
Der erste Film ist nach rund zehn Minuten zu Ende, komplett mit Abspann. Was das Ganze sollte, weiß man zwar zunächst nicht so genau, aber die knisternde Liebesszene zwischen Peter (Jason Schwartzman) und seiner eigentlichen Ex-Freundin (Natalie Portman) war auf jeden Fall schon mal sehr nett. Und sowieso gibt es keinerlei Grund zur Beunruhigung, denn wir befinden uns schließlich im neuen Werk von Wes Anderson ("Rushmore", "Die Royal Tenenbaums", "Die Tiefseetaucher"). Da sind solch kleine Eigenwilligkeiten wie ein eigener Vorfilm vor der eigentlichen Hauptattraktion nicht nur erwünscht, sondern werden ja fast schon erwartet. Das Stammpublikum amüsiert sich und die Gefahr andere zu verschrecken ist doch eher gering. Denn auch dieser Film bedeutet mit Sicherheit nicht den Durchbruch beim Massenpublikum für den Mann mit der Vorliebe für verschrobene Charaktere.
Was nicht weiter zu bedauern ist, denn ansonsten wäre es wohl auch kein echter Wes Anderson mehr und das wäre in der Tat bedauerlich. Fühlt man sich doch kaum irgendwo so schnell behaglich aufgehoben wie in dessen dysfunktionalen Familienwelten. Wobei sich dieses Wohlgefühl seit jeher hauptsächlich auf den eher übersichtlichen Kreis der Kritiker und Kollegen aus der Filmbranche zu beschränken scheint. Die lieben ja fast grundsätzlich alle von Andersons Filmen, und die schärfste Kritik, die überhaupt noch formuliert wird, ist der schüchtern vorgetragene Einwand, dass sich eventuell und ganz vielleicht alle Anderson-Filme doch irgendwie, nun ja, ein wenig ähneln.
Um das gleich mal kurz zu prüfen: Adrien Brody ist hier neu dabei (ansonsten wird die Cast-Liste wieder von alten Anderson-Bekannten bevölkert), wir befinden uns diesmal nicht in einem Boot sondern einem Zug und die Familie beschränkt sich im Kern auf übersichtliche drei Brüder. Aber ansonsten kein Zweifel: Alles was wir in den "Royal Tennenbaums" oder den "Tiefseetauchern" zu schätzen gelernt haben, ist wieder da: Die nur nach außen hin selbstbewussten Charaktere, auf der Suche nach verlässlichen Vater- oder Mutterfiguren, die ihre Ratlosigkeit in allen Lebenslagen auch mit strengstens kontrollierten Gesichtszügen kaum verbergen können und deshalb von einer skurrilen Situation in die nächste stolpern.
Das wäre also auch die Handlung von "The Darjeeling Limited", mal generell gesprochen. Konkret verfolgen wir die Erlebnisse der drei Brüder Peter (Jason Schwartzman), Jack (Adrien Brody) und Francis (Owen Wilson) auf ihrer Reise durch Indien an Bord des titelgebenden Zuges. Während Peter also seine letzte Liebschaft (die aus dem Vorfilm) doch noch nicht so wirklich verarbeitet hat und Jack kurz davor steht Vater zu werden, scheint es vor allem um Francis schlecht bestellt. Der hat einen mysteriösen Motorradunfall nur knapp überlebt, wirkt von den dreien sowohl seelisch als auch schon äußerlich am instabilsten und hat auch den ganzen Trip initiiert. Ziel der Reise ist ein Besuch bei der gemeinsamen Mutter (Anjelica Huston), wobei das die anderen Brüder offiziell gar nicht wissen und die Dame selbst offenbar an diesem Wiedersehen auch nur bedingt interessiert ist.
Auf dem Weg, der hier ganz offensichtlich mal wieder das Ziel ist, kommt es zu Streitereien sowohl unter den Brüdern als auch mit einem genervten Zugschaffner, zu ungeahnten Begegnungen mit den Einwohnern des Subkontinents und einem tragischen Ereignis.
Dieses angesprochene Ereignis ist dann auch der Moment, in dem die Geschichte etwas ernstere Töne anschlägt und gleichzeitig auch derjenige, der die Brüder unerwartet ein ganzes Stück weiter bringt mit sich selbst, dem Leben und überhaupt allem. Es handelt sich diesmal wie erwähnt nicht um den ganz großen Anderson-Ensemblecast und so bleibt für alle weiteren Figuren neben den drei Großen nur wenig Raum. Diese spielen sich dafür aber die Seele aus dem Leib, so ungewöhnlich das bei ihrer meist stoischen Mimik auch klingen mag. Insbesondere Owen Wilson, der nahezu den kompletten Film über mit überdimensionalem Kopfverband herum marschiert, läuft hier zu ganz großer Form auf.
Trotzdem sind aber die immer wiederkehrenden Szenen, in denen alle drei gemeinsam in Großaufnahmen todtraurig in die Kamera schauen, ganz sicher die Schönsten. Einfach schön, wie mal wieder alles in Anderson-Land, von den farbenprächtigen Aufnahmen der indischen Originalschauplätze, über die erneut fein ausgewählte Musik bis zu den zahllosen Details, die auch das mehrmals Anschauen zum erhöhten Vergnügen machen dürften. Und ja, auch Bill Murray ist wieder mit dabei, obwohl er eigentlich gar nicht mitspielt.
Es mag schon sein, dass Wes Anderson mit seinem unverwechselbaren Stil nur eine Nische besetzt und nicht viel Anderes kann, als auf der Leinwand seine ganz persönlichen Marotten und Obsessionen auszuleben. Wie er das allerdings macht, seine Geschichten und Figuren dabei in kleinen Schritten immer weiter verfeinert und um neue Komponenten ergänzt (hier um den erwähnten tragischen Aspekt), das ist einfach großartig und macht ihn zu einem herausragenden Filmemacher. Und deshalb darf man auch auf seinen nächsten Film trotz aller Vertrautheit wieder sehr gespannt sein. Bis dahin bewegt sich "The Darjeeling Limited" aber schon sehr nah an der Perfektion.
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