Den ersten Teaser für diesen Film gab es schon vor vier Jahren. Damals hängte der Ehemals-Comicverlag-jetzt-Filmproduzent Marvel an die Verfilmung seines Superhelden-Comics "Iron Man" nach dem Abspann noch eine kurze Szene an, in der Tony Stark von einem gewissen Nick Fury (alias Samuel L. Jackson) angesprochen wurde. Was zunächst nur ein Testballon sein sollte, entwickelte sich nach dem euphorischen Fan-Echo und vor allem mit dem bombastischen Erfolg des "Iron Man"-Films sehr schnell zu einem festen Plan: Marvel wollte sein gebündeltes Superhelden-Kollektiv, das in Comic-Form zum ersten Mal 1963 gemeinsam aufgetreten war, zusammen auf die Leinwand bringen. Solch ein Mega-Projekt wollte natürlich gut vorbereitet und sein und war zugleich überzeugendes Argument, nach dem zweiten Leinwandversuch des "Unglaublichen Hulk" (ebenfalls 2008) auch noch den Donnergott "Thor" und den Kriegspropaganda-Helden "Captain America" mit einem eigenen Film zu beehren, um die Mannschaft komplett zu haben.
Was die Herausforderung für "The Avengers" nicht gerade schmälerte, denn vier etablierte Superhelden gleichwertig in einen Film zu integrieren, und dabei immer noch einen eigenständigen (also ohne vier Filme als notwendiges Vorwissen genießbaren) und überzeugenden Action-Blockbuster hinzubekommen - das ist wahrlich keine leichte Aufgabe. Und damit betraute man dann auch noch jemanden, der als Kino-Regisseur erst einen einzigen Film vorzuweisen hatte. In Fankreisen allerdings war Joss Whedon von Anfang an über jeden Zweifel erhaben, hatte er sich als Schöpfer der TV-Kultserien "Buffy" und "Firefly" doch quasi schon selbst den Status eines Halbgotts erarbeitet. Und alle womöglich noch verbliebenen Restzweifler, ob er dieses Mammutprojekt würde stemmen können, werden nun spätestens vom Endergebnis überzeugt. Denn "The Avengers" ist so ziemlich alles geworden, was man sich davon nur erhoffen konnte. Ein epochaler Comic-Film, die brillante Verschmelzung aller Marvel-Helden in eine perfekte filmische Symbiose, der vermutlich cleverste und kurzweiligste Blockbuster dieses Kinojahres. Kurz und gut: Ein absoluter Triumph. Und zwar vor allem der Triumph von Joss Whedon.
Der hat es sich hier wirklich nicht leicht gemacht, denn als wären vier Superhelden (Iron Man, der Hulk, Thor und Captain America), ein Superchef (Nick Fury als Kopf der Welt-Beschützungsorganisation S.H.I.E.L.D.) und ein Superbösewicht (Loki, der aus "Thor" bereits etablierte Halbgott und Halbbruder des Hammer-schwingenden Donnergotts) nicht schon genug, wirft Whedon auch noch zwei Superagenten mit in die Waagschale: Die aus "Iron Man 2" schon bekannte 'Black Widow' (Scarlett Johansson) und das in "Thor" nur kurz aufgetauchte, mit einem Hightech-Bogen bewaffnete Adlerauge 'Hawkeye' (Jeremy Renner). Die geballten Kräfte des Guten werden - mehr oder weniger freiwillig und allgemein eher wenig begeistert von der Aussicht auf Zusammenarbeit - von Nick Fury zusammengetrommelt, nachdem sich der böse Loki eines (aus "Captain America" bekannten) kosmischen Energiewürfels bemächtigt hat. Der kann quasi als Sternentor dienen und ermöglicht es Loki, eine außerirdische Armee des Grauens auf die Erde zu lotsen, mit der er sich den Planeten Untertan machen will. Bei so einer Bedrohung braucht es schon mehr als einen Superhelden, um dieses unerquickliche Szenario noch abzuwenden. Allerdings muss man diese Superhelden mit ihren eigenwilligen Persönlichkeiten erst einmal dazu bringen, auch zusammen und nicht gegeneinander zu kämpfen....
Was an "The Avengers" als erstes überrascht, ist wie wenig gehetzt der Film erscheint. Hätte man eigentlich erwartet, dass der Plot sich gar nicht genug damit beeilen kann, seine Heldentruppe zusammenzubringen, so wählt Whedon erstaunlicherweise den fast gegensätzlichen Ansatz und lässt sich genau damit richtig viel Zeit. Als gemächlich muss man die erste Stunde von "The Avengers" daher zwar noch lange nicht bezeichnen. Aber wenn man sich ansieht, wieviel Krawall vergleichbare Blockbusterfilme schon in ihrer ersten Hälfte schlagen aus der nackten Angst heraus, ihr Publikum unbedingt bei Laune halten zu müssen, ist es geradezu mutig und bewundernswert konsequent, wie lässig sich "The Avengers" stattdessen erstmal sein eigenes Tempo leistet und in aller Ruhe seine Figuren und ihre Befindlichkeit einführt. Es dauert tatsächlich geschlagene 50 Minuten, bis sich die Heldentruppe das erste Mal geschlossen in einem Raum gegenüber steht. Um sich dann erstmal zünftig in die Haare zu kriegen.
Dies ist es dann auch, was an "The Avengers" richtig schön Laune macht, bevor die fette Action los geht: Wie Whedon mit seinem unnachahmlichen Dialogstil den maximalen Unterhaltungswert aus den grundverschiedenen Persönlichkeiten seiner Superhelden extrahiert und diese dann mit großer Lust am Wortgefecht aufeinanderprallen lässt. Man muss in der Tat sehr lange nachdenken um sich an einen Blockbuster-Film zu erinnern, der derart gepfefferte und clevere Dialoge hatte. In dieser Hinsicht ist "The Avengers" absolut classical Whedon. Wer mehr als eine Folge von "Buffy" oder "Firefly" gesehen hat, wird sofort Whedons typische gewitzte Ironie wiedererkennen und die unnachahmliche Art, wie er seine vor Selbstbewusstsein strotzenden Figuren mit kleinen Momenten der Verlegenheit immer wieder auf ein zutiefst menschliches Maß gesundschrumpft. Und wenn Joss Whedon Dialoge für einen so herrlich eingebildeten Profilneurotiker wie Tony Stark schreibt, dann kann dabei nur eine große Tüte voll Spaß herauskommen.
Doch auch wenn die Versuchung natürlich groß (und auch spürbar) ist, die schillernde Persönlichkeit des "Iron Man" mit dem herausragenden Charisma von Robert Downey jr. auch hier in den Fokus zu rücken, so widersteht Whedon ihr erfolgreich und lässt seine gesamte Heldenschar würdig zur Geltung kommen. Hier kommt niemand zu kurz, niemand spielt die zweite Geige, und es ist eine wahre Meisterleistung, wie elegant Whedons Drehbuch die verschiedenen Persönlichkeiten der Superhelden austariert, so dass der Film geschmeidig immer wieder die Tonalität wechselt, abhängig davon, welcher Held die aktuelle Szene dominiert: Der ewig ironisch-distanzierte Tony Stark, "Captain America" Steve Rogers mit seiner überernsten 'Was gibt es da zu Lachen, wir müssen die Welt retten!'-Mentalität, der mit halbgöttlichem Pathos agierende Thor oder der aus Angst vor seiner eigenen Wut immer sehr zurückhaltende "Hulk" Bruce Banner (nur ganz kurz übrigens ein explizites Lob an Mark Ruffalo, der an Stelle des wegen "künstlerischer Differenzen" ausgeschiedenen Edward Norton diesen Part übernahm und tatsächlich die bis dato beste weil nuancierteste Verkörperung von Bruce Banner bietet).
Gleichzeitig bleibt auch die Handlung stets spannend und kaum vorhersehbar, da die Superhelden-Truppe lange Zeit erfolglos rätselt, was der vermeintlich sehr passive Loki eigentlich genau für einen Plan verfolgt. Bis sich die Situation dann dramatisch zuspitzt und alles auf einen kolossal-bombastischen Showdown hinausläuft, bei dem einem mehr als einmal der Mund offen stehen bleibt. Spätestens hier beweist Whedon dann auch wahre Meisterschaft in Sachen Inszenierung und vollendet seine höchst elegante Temposteigerung. Denn tatsächlich ist "The Avengers" auch deshalb ein 140-Minuten-Film ohne Hänger, weil Whedon den Film so geschickt mit bewusster Gemächlichkeit anlaufen lässt, um dann behut- und wirksam immer mehr anzuziehen, bis zum fulminanten Finale. Ein Lehrstück in Sachen Pacing, wo andere Filme viel zu früh soviel Pulver verschießen, dass sie ihr Publikum schon lange vor dem eigentlichen Höhepunkt taub geschossen haben. Mit spielerischer Leichtigkeit gelingt es Whedon dann sogar noch, mitten im überbordenden, hochdramatischen Spektakel seines halbstündigen Super-Showdowns den besten Lacher des ganzen Films unterzubringen. Schlicht genial.
Die handwerkliche Meisterleistung des Regisseurs findet schließlich ihre Vollendung in der äußerst gelungenen 3D-Verwendung. Auch Joss Whedon ist zwar kein James Cameron, doch seit "Avatar" hat es kaum ein Regisseur verstanden, seinen 3D-Film so wirksam in Szene zu setzen, um dem Zuschauer auch wirklich das Raumgefühl zu vermitteln, für das diese Technologie gemacht ist. Hier ist die dritte Dimension ein echter Mehrwert und trägt ihren entscheidenden Teil dazu bei, das Publikum wirklich in dieses atemberaubende und visuell berauschende Superhelden-Universum hineinzuziehen.
Wenn man unbedingt an den "Avengers" herummäkeln will, kann man sich höchstens an der relativ gemütlichen ersten Stunde aufhängen. Doch ansonsten muss man konstatieren, dass Joss Whedon ein extrem schwieriges Projekt übernommen hat, und bei dieser Herausforderung hat er alles richtig gemacht. Mit großem Respekt und viel Liebe für die verschiedenen Heldenfiguren lässt er alle Charaktere glänzen, anstatt sie in Action zu ersticken, hält seine Geschichte über zwei Stunden interessant und spannend und liefert schlussendlich ein Action-Crescendo, das dieses Jahr nur schwer zu überbieten sein wird. "The Avengers" ist ein grandioses Comic-Action-Epos mit Herz und Hirn, und definitiv einer der besten Filme des Jahres.
Neuen Kommentar hinzufügen