Ein Bourne-Film mit der Hauptfigur zwar im Titel, aber ohne sie dann auch wirklich dabeizuhaben? Das klingt natürlich schon ein wenig nach Etikettenschwindel und verbreitet daher erstmal ein gewisses „Geschmäckle“. Zwar gibt es auch zum „Bourne-Vermächtnis“ eine Buchvorlage, doch hat man sich bei den Kino-Adaptionen ja noch nie besonders stark an die Romane gehalten und dieses Mal gibt es dann praktisch überhaupt keine Gemeinsamkeiten mehr. Aber immerhin: Mit dem vom Drehbuchautor zum Regisseur aufgestiegenen Tony Gilroy sowie sämtlichen Nebenfiguren des CIA-Handlungsstranges sind jede Menge alte Bekannte wieder dabei und zudem schließt die Geschichte auch direkt an das ursprünglich mal als Finale gedachte „Ultimatum“ an und führt sie konsequent undt interessant weiter.
Denn die Aktionen der in drei Filmen von Matt Damon verkörperten Figur Jason Bourne haben natürlich Auswirkungen auf die diversen geheimen Programme des amerikanischen Geheimdienstes. Mit der „Operation Outcome“ hat man aktuell eines ins Laufen gebracht, bei dem die dafür ausgewählten Probanden noch weit stärker genetisch manipuliert und mit speziellen Fähigkeiten ausgestattet werden. Vor allem auf Betreiben des rücksichtslosen CIA-Agenten Byer (Edward Norton) entschließt sich die Führungsebene aber, in dieser Situation des öffentlichen und medialen Drucks das komplette Programm auf radikale Weise zu stoppen: Alle sich noch im Programm befindlichen Agenten sowie daran beteiligte Wissenschaftler werden liquidiert. So muss auch die Ärztin Dr. Marta Shearing (Rachel Weisz) schnell feststellen, dass ihr Überleben bei einem Attentat vom ehemaligen Arbeitgeber eher als Unglück betrachtet wird und sie fortan eine lebende Zielscheibe ist. Zur Seite springt ihr jedoch einer ihrer ehemaligen Patienten, der der Eliminierung ebenfalls nur knapp entkommene Agent Aaron Cross (Jeremy Renner). Der ist abhängig von bestimmten Medikamenten, die Marta ihm besorgen soll. Doch Byer und seine Leute sind den beiden dank ihrer technischen Möglichkeiten stets hautnah auf den Fersen.
Obwohl es eigentlich ausgesprochen logisch klingt, dem Drehbuchautor der drei Vorgängerfilme (der sich zudem mit „Michael Clayton“ und „Duplicity“ auch bereits einige Meriten als Regisseur erworben hat) die Inszenierung der neuen „Bourne“-Episode zu übertragen, war diese Entscheidung für Tony Gilroy kein Selbstgänger. Erst nach langem Hin und Her stand schließlich fest, dass weder Matt Damon noch Paul Greengrass, der gefeierte Regisseur der letzten beiden Filme, erneut dabei sein und es daher einen fast kompletten Neustart geben würde. Doch Gilroy beherrscht auch das Thrillerhandwerk hinter der Kamera, setzt seine Actionsequenzen dabei sehr dosiert, aber effektiv ein und spendiert erst zum Ende hin noch eine richtig aufwändige Verfolgungsjagd. Und nicht wenige werden sich wohl sogar ausdrücklich darüber freuen, dass die berühmt-berüchtigte wackelige Handkamera dieses Mal fast komplett im Koffer bleibt und uns die Bilder etwas konventioneller präsentiert werden.
Es dauert dabei eine gute Dreiviertelstunde, bevor endgültig klar ist worauf das Ganze hier hinauslaufen soll, aber von da an ist es dann eigentlich eine recht simple „Hit & Run“-Story, die allerdings einiges an Spannung aus den Talenten der beiden Parteien zieht. Hier die technisch überlegene Komplettüberwachung durch die Regierungsbehörde, der praktisch keine Bewegung entgeht, und auf der anderen Seite ein Flüchtling, der eben auch etwas mehr drauf hat als das durchschnittliche Opfer der Männer in den schwarzen Anzügen.
Jeremy Renner ist mit der Rolle des Aaron Cross nun wohl endgültig auf der A-Liste des Blockbusterkinos angekommen, nachdem er innerhalb eines Jahres bereits den Partner von Tom Cruise im letzten „Mission Impossible“ geben durfte und als „Hawkeye“ auch noch Teil des dieses Jahr finanziell erfolgreichsten Films überhaupt war. Renner mag rein optisch nicht die offensichtlichste Wahl als Lead in einem großen Actionfilm sein, verleiht seiner Figur aber dafür eine kraftvolle, fast biestige Ausstrahlung. Seine Aktionen bleiben stets nachvollziehbar, er tritt nie glatt sondern stets etwas bärbeißig auf und beginnt erfreulicherweise auch nicht sofort eine aus dem Drehbuch-Himmel gefallene Liebesgeschichte mit der sich ihm anvertrauenden Dame.
Da diese von Rachel Weisz („Der ewige Gärtner“, „The Fountain“) gespielt wird, steht aber sowieso nicht zu befürchten, dass wir es hier mit einem nur zum Kreischen und gerettet werden nötigen Anhängsel zu tun bekommen. Trotzdem ist dies eine Rolle, in der Weisz verhältnismäßig wenig gefordert wird. Edward Norton ist dann als eiskalter Bürokrat, der mit einer knappen Order diverse Leben ihm ehemals gut vertrauter Menschen auslöscht, erwartungsgemäß auch sehr passend besetzt, während die uns bereits aus den Vorgängerfilmen vertrauten Figuren von David Strathairn, Albert Finney und Joan Allen diesmal nicht allzu viel zu tun bekommen und wohl hauptsächlich als Bindeglied fungieren.
Insgesamt kann das „Bourne-Vermächtnis“ die anfänglichen Bedenken in Richtung pure Geldschneiderei recht überzeugend entkräften. Die Regie ist kompetent, die Besetzung überdurchschnittlich und die Geschichte macht schon Sinn, auch wenn man sich eventuell doch fragt, ob denn eine immerhin noch irgendwo den Gesetzen und Werten einer Demokratie verhaftete Einrichtung wie die CIA wohl tatsächlich derart radikal auch die unbedeutendsten Mitwisser liquidieren würde. Davon abgesehen macht der Film aber ziemlich viel Spaß, drosselt im Vergleich zu den Vorgängern zwar etwas das Tempo, langweilt über die mehr als zwei Stunden Laufzeit aber nie. Das Ende kommt dann sogar etwas abrupt, lässt so aber natürlich auch wieder Raum für eine weitere Fortsetzung. Die muss zwar nicht unbedingt kommen, dürfte es aber durchaus.
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