Die Relativitätstheorie der Liebe

Jahr
2011
Laufzeit
95 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Volker Robrahn / 8. Juli 2011

 

Agenturchef Frieder stellt fest, dass er die falsche Frau geheiratet hat. Während seine Gattin sich immer weiter in esoterische Sphären entfernt, funkt er dafür mit deren Schwester auf der gleichen Wellenlänge. Fahrlehrer Paul hat seine Angetraute nach 35 Jahren Ehe sogar so satt, dass er sich mit Mordgedanken trägt. Oder sollte er sich doch vielleicht erstmal um deren vermeintlichen Geliebten kümmern? Schauspielerin Alexa ist dagegen schon seit Längerem erfolglos auf der der Suche nach "Mr. Right", da kann dann doch nicht etwa ein mittelloser Musiker eben dieser Richtige sein? Und wer ist der Mann, der bei der unscheinbaren und einsamen Peggy die richtigen Knöpfe drückt, doch nicht etwa der libanesische Gastwirt, dem sie eigentlich die strengen staatlichen Gesundheitsauflagen erklären soll? Sie alle suchen und finden etwas, das irgendwie mit dem Begriff "Liebe" zu tun hat, und für ein paar kurze Augenblicke werden sich ihre ganz unterschiedlichen Leben im bunten Berlin überlappen.

Auf die Nennung der jeweiligen Schauspieler wurde diesmal in der obigen Inhaltsangabe bewusst verzichtet, denn dabei wäre es unvermeidlicherweise etwas eintönig geworden, werden doch all diese Rollen von nur zwei Darstellern verkörpert. Olli Dittrich und Katja Riemann liefern hier eine schