Looking for Eric

Originaltitel
Looking for Eric
Jahr
2009
Laufzeit
116 min
Regie
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Patrick Wellinski / 23. August 2010

 

Ein Autounfall ist nur der traurige Höhepunkt im Leben des Briefträgers Eric Bishop (Steve Evets). Seine Frau - die Liebe seines Lebens - hat sich schon vor langer Zeit von ihm geschieden, seine beiden pubertierenden Stiefsöhne, die ihm seine zweite Frau hinterlassen hat, zeigen ihm, dass sie nicht viel von ihm halten. Und so verfällt dieser bemitleidenswerte Mann in eine tiefe Seelenkrise, aus der ihn nicht mal seine guten Kumpels von der Post so richtig befreien können. Doch da taucht wie aus dem Nichts Erics Namensvetter und sein größtes Vorbild in seinem Schlafzimmer auf: Eric Cantona, der legendäre Stürmer von Manchester United packt den Briefträger am Schopf und bringt ihn auf seine ganz eigene Art wieder zurück ins Leben.

Viele stürzen sich in der Vorberichterstattung zu diesem Film auf den ehemaligen Fußballstar Cantona, der in Ken Loachs neustem Film "Looking for Eric" tatsächlich einen hypnotisierenden Auftritt hinbekommt. Und ohne Frage kreist der ganze Film um seine Persona. Eric Cantona, der Fußballgott, der sein cholerisches Temperament nicht zügeln konnte und die Presse oft mit seinen philosophisch-verrätselten Aussagen im Dunkeln stehen ließ - der ganze Mythos Cantona wird in diesem hinreißenden Film auf sehr subtile Art durchexerziert. Doch das - und dies ist das Entscheidende - ist nun mal nicht alles, denn "Looking for Eric" ist weitaus komplexer und geht über ein simples Fanmovie über einen ehemaligen Topfußballer weit hinaus. Der Grund hierfür ist allein Ken Loach und sein kongenialer Drehbuchschreiber Paul Leverty.

In seinem mittlerweile 23. Spielfilm kehrt Loach in das Arbeitermilieu Englands zurück. In den letzten 20 Jahren seines Schaffens hat der Regisseur mehrere Male bewiesen, dass es genau diese Gesellschaftsschicht ist, die er am besten kennt. Hier kann er den Menschen aufs Maul schauen, die ansonsten durch die Massenmedien stigmatisiert durch die Welt laufen. Dabei schönt Loach nie. Er sucht nach dem Gewöhnlichen und fängt es vollkommen unverfänglich in klare Bilder ein. So wie das Leben von Eric Bishop. Loach folgt ihm auf den Weg zur Arbeit und beobachtet ihn beim Briefe sortieren, während Erics Freunde krampfhaft überlegen, wie sie ihren krisengeschüttelten Briefträgerkumpel aufheitern könnten. Da die Kamera immer auf Augenhöhe mit den Protagonisten bleibt und sich nie aufdringlich an sie schmeißt, entsteht ein eindringliches Gefühl der Empathie. Das kann Ken Loach immer noch am besten und wir - die Kinogänger - merken gar nicht, wie schnell und ohne zu zögern wir dem Helden verfallen und uns in jeder Szene an seine Seite stellen.
Was "Looking for Eric" aber dennoch von den üblichen Loach-Filmen unterscheidet, ist sein Genre. Der britische Regisseur hat nämlich eine Komödie gedreht, und zwar die vielleicht beste des Jahres. Das liegt in erster Linie daran, dass in diesem Film keine Person vorgeführt wird und selbst wenn Eric zu einer Wunschvorstellung spricht, wirkt er nie verrückt oder wahnsinnig. Der Humor entsteht hier aus einer liebenswürdigen Haltung gegenüber den eigenen Figuren, die immer ihre Würde behalten dürfen. Loach erweist sich damit einmal mehr als grandioser Beobachter des simplen Alltags von ganz gewöhnlichen Menschen.
Die andere Ebene, die diesen Film zum schlichten Meisterwerk erhebt, ist das intelligent konzipierte Drehbuch von Paul Laverty, der schon viele Loach-Filme schrieb und erst letztes Jahr mit seinem präzisen Drehbuch zu "It's a free world" positiv überraschte. Sein Skript zu "Looking for Eric" zeichnet sich zum einen durch die tolle Figurenzeichnung aus, zum anderen durch die fantastische Balance, mit der Laverty verschiedene Erzählebenen im Gleichgewicht behält. So wirken Erics imaginäre Therapiestunden mit seinem Fußballgott Cantona nie als Fremdkörper. Mit einer nüchternen und streckenweise auch schmerzhaften Realitätstreue verwebt Laverty sogar einen ziemlich spannenden Krimiplot in die Geschichte, ohne dabei seine Grundkonstellation zu überfrachten. Einmal mehr beweist Paul Laverty, dass er ohne Zweifel zu den wohl besten Drehbuchschreibern Europas gehört und jeden Preis, den er für sein Schaffen erhalten hat oder noch erhalten sollte, mehr als nur verdient.

In seinem Kern ist "Looking for Eric" ein zutiefst humaner Film. Er offenbart einen Blick auf den Menschen, der fernab jeglicher Autorität und Unterdrückung ist. Jeder hat das Recht auf Glück, sagt Loachs Film. Und Eric, der Briefträger, muss das erst noch begreifen. Wenn einer seiner Stiefsöhne in das kriminelle Milieu abzudriften beginnt, weckt das in dem schüchternen und geknickten Mann plötzlich unerwartete Kräfte. Und natürlich ist Eric Cantona, der in diesem Film in all seiner Widersprüchlichkeit dargestellt wird, nicht ganz unschuldig an diesem Wandel. Auch Eric Bishop wird am Ende klar werden, dass sein Vorbild Cantona eigentlich nicht auf Ewig mit ihm sprechen wird. Der Briefträger muss sein Leben wieder in die eignen Hände nehmen und das bedeutet in diesem konkreten Fall, dass Eric wieder anderen Leuten vertrauen muss.
Diese - nennen wir es mal vorsichtig - Botschaft bringt der Film mit einem großartigen Finale auf den Punkt. Dieser furiose Paukenschlag (eine Art Eric-Cantona-Flashmob, um nicht zu viel zu verraten), gehört gleichzeitig zu den witzigsten und ergreifendsten Momenten des aktuellen Kinojahres. Ken Loach beweist hiermit jedenfalls, dass Komödien - so sie denn perfekt inszeniert sind - wesentlich mehr von der Welt und den Menschen darin erzählen können, als jede zentnerschwere und selbstverliebte Arthausfantasie.

Bilder: Copyright

8
8/10

Gestern angeschaut und ich wurde sehr gut unterhalten.Super Story,gute Schauspieler.Ein genialer Film.Sehr zu empfehlen!

Permalink

10
10/10

Dies war für mich einer der besten Filme - wenn nicht sogar der beste Film - des Jahres. Voller Menschenliebe wird ein kleines Schicksal gezeichnet und auch der Umgang mit einem Idol auf kluge Weise gezeigt. Die Rezension zu dem Film spricht mir so richtig aus dem Herzen.

Und neben der Empathie vermittelt der Film so richtig Lust auf ein Türposter von Eric Cantona!!! Da soll man sich bloß nicht von stilistischen Gegebenheiten des eigenen Heims einzwängen lassen. Aber das versteht nur, wer sich dieses Meisterwerk anschaut.

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