Clerks - Chasing Amy

Originaltitel
Clerks - Chasing Amy
Land
Jahr
1994
Laufzeit
111 min
Genre
Regie
Bewertung
von Frank-Michael Helmke / 14. November 2010

In diesem Jahrzehnt der Mega-Millionen-Mammut-Budgets gelang es zwei Filmen, einen gewissen Bekanntheitsgrad allein aufgrund ihrer (sehr geringen) Produktionskosten zu erreichen. Der eine soll hier Erwähnung finden, wenn ich zum Buchstaben E komme, der andere war „Clerks“ von Kevin Smith. 1994 für die absolut lächerliche Summe von 25.000 Dollar hergestellt, war der in kostengünstigem Schwarz/Weiß gedrehte Film der erste, der eine NC-17-Freigabe (dem amerikanischen Äquivalent zu einem „Ab 18“ der FSK) NUR aufgrund seiner Sprache erhalten sollte. Dies allein sollte verdeutlichen, mit welchem unverblümten Straßenjargon hier gearbeitet wurde, das für den Film aber auch essentiell ist.

 


„Clerks“ erzählt einen Tag im Leben von Dante. Dante ist ein ziemlich Verlierer, der es nach der High School nicht lange auf dem College gebracht hat, in seinem verschlafenen Heimatstädtchen in New Jersey hängenblieb und jetzt in einem Mini-Supermarkt jobbt. Heute ist eigentlich sein freier Tag, aber sein Kollege ist krank, und so muß er sich aus dem Bett quälen und an seinem freien Tag arbeiten gehen. Problem Nr. 1: Die Automatik der Stahljalousien an den Ladenfenstern ist defekt, so daß Dante ein riesiges Bettlaken nimmt und mit Schuhcreme drauf schreibt: „I ASSURE YOU WE’RE OPEN!“. Der Tag fängt also ziemlich beschissen an. Und er wird nicht besser. Im Verlaufe des Tages muß sich Dante nicht nur mit absolut verrückten Kunden rumschlagen (ein Typ ist auf der Suche nach den zwölf perfekten Eiern). Er durchlebt eine schwere Sinnkrise, als er erfährt, daß eine Ex-Freundin von ihm demnächst heiratet und er noch nicht einmal zur Hochzeit eingeladen ist; er verkracht sich mit seiner momentanen Freundin, weil die beiden sehr unterschiedliche Meinungen über die Bedeutsamkeit eines Blow-Jobs haben; und zu allem übel scheint das für den Nachmittag geplante Hockey-Spiel mit seinen Freunden zu platzen, da er ja arbeiten muß. Einzige Abwechslung bieten die Besuche seines Kumpels Randal, der im Videoladen nebenan jobbt, das aber nicht sonderlich ernst nimmt, und daher die meiste Zeit bei Dante rumhängt, anstatt sich um seine Kunden zu kümmern. Die beiden führen dann hochphilosophische Diskussionen um Dinge wie: Wenn in „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ der zweite Todesstern noch im Bau befindlich war, bedeutet das dann nicht, daß bei dessen Vernichtung eine Unmenge an sich unschuldiger Handwerker umgebracht wurden, die eigentlich nur ihrem Lebensunterhalt nachgingen?

Die Gesamtzahl der abgedrehten Themen aufzuführen, die in diesem genialen „Talkie movie“ besprochen werden, würde diese Site sprengen. Auf jeden Fall ist jeder der auftauchenden Charaktere zum brüllen komisch, die Dialoge haben ein herrliches Tempo und die tatsächliche Alltäglichkeit des Ganzen setzt der Geschichte die Krone auf. Gott sei Dank fand „Clerks“ keinen großen deutschen Verleiher, der einen absurden Synchronisationsversuch unternommen hätte, und so ist uns dieses grandiose Independent-Meisterwerk als OmU erhalten geblieben, daß in so manch einer Videothek recht unbemerkt vor sich hin verstaubt. Aber wer es einmal gesehen hat, der liebt es.

Nach dem Erfolg von „Clerks“ standen Kevin Smith nun auch Mittel und Wege zur Verfügung, um ein paar „größere“ Filme zu machen, d.h. mehr oder weniger, daß seine folgenden Werke immerhin in Farbe waren. Sein zweiter Streifen „Mallrats“ war ein einziger Flop und, verglichen mit Vorgänger und Nachfolger, auch nicht besonders gut. Smith begang den Fehler, Typen und Konzept von „Clerks“ aufzuwärmen, diesmal aber mit einem richtigen Plot zu versehen, der aufgrund zahlreicher Klischees ziemlich in die Hose ging. Er entschuldigte sich dann auch bei einem Independent Film-Festival öffentlich für diesen Fehltritt, den er bei nächster Gelegenheit wettmachen wollte. Was er auch tat.



