The Company - Das Ensemble

Originaltitel
The Company
Land
Jahr
2004
Laufzeit
112 min
Release Date
Bewertung
4
4/10
von Frank-Michael Helmke / 10. Februar 2011

Dass Genie und Scheitern manchmal sehr eng beieinander liegen können, demonstriert niemand mit so trauriger Regelmäßigkeit wie Robert Altman. Als eine der großen amerikanischen Regie-Ikonen der 70er Jahre lieferte Altman mit "MASH" und "Nashville" zwei der besten Filme des Jahrzehnts ab, verschwand mit Einsetzen des Kommerzkinos von der Bildfläche und feierte 1992 dann eine gloriose Wiederauferstehung mit "The Player". Seitdem produziert Altman allerdings ähnlich viel Spreu wie Weizen: Auf der einen Seite Triumphe wie der mustergültig strukturierte Episodenfilm "Short Cuts" oder das vielschichtige Gesellschafts-Portrait "Gosford Park", auf der anderen Ausrutscher wie die verunglückte Mode-Satire "Pret á Porter" oder der konfus nichtssagende "Dr. T & the Women". Und auch der neueste Streich des Altmeisters reiht sich in die Gruppe der Enttäuschungen ein: Was ein realgetreues Portrait des Betriebes einer führenden Ballett-Truppe werden sollte, versumpft leider von Beginn an in Irrelevanz.

Das hat vor allem den Grund, dass Altman hier seine Markenzeichen-Technik mit nur sehr mäßigem Erfolg einsetzt: Eine Kamera, die Szenen wie ein zufällig vorbeigehender Beobachter einfängt, und sich stetig überlappende Dialoge mimen dokumentarischen Charakter und vermitteln ein Gefühl von Wahrhaftigkeit, als wäre man tatsächlich live dabei. Da durch die authentische Gleichzeitigkeit oftmals verschiedene Subplots in derselben Szene neben- oder hintereinander weiterlaufen, muss man als Zuschauer höllisch aufpassen - aber wenn's gelingt, wie in Altmans unbestrittenem Meisterwerk "Nashville" oder jüngst in "Gosford Park", wartet als Belohnung ein außergewöhnliches Stück Filmkunst.
Doch während sich in besagten Fällen aus dem Wirrwarr aus Personen und Gesprächen langsam ein kongenial konstruierter Plot herausschälte, bleibt "The Company" nicht viel mehr als loses Stückwerk, das die meiste Zeit kaum besser aussieht als eine konzeptlos zusammengeschnittene Doku über das Innenleben des Chicago Joffrey Ballet. Diese berühmte Truppe steht im Zentrum von "The Company", der auf einer Idee von Hauptdarstellerin Neve Campbell ("Scream") beruht, als Heranwachsende selbst ein großes Ballett-Talent, das hier jetzt eigene Erfahrungen verarbeitet. Als Ballerina Ry hält Campbell hier mehr schlecht als recht die verschiedenen Handlungsstränge zusammen, die jedoch allesamt zu substanzlos daherkommen, um irgendeine Form von organischem Ganzen zu ergeben. Ohne klare Linie oder erkennbares Konzept fängt der Film mal hier, mal da ein paar Impressionen aus dem Tanz-Alltag ein, dokumentiert brav das anstrengende Training, die Verletzungsgefahr, den Konkurrenzdruck und all die anderen Kleinigkeiten, die das harte Dasein eines professionellen Tänzers ausmachen. Company-Chef Alberto Antonelli (Malcolm McDowell) huscht immer mal wieder durchs Bild, wechselt fließend zwischen verständnisvollem Truppen-Papi und herrisch kommandierendem Ekel, und hat bei der verbalen Vermittlung seiner künstlerischen Visionen ähnlich viel Erfolg wie der neu engagierte Star-Choreograph - nämlich gar keinen. Verständnislos reagieren die meisten Tänzer auf das abgehobene Geschwafel ihrer Regisseure, und man kommt nicht drum herum, als Zuschauer eine ähnliche Einstellung zu Altmans Bemühungen zu entwickeln: So sehr man sich auch bemüht bei der Suche nach einer substantiellen Aussage, sie lässt sich einfach nicht finden.
So wundert man sich dann irgendwann, ob Neve Campbells Idee für diesen Film eigentlich jemals so etwas wie eine richtige Story besaß, denn auch die Erlebnisse von Ry entbehren größtenteils einem dramatischen Bogen. Mehr so nebenbei (wie eigentlich alles in diesem Film) steigt sie von einer Prestige-trächtigen Rolle zur nächsten auf und tanzt bei der abschließenden Premiere auch den wichtigsten Part, der Film versucht allerdings nicht mal, diesen Aufstieg irgendwie zu dramatisieren und für einen Spannungsbogen zu nutzen. Dass man hier quasi dokumentarisch arbeiten wollte ist offensichtlich, was jedoch an Plot übrig bleibt, wäre selbst bei einer wirklichen Dokumentation über ein Jahr am Joffrey Ballet gehaltvoller ausgefallen. Noch schlimmer: Manche Nebenfiguren birgen das Versprechen wirklich interessanter Geschichten, werden aber nach zwei drei Szenen achtlos in der Ecke stehen gelassen. So verpufft die Wirkung der wenigen Konfliktszenen wegen der mangelnden Bindung zu den Figuren: Ab einem gewissen Punkt interessiert schlichtweg nicht mehr, was passiert, weil man keine realistische Chance bekommen hat, die Akteure richtig kennen zulernen.
Einzig positiv zu vermerken bei all diesen losen Impressionen aus dem Tänzer-Leben sind einige Aspekte, die glatt poliertere Ballett-Filme wie "Center Stage" gerne aussparen, zum Beispiel dass viele dieser professionellen Tänzer von ihrem Job nicht richtig leben können. Ry arbeitet nachts als Kellnerin in einer Disco, um die Miete für ihre Wohnung aufbringen zu können, andere Tänzer campieren gleich im halben Dutzend auf dem Fußboden einer gemeinsamen Bleibe, weil's für mehr nicht reicht. Bei jedem Sprung droht eine karrieregefährdende Verletzung, und spätestens mit 30 ist man so gut wie weg vom Fenster.

Ein weiterer Grund, warum "The Company" plotmäßig nie in Schwung kommt, ist die extensive Berücksichtigung von Ballett-Performances, die fast die Hälfte der gesamten Spielzeit ausmachen. Stoßen sie in ihrer Länge zunächst etwas unangenehm auf, eben weil sie vermeintlich der Grund sind, warum die Handlung sich kaum vorwärts bewegt, wandeln sie sich bis zum Ende zur tatsächlichen Existenzberechtigung von "The Company", denn im Gegensatz zum Rest des Films können diese Vorstellungen für sich genommen enorm begeistern: Wundervoll choreographierte und ausgeführte Tanznummern erwarten den Zuschauer, und durch ihre Anzahl und Länge können sie zumindest zeitweise für Begeisterung im Kinosaal sorgen. Sinn und Zweck eines Films über eine Ballett-Truppe kann aber nicht allein die Inszenierung von Tanznummern sein, denn dafür geht man schließlich ins richtige Ballett, nicht ins Kino. Das ist jedoch alles, was bei "The Company" an Bemerkenswertem übrig bleibt. Der Rest scheint noch inhaltsleerer, als er ohnehin schon ist. Gerade bei jemandem, der über so viel geballte Handlungsvermittlungskompetenz verfügt wie Robert Altman, ist das ein bisschen sehr wenig.


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