Extreme Rage

Originaltitel
A Man Apart
Land
Jahr
2003
Laufzeit
110 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Frank-Michael Helmke / 8. März 2011

Sieht man sich die Filme von F. Gary Gray an, so hat man das Gefühl einem Regisseur zuzusehen, der sich nicht so recht traut zuzugeben, dass er eigentlich gerne ernsthaftes Drama machen würde. Wie so viele Filmemacher seiner Generation kommt Gray aus der Videoclip-Ecke, inszenierte so ziemlich alle Größen des amerikanischen Rap und Soul und wurde mit massig Preisen ausgezeichnet (u.a. für TLC's "Waterfalls" und Dr. Dre's "Keep their heads ringin'"). Sein erster Spielfilm, die Ghetto-Komödie "Friday", war zwar aufgrund eines fürchterlichen Skripts grottenschlecht, machte aber genug Geld, um ihm einen weiteren Leinwandversuch zu ermöglichen. 1996 erschien "Set it off", ein Krimi-Drama um einen Vierertrupp junger schwarzer Frauen, die aus Verzweiflung zu Bankräubern werden.

Ein hervorragender Film, der Grays Stärke auswies, eine ergreifende Geschichte mit elegant stilisierten Bildern für ein sowohl visuell als auch dramatisch ansprechendes Kinoerlebnis zu kombinieren. Wäre er dieser Linie nur treu geblieben. Anstatt sich auf seine eigenen dramatischen Stärken und die nicht zu verachtenden Fähigkeiten seiner Hauptdarsteller Kevin Spacey und Samuel L. Jackson zu verlassen, untersetzte Gray seinen dritten Film, das geschickt konstruierte Psycho-Duell "Verhandlungssache", mit einer Reihe zwar ansprechender, aber letztlich überflüssiger und störender Actionsequenzen, die dem schwerpunktmäßigen dramatischen Potential des Films mehr schadeten als nützten.


Jetzt nun kommt sein vierter Streifen, in dem er leider denselben Fehler macht: Was grundsätzlich ein Krimi-Drama um einen durch den Verlust seiner Frau zerrissenen Drogenpolizisten auf Rachetrip ist, wird durch zuviel Stilisierung und unnötige Action in die dumpfe Baller-Ecke geschoben, wo der Film eigentlich nicht hingehört. Der deutsche Titel ist für genau diese Marktplatzierung symptomatisch: "Extreme Rage" klingt schön tumb und fetzig, während der Originaltitel "A Man Apart" von vornherein die Zerrissenheit des Protagonisten in den Vordergrund kehrte. Dieser Zwiespalt zwischen Charakterdrama und Actionkino erhält weitere Schärfe durch den Hauptdarsteller: Vin Diesel schoss mit "Pitch Black" und "The Fast and the Furious" vom Niemand zur neuen Hoffnung des Muskelkinos hoch, eine Erwartung, die er mit "Triple X" mehr als erfüllt hat. "A Man Apart" (um beim passenderen Originaltitel zu bleiben) sollte wohl eigentlich Diesels erster Versuch in einer ernsthafteren Rolle werden - die Remodelierung des Films ins Actionfach wird genau dies leider verhindern.
Was traurig ist, denn gerade im Vergleich mit den eher lächerlichen Versuchen anderer Muskelmänner im dramatischen Bereich (man denke nur an die Bemühungen von Stallone oder Schwarzenegger, innere Pein auszudrücken), erweist sich Diesel in der Rolle des Drogenpolizisten Sean Vetter als überraschend ausdrucksstark. Vetter ist als Undercover-Cop mit seinem Partner Hicks (Larenz Tate, der O-Dog aus dem Ghetto-Klassiker "Menace II Society") sehr erfolgreich in der Bekämpfung eines mexikanischen Drogenkartells: In einer spektakulären Aktion gelingt es ihnen, den mächtigen Kartellboss Memo Lucero zu verhaften. Die Hoffnung, der Drogen- und Gewaltspirale damit Einhalt geboten zu haben, stellt sich indes bald als Trugschluss heraus: Vetters Haus wird von einem Attentäter überfallen. Er selbst überlebt schwerverletzt, doch seine Frau Stacy wird erschossen. Körperlich genesen aber psychisch ein Wrack macht sich Vetter auf die Suche nach dem Verantwortlichen für den Tod seiner Frau, und alle Spuren deuten in Richtung eines gewissen Diablo, der die vakante Machtposition im Drogenkartell mit aller Gewalt an sich zu reißen scheint.

Genau genommen ist "A Man Apart" tatsächlich vor allem das Portrait eines psychisch zerfallenden Menschen, der verzweifelt versucht, wieder Halt zu finden, doch dabei zusehends die Kontrolle über sich selbst verliert. Vetters Gewaltausbrüche führen schnell zu seiner Dienstsuspendierung, und seine Nachforschungen geraten mehr und mehr zur Selbstjustiz. Dieser an sich ernsthafte Ton der Story wird jedoch konsequent untergraben von der überstilisierten Inszenierung: Schon am Anfang hat man das Gefühl, als würde der problematische Drogen-Grenz-Kontext, wie er vorbildlich in "Traffic" verarbeitet wurde, hier in eine reißerische Idioten-Show ohne jede Substanz verwandelt. Und dieser Eindruck mag nicht wirklich verschwinden: Immer wieder, wenn der Film langsam das Gefühl für sein wahres Thema gefunden zu haben scheint, macht eine zwar ordentlich umgesetzte, aber oft überinszenierte Actionszene die gerade mühsam aufgebaute Stimmung wieder zunichte und es geht wieder bei Null los. Das wirkt insgesamt zu unstet, auch aufgrund derber Stilbrüche: In einer Szene zum Beispiel setzen Vetter und Hicks den kleinsten Drogenhund der Filmgeschichte zur Witterung an und für ein paar Sekunden gibt es befreiende Lacher, doch direkt darauf wird der Zuschauer in eine skurrile Hölle von Blut und Tod geführt, die als Setting auch in "Sieben" nicht fehl am Platz gewesen wäre.
Eine weitere Folge des inszenatorischen Ungleichgewichts: Die Geschichte kommt insgesamt zu langsam voran und mag nicht wirklich packen. So bleibt denn auch eine Menge Zeit übrig zum Nachdenken über die Frage, wieso es F. Gary Gray wieder nicht hinbekommen hat, sich zu entscheiden: Entweder für einen reißerischen Actioner, oder fürs charakterbetonte Drama. Auch für letzteres wäre Vin Diesel keine falsche Besetzung gewesen, denn der positivste Aspekt an "A Man Apart" ist tatsächlich die erfreuliche Erkenntnis, dass dieser Mann außer extrem viel Ausstrahlung und physischer Präsenz auch genug schauspielerisches Talent mitbringt, um in einer solchen Rolle bestehen zu können. Nur schade, dass es kaum jemand zu würdigen wissen wird, denn als Zwitterwesen ohne rechtes Ziel bleibt "A Man Apart" zwischen zwei Genre-Stühlen sitzen und ist letztlich weder das eine noch das andere. Viel Potential, fast komplett verschenkt. Schade. Wirklich schade.


10
10/10

der film ist, genauso wie alle anderen filme mit vin diesel, gut :-)

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6
6/10

Kann mich der meinung von helmke nur anschließen. Echt so ziemlich auf den punkt. Aber dennoch vergebe ich ein auge mehr da ich
den film gerade wie er gemacht ist außergewöhnlich finde und bis heute einzigartig.
Vin Diesel leistet hier wirklich einen sehr guten job. Auch die anderen darsteller sind durchweg passend und verkörpern ihre rollen gut.

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