Der dritte Film von Kevin Smith und Abschluß seiner „New Jersey – Trilogie“ war „Chasing Amy“. Was die drei Filme gemeinsam haben: Sie spielen alle (zumindest zeitweise) in Smith’s Heimat, enthalten daher auch Referenzen auf sich selbst (so wird in „Chasing Amy“ z.B. das Ende von „Clerks“ erwähnt, aber nicht als Filmende, sondern als tatsächliche Begebenheit), und durch alle drei Filme stolpert an mindestens einer Stelle das Drogendealer-Duo Jay und Silent Bob (letzterer gespielt von Smith höchstpersönlich). Beim dritten Teil besann sich Smith wieder auf seine Stärken, die ganz einfach darin liegen, daß er einer der begnadetsten Dialogschreiber unter der Sonne ist, und die Aufmerksamkeit des Zuschauers auch nicht großartig von diesen Dialogen abzulenken versucht. Das bedeutet zwar etwas monotone Kameraarbeit, aber wenn das wichtigste an einem Film die Dialoge sind, dann will man auch nichts anderes sehen. 

In „Chasing Amy“ geht es um die beiden Freunde Holden und Banky (Ben Affleck und Jason Lee), die zusammen eine Comic-Serie herausbringen, und deren Arbeit und (freundschaftliche) Beziehung ganz schön durcheinander gewirbelt wird, als sie auf einer Messe die Comic-Zeichnerin Alyssa kennenlernen. Alles weitere werde ich nicht verraten, denn jede zusätzliche Information würde mindestens einen extrem guten Gag versauen, und das möchte ich wahrlich niemandem antun. Nur soviel sei gesagt: Die Charaktere sind wieder absolut herrlich; die Witze kommen phantastisch; der Wortschatz ist erneut alles andere als politisch korrekt; es wird auch hier über Gott und die Welt diskutiert (und auch „Star Wars“ darf wieder für einen der besten Brüller des Films herhalten); und am Ende gipfelt alles in eine Beziehungskomödie, die zum richtigen Zeitpunkt aufhört, eine Komödie zu sein, und statt dessen auf unglaublich effektvolle Weise demonstriert, wie schmerzhaft wahre Liebe sein kann. Wer „Chasing Amy“ gesehen hat, dem wird erst so richtig die ganze Oberflächlichkeit deutscher Komödien dieser Art klar. Das wahre Leben ist ganz anders. Es tut vielleicht mehr weh, aber wenigstens ist es echt.

Was für „Clerks“ galt, gilt für „Chasing Amy“ erst recht: You’ll see it, you’ll love it. Gerade weil „Chasing Amy“ so viel mehr ist als eine bloße Komödie über die Irrungen und Wirrungen der Liebe in den Neunzigern erobert der Film die Herzen seiner Zuschauer im Sturm. 

Wer eine vollkommene Abneigung gegen „Talkie movies“ hat und schon immer der Auffassung war, Filme mit Gefühl wären nur was für Frauen, der kann sich ja mal wieder „Armageddon“ ausleihen. Den anderen, die bereit sind, sich an Dialogen jenseits der Genialität zu erfreuen und gleichzeitig eine wahnsinnig witzige Alltagsstudie sowie eine wundervoll beobachtete Beziehungskomödie zu erleben, denen sei die große Kunst des Kevin Smith ans Herz gelegt, mit Clerks (1994) und Chasing Amy (1997)


10
10/10

Seid doch froh, dass es Clerks nicht in synchronisierter Fassung gibt. Deutsche Fassungen von ausländischen Komödien (und vielen anderen Filmen) sind in der Regel grottenschlecht. Schaut euch nur mal die aneren Kevin-Smith-Filme an. Dann doch lieber im Original mit Untertiteln. Nachdem Clerks jetzt endlich auch in Deutschland auf DVD erschienen ist, bin ich froh, daß man den Film nicht nachträglich synchronisiert hat. Ansonsten ist hier über die Filme von Kevin Smith wohl alles wichtige geschrieben worden.

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