsetzung ihres Buches zufrieden – auch wenn man für ein tieferes Verständnis des Menschen Marie Curie wohl beim Buch deutlich besser aufgehoben ist.

"Madame Curie" ist aktuell als Blu-ray und DVD auf Amazon in Deutschland verfügbar. Alternativ ist der Film auch auf der Webseite des Internet Archive kostenlos abrufbar. 


Trailer des Films.
 


Szene: Pierre Curie droht seine beste Mitarbeiterin zu verlieren.

 


Die echte Marie Curie wird ausgezeichnet - die einzige Videoaufnahme, in der ihre Stimme zu hören ist.
 


Ausblick
In unserer nächsten Folge glänzt ebenfalls eine großartige Schauspielerin, der wir in dieser Reihe zum ersten Mal begegnen, vor allem dank ihrer unglaublichen Ausstrahlung. 


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