Desmond Doss (Andrew Garfield) ist nicht nur für seine Familie im Virginia der 1940er Jahre ein schwieriger Fall. Sehr zum Missfallen seines groben Vaters, dem Kriegsveteranen Tom (Hugo Weaving) gibt sich sein Sohn immer wieder als „Weichei“, der sich auf seinen christlichen Glauben beruft, keinem anderen Menschen Gewalt antun möchte und sich daher nie körperlich wehrt. Auch nach seinem Armee-Eintritt erweist sich Desmond für seine Vorgesetzen als harte Nuss, denn einen Soldaten, der sich weigert ein Gewehr anzurühren, hat man dort noch nicht gesehen. Doch alle Versuche, den unkonventionellen Störenfried möglichst schnell wieder loszuwerden, scheitern, denn Desmond Doss präsentiert sich stets als überzeugter Patriot, der seinem Land unbedingt an der Front im Zweiten Weltkrieg dienen möchte – nur eben als Sanitäter, ohne Waffe in der Hand. Und so stürzt er sich also tatsächlich einfach so ins Gefecht auf der japanischen Insel Okinawa, wo die US-Army unter Einkalkulierung hoher Verluste versucht, die gut 100 Meter hohe Steilwand mit dem Spitznamen „Hacksaw Ridge“ zu erstürmen. Schnell wird dabei klar, dass viele Soldaten nur deshalb eine Chance haben die Schlacht zu überleben, weil sich ihr unbewaffneter Kamerad Desmond immer wieder furchtlos auf den Weg macht sie zu retten.
Mel Gibson ist zurück auf dem Regiestuhl. Zwölf Jahre nach seinem größten Erfolg mit der „Passion Christi“ und zehn Jahre nach „Apocalypto“ wagt sich der von zahlreichen persönlichen Problemen und Skandalen geplagte Australier mit einer eigenen Inszenierung zurück in die Kinos. Verändert hat sich nach der eine Dekade andauernden Pause aber im Prinzip nicht viel, denn „Hacksaw Ridge“ ist genauso eine Helden- und Erbauungsgeschichte wie einst „Braveheart“ oder seine Schilderung des Leidenswegs von Jesus Christus – erneut gespickt mit der schonungslosen, exzessiven Darstellung von Gewalt, wie man sie von Gibson halt gewohnt ist. Immerhin ist es aber mal wieder ein Film in einer allgemein verständlichen Sprache geworden, alles andere wäre aber angesichts des uramerikanischen Themas auch ziemlich unsinnig.
Mit der wahren Geschichte von Desmond Doss widmet sich der Film einer auf der Leinwand bisher noch unerzählten Episode des zweiten Weltkriegs und stellt eine in der Tat sehr ungewöhnliche Figur in ihren Mittelpunkt. Es ist im Grunde kaum zu glauben, dass die Militärs sich wirklich mit einem „Waffenverweigerer“ in ihren Reihen abfinden konnten, und die Vorgesetzen in Person der beiden Captains Clover (Sam Worthington) und Howell (Vince Vaughn) versuchen auch alles, um den unkonventionellen Außenseiter loszuwerden, scheitern dabei aber entweder an dessen Sturheit und Durchhaltevermögen oder aber an juristischen Fallstricken der amerikanischen Verfassung, auf die sich Desmond berufen kann. Während Vince Vaughn den Weg zum Charakterdarsteller offenbar weitergehen möchte und seiner Figur unterschiedliche Facetten verleiht, bleibt Sam Worthington (für den die kurze Zeit der großen Hauptrollen wohl vorbei zu sein scheint) mit seiner Verkörperung eines in sehr typischen Verhaltensmustern agierenden Militärs doch sehr eindimensional.
Andrew Garfield gibt dagegen eine intensive Vorstellung als Mann, der aufgrund einer starken Prägung in seiner Jugend unerschütterlich an seine Ideale glaubt und dabei allen Widerständen trotzt. Charakter und Persönlichkeit von Desmond Doss sind allerdings fast zu perfekt um wahr zu sein und natürlich ist es schon eine ziemliche Glorifizierung, die hier betrieben wird. Wie der unbewaffnete Sanitäter sich dabei immer wieder in die Schlacht stürzt und ganz alleine Dutzende von Kameraden in Sicherheit bringt, das trägt mitunter schon fast märchenhafte Züge. Und höchst patriotisch ist der Film von Mel Gibson selbstverständlich auch geworden, wer bei allzu viel Pathos Unbehagen verspürt, der bekommt hier schon die eine oder andere schwere Aufgabe gestellt.
Nichtsdestotrotz: Die Inszenierung selbst ist makellos und kraftvoll, ganz im Gegensatz zu seiner zuletzt ziemlich ermattet wirkenden äußerlichen Erscheinung scheint Gibson in seinem Job als Filmemacher nichts von seiner Energie verloren zu haben. Was aber eben auch bedeutet: Sein Film ist mal wieder schonungslos brutal, seit der Landung der Alliierten in „Der Soldat James Ryan“ hat man wohl nicht mehr so heftige Bilder von massenweise zerschossenen und verstümmelten Körpern gesehen, oft sterben die Soldaten ihren plötzlichen, fast beiläufigen Tod im Sekundentakt. Das muss man verkraften können, und auch den dann resultierenden Gegensatz zur völligen christlichen Reinheit der Hauptfigur, die zum Ende hin immer weiter mythisch überhöht wird.
Dem amerikanischen Publikum hat offenbar gefallen was es zu sehen bekam, denn „Hacksaw Ridge“ lief dort an den Kinokassen sehr ordentlich. Wohl noch bedeutender dürften aber die Oscar-Nominierungen sowohl für den Regisseur, seinen Hauptdarsteller Andrew Garfield, als auch für den „Besten Film des Jahres“ sein. Die hält der Rezensent dann zwar doch für etwas zu viel des Guten, Mel Gibson ist damit aber definitiv wieder zurück im Zentrum Hollywoods.
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