Einen Preis haben sich Mark Neveldine und Brian Taylor, die beiden Macher von "Crank", jetzt schon verdient: Den für die beste Konzeptidee für einen Actionfilm seit Jahren. Einem Gangster wird ein Gift injiziert, das seinen Herzschlag verlangsamt und ihn dadurch umbringen wird. Seine einzige Chance, lange genug am Leben zu bleiben, um sich zu rächen: Er muss durch permanente Adrenalinkicks seinen Herzschlag hoch halten. Ein genial-einfaches Prinzip für pausenlose Action. Sobald der Held zur Ruhe kommt, ist er tot. Für den Zuschauer ist also garantiert: Wenn es langweilig wird, ist der Film vorbei. Und so liefert "Crank" in der Tat 85 überdrehte, rasante und sehr kurzweilige Filmminuten. Allerdings auch nicht mehr als das.
Jason Statham ("Snatch", "The Transporter"), mit seinem "No Bullshit"-Stil bei weitem der charismatischste in der neuen Generation von Actionhelden, spielt hier den Auftragskiller Chev Chelios, der zu Beginn des Films aufwacht und erfahren muss, dass ihm der Gangster Ricky Verona (Jose Pablo Cantillo) im Schlaf ein exotisches chinesisches Gift verpasst hat, das ihn binnen einer Stunde (oder so) umbringen wird, indem es seinen Herzschlag bis zum Stillstand reduziert. Der durchgeknallte Ganoven-Arzt Doc Miles (Dwight Yoakam) bestätigt Chev, dass ihn nur ein konstanter Adrenalinschub am Leben halten kann. Er sollte sich also besser nicht mehr ausruhen, während er seinen Mörder jagt, sich mit einer ganzen Mafia-Organisation anlegt, und gebührend Abschied von seiner Freundin Eve (Amy Smart) nehmen will.
An
Story ist das auch schon alles, und was sonst vielleicht
noch da
ist, wird ohnehin vom gnadenlosen Fahrtwind verschluckt,
den das
rasende Tempo des Films produziert. Laut der beiden
Regisseure und
Autoren ist "Crank" der ultimative Film für Leute
mit Aufmerksamkeitsstörungen, und das stimmt: Hier wird
nicht
viel erzählt, sondern nur erlebt, und die Macher geben
sich
alle Mühe, dass der Zuschauer die Sinneserfahrungen des
Helden
teilen kann. Von der ersten Sekunde an wird das Publikum
mit einem
Bilder-Feuerwerk eingedeckt, das mit Kamerafiltern,
Bildverzerrungen
und ähnlichem Schnickschnack vermitteln soll, wie sich
Chev
gerade fühlt. Wenn die Kamera mal ruhig wird, weiß man
sofort: es ist Gefahr im Verzug, Chevs Herz wird langsamer
und er
sollte sich (und uns) besser schnell den nächsten Kick
besorgen.
Der Stil erinnert an Tony Scotts Bilderrausch in "Domino",
aber was dort in seiner Überfrachtung sehr schnell nervig
und
anstrengend wurde, passt sich hier sehr gut der Story des
Films
an, die schließlich auch nach solch einer Inszenierung
schreit.
Man soll während dieses Films nicht nachdenken, und wer an
"Crank" Spaß haben will, sollte das auch tunlichst
vermeiden. Natürlich ist die schwammige Prämisse mit dem
exotischen Gift reichlich weit hergeholt, natürlich ist
viel
von dem, was man zu sehen bekommt, höherer Blödsinn, und
nach einer logischen und überzeugenden Story- oder
Charakterführung
sollte man hier gar nicht erst suchen. Dass Chev zum
Beispiel für
seine geliebte Eve angeblich seinen Job an den Nagel
hängen
und ein besserer Mensch werden wollte, kann man kaum noch
glauben,
wenn sich diese Eve dann als ziemlich unterbelichtetes,
dauerbreites
Blondchen
erweist. Bei "Crank" wird alles gnadenlos dem
Kurzzeit-Spaß
geopfert, und glaubwürdige Figuren sind da nur im Weg,
wenn
man sie stattdessen auch überzeichnen und als Komik-Quelle
nutzen kann. Und dank der Konsequenz in der Ausführung und
dem konstant hohen Tempo funktioniert das auch ganz gut.
Neveldine und Taylor treten in ihrer Inszenierung so
dermaßen
aufs Gaspedal, dass der Film teilweise noch schneller
unterwegs
ist als sein Held, der immerhin eine beachtliche Spur der
Verwüstung
hinterlässt, während er aufgeputscht von Energy Drinks,
Drogen, Elektroschocks, massenhaft Nasenspray oder wildem
öffentlichen
Sex durch Los Angeles rast. Mit eingestreuten visuellen
Spielereien
(Ortswechsel innerhalb der Stadt werden zum Beispiel durch
Zoom-Bilder
mit dem Logo von "Google Earth" verdeutlicht) versuchen
die Macher selbst da noch kleine Lacher zu ernten, wo
eigentlich
kaum welche möglich sind, und liefern so einen Film ab,
der
wirklich das meiste aus seinen eingeschränkten
Produktionsmöglichkeiten
macht. Man kann sich nur verträumt vorstellen, zu was für
einem grandiosen Radau-Spektakel "Crank" mit einem Budget
in der Größenordnung gängiger Studio-Blockbuster
hätte werden können.
Bei diesem Nonstop-Feuerwerk permanenter Thrills und Kicks
droht
allerdings fast die Achtung vor der zentralen Leistung in
diesem
Film verloren zu gehen, und das ist die von Jason Statham.
Es gibt schlichtweg keinen anderen Darsteller, den man
sich in dieser
Rolle hätte vorstellen können. Stathams Markenzeichen
ist seine Mischung aus Unerschütterlichkeit,
knochentrockenem
Humor, minimalen Gesten und der Fähigkeit, selbst dann
noch
cool zu sein, wenn er aufs Maul bekommt oder sich
lächerlich
macht (zum Beispiel mit einer Mörder-Erektion in einem
Krankenhaus-Nachthemd
über die Straße laufend). Wie schon im "Transporter"
kommt diese auch hier wieder formvollendet zum Einsatz und
unterstreicht
seinen Status als der einzige aufstrebende Actionstar, dem
man dank
seines einzigartigen individuellen Stils perfekt Rollen
auf den
Leib schreiben kann, die kaum ein anderer überzeugend
verkörpern
könnte. Statham ist fraglos der coolste Ärschetreter,
der sich derzeit auf der Leinwand rumtreibt, und könnte
noch
eine große Karriere vor sich haben.
Ihm könnte es sogar gelingen, ein paar weibliche Fans ins Kino zu locken, aber an sich ist "Crank" ein Männerfilm par excellence: Sehr schnell und sehr laut, mit ordentlich Action, Gewalt und ein paar nackten Brüsten, 85 Minuten sinnloser Spaß, über den man auch garantiert keine Sekunde länger nachdenken muss. Das ist genau genommen nicht viel, aber der Film möchte auch gar nicht mehr sein, und was er macht, das macht er gut. Für einen sinnfreien, lustigen Abend mit den Jungs gibt es jedenfalls kaum ein besseres Programm als "Crank".
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