Zettl - Unschlagbar charakterlos

Jahr
2012
Laufzeit
109 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
4
4/10
von Volker Robrahn / 31. Januar 2012

Den Namen Helmut Dietl umweht hierzulande nach wie vor etwas, dass man vielleicht am Besten mit dem Begriff „Ehrfurcht“ beschreiben kann. Angefangen mit seinen Fernsehserien „Monaco Franze“ und „Kir Royal“ und gefolgt von Kinofilmen wie Zettl„Schtonk!“ oder „Rossini“ schuf Dietl in den achtziger und neunziger Jahren gleich mehrere herausragende Werke in einer Kategorie, die man den Deutschen gemeinhin gar nicht so zutraut, nämlich der intelligenten und scharfsinnigen Satire. Geschwärmt wird von der Inszenierungs– und Dialogkunst Dietls immer noch, seit einiger Zeit allerdings hauptsächlich im internen Kreis der Branche, wo sich nach wie vor so ziemlich jeder darum reißt in einem Dietl-Film mitwirken zu dürfen und man bei Gesprächen mit Schauspielern unisono zu hören bekommt, wie perfekt und auf den Punkt gebracht dessen Drehbücher schon von der allerersten Fassung an seien. Die Kritiker und vor allem auch das Publikum konnte der Meister zuletzt jedoch immer weniger für sich einnehmen, die Pausen zwischen den Werken wurden länger und sowohl „Late Show“ als auch „Vom Suchen und Finden der Liebe“ ließen leicht enttäuschte bis ratlose Gesichter zurück. Insofern ist es also irgendwo konsequent und folgerichtig, dass bis zum nächsten neuen Film „Zettl“ nun sogar sieben Jahre vergingen und dass dieser leider die Abwärtsspirale des einstigen deutschen Vorzeige-Filmemachers weiter fortführt.

ZettlDabei durfte man eigentlich guter Hoffnung sein, sorgte doch die Nachricht, dass Dietl sich an eine Art Fortsetzung seiner populären „Kir Royal“-Geschichten machen würde, für nicht wenig Vorfreude. Waren diese sowohl leicht bösen als auch charmanten Einblicke in die damalige Münchener Schickeria doch tatsächlich ein einsamer Leuchtturm in den ansonsten seichten Gewässern bundesdeutscher Fernsehunterhaltung und selbst bei denen beliebt, die darin so trefflich aufs Korn genommen wurden. Eine aktuelle Version, die nun natürlich den seither verschobenen Schwerpunkten in der Welt der Reichen, Schönen und Möchtegern-Berühmtheiten Rechnung trägt und daher folglich in der zu neuer Blüte gekommenen Metropole Berlin spielt, das ist doch eigentlich der Stoff aus dem die Träume aller Freunde der gepflegten Satire gemacht sind.

Und „Zettl“ ist auch tatsächlich ganz konkret in der Welt des einst von Franz-Xaver Kroetz verkörperten Promi-Journalisten Baby Schimmerlos angesiedelt. Da der jedoch nicht zu einer Mitwirkung zu überreden war, hat man sich folgendes Szenario ausgedacht und erzählt es uns zur Einführung in einer etwas unbeholfenen Cartoon-Sequenz: Der steinreiche Schweizer Unternehmer Urs Doucier (Ulrich Tukur) hat den Plan, im hippen Berlin eine neue Klatsch- und Kulturzeitung herauszubringen, die den grandiosen Namen „The New Berliner“ tragen soll. Als Chefredakteur war dafür eigentlich besagter Baby Schimmerlos vorgesehen, den wir aber deshalb nicht zu Gesicht bekommen, weil er grade einem Motorradunfall erlegen ist und nun unter die Erde gebracht werden muss. Ebenfalls vor Ort sind aber immerhin Babys alte Weggefährten Herbie (Dieter Hildebrandt) und Mona (Senta Berger) und die besten Chancen auf den Job als neuer Chef-Promireporter rechnet sich ausgerechnet der Chauffeur Max Zettl (Michael Bully Herbig) aus, dem es auch tatsächlich gelingt den Geldgeber von seinen Fähigkeiten zu Zettlüberzeugen. Und die Gelegenheit für aufsehenerregende Storys scheint günstig, ist doch der Bundeskanzler (Götz George) aufgrund einer mysteriösen Erkrankung seit Tagen von der Bildfläche verschwunden und die ersten potentiellen Nachfolger bringen sich in Position, angeführt von schwäbelnden Ministern (Harald Schmidt) und Berliner Bürgermeistern (Dagman Manzel) werden munter Pläne und Intrigen gesponnen, was deshalb sehr erfolgversprechend scheint, da hier praktisch jeder irgendwo Dreck am Stecken hat, der nur darauf wartet enthüllt zu werden. Da trifft es sich außerdem gut, dass sich der benebelte Kanzler mit dem bisher noch unbedeutenden Herrn Zettl eine gemeinsame Geliebte (Karoline Herfurth) teilt.

Wie, das klingt aber etwas unglaubwürdig? In der Tat, und das ist es auch, wie so ziemlich jeder der unglaublichen Zufälle und all die nützlichen Verbindungen der einzelnen Figuren untereinander, die sich Altmeister Dietl und der zur Verstärkung ins Boot geholte Bejamin von Stuckrad-Barre für ihr gemeinsames Drehbuch so zusammengereimt haben. Der Versuch, all die Themen und Marotten, welche der Politik- und Medienzirkus im „Raumschiff Berlin“ zweifellos anbietet, in knapp zwei Stunden zu packen, führt dann im Ergebnis dazu, dass hier die Skandale und Sensationen praktisch im Minutentakt verabreicht werden, vom sterbenden Bundeskanzler bis zur Geschlechtsumwandlung der Berliner Bürgermeisterin, von völlig außer Kontrolle geratenen Talkshows bis zu Ministern die sich bei jeder Gelegenheit willige Mätressen aufs Zimmer bringen lassen. Was zwangsläufig dazu führt, dass die ohnehin stark überzeichneten Charaktere und Situationen mit zunehmender Laufzeit ob der Überdosierung meist wirkungslos verpuffen und einen ziemlich unberührt lassen.

Was in der ersten halben Stunde noch recht amüsant  beginnt und auch durchaus immer wieder einen vermutlich recht zutreffenden Blick auf nur leicht verklausulierte Berliner Befindlichkeiten wirft (als Beispiel sei die gelungene Parodie von Talkshows der Marke Sabine Christiansen/Anne Will genannt), entwickelt sich mit fortschreitender Laufzeit zu einer völlig absurden Farce, für die im Grunde nur noch das Wort „Groteske“ verwendet werden kann.

ZettlOb das so gewollt und beabsichtigt war, darf aber bezweifelt werden, denn dazu fallen die erste und die zweite Hälfte des Films viel zu stark auseinander und ergeben keinesfalls ein rundes oder gar stimmiges Ganzes. Feine und subtilere Gags, wie den köstlichen Text der Grabrede für Baby Schimmerlos oder die stets als Begleitmusik im Hintergrund zu vernehmenden Töne der deutschen Nationalhymne sobald unser aller Kanzler oder dessen Amtssitz ins Bild kommen, sucht man im weiteren Verlauf dann vergeblich und rutscht zunehmend genervt im Sitz hin und her, angesichts dieser Überdosis an völlig überzogenen Albernheiten. Die in der hier dargebrachten Form auch kaum für irgendwelche schlaflosen Nächte bei den real existierenden und hier so mäßig karikierten Vorbildern sorgen dürften. Denn mit einer gelungener Satire, von der man sich irgendwie getroffen fühlen könnte, hat das alles wenig zu tun – was erstens bedauerlich und außerdem eine große verschenkte Möglichkeit ist.
Die wenigsten Vorwürfe kann man dabei noch dem immer mehr zum“seriösen“ Schauspieler mutierenden „Bully“ Herbig machen, der hier nach „Hotel Lux“ erneut zu überzeugen weiß und seinen Max Zettl überzeugend frech und verschmitzt anlegt. Auch Götz George hat als im Delirium versinkender Kanzler ein paar hübsche Momente, während Ulrich Tukur und Harald Schmidt unter Tonnen von Make-Up ersticken und recht verzweifelt versuchen zumindest mit ihren extremen Dialekten irgendwie witzig zu wirken. Vor allem der brillante Entertainer Schmidt wirkt dabei leider meist wie ein überforderter oder schlicht schwacher Schauspieler.

Trotz einiger vielversprechender Ansätze und Lichtblicke im ersten Akt muss man „Zettl“ aufgrund des dann folgenden Komplettzusammenbruchs also als eine große Enttäuschung und den bisherigen Tiefpunkt im Schaffen des Helmut Dietl bewerten. Der zwar seinen Biss offensichtlich noch nicht verloren hat, aber selbst mit Unterstützung nicht mehr in der Lage zu sein scheint, diesen in wirklich funktionierende Bahnen zu lenken. Mag sein, dass auch diesmal wieder alle Beteiligten die Arbeit mit dem verehrten Maestro genossen haben. Für den Rest in Form des mit diesem Werk "beglückten" Publikums dürfte sich das Vergnügen jedoch in sehr engen Grenzen halten.

Bilder: Copyright

...sehr schade, grad dem Duo Dietl/v.Stuckrad-Barre hätte ich mehr zugetraut, wenn denn die Kritik so zutrifft, was man bei Robrahn eigentlich annehmen darf. Komisch nur, dass in allen möglichen Foren eine besondere Schar Menschen sich sofort bemüßigt fühlt, ein kollektives "von Stuckrad-Barre-Bashing" anzu-Zettln, sobald auch nur der Name auftaucht...was hat der nur das er so stark polarisiert? Wahrscheinlich ist es die besondere Kombination von Qualitäten die er aufweist, die es sonst so in den Deutschen Medien nicht gibt ;-)

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1/10

Ich habe einen angeborenen Anti Bashing Reflex. Wenn etwas so niedergemacht wird, wie dieser Film, dann sehe ich ihn mir sehr genau an, wenn es sein muss, auch drei mal. Diesmal hat mein Reflex dafür nicht ausgereicht. Den Film einmal komplett anzusehen empfand ich als echte Zumutung. Hier konkurrieren Dietls Ausdruckslosigkeit und Stuckrad Barres Sprachlosigkeit. Das Ergebnis ist ein waschechter Bügelfilm, vorausgesetzt, man schaltet das Bild weg, weil Bully Herbigs Gezappel das Licht so flackern lässt. In Dietls Interviews lassen sich, mit ein wenig gutem Willen, ein paar Ideen erkennen. Warum er sie nicht einbringt ist die Frage. Stuckrad Barres Drehbuch kann ich nicht beanstanden. Es entspricht seinem Niveau. Wer was anderes erwartet hat, ist nicht informiert. Ein Blick in seine Late Night hätte genügt. Es reicht nicht aus, sich selbst als cooler Durchblicker zu sehen. Seine Intros lassen jeden Stand Upper der Nation gut aussehen. Möglicherweise liegt das an seiner Abstinenz, mit der er so gerne kokettiert. Man sollte ihm mal reinen Wein einschenken.

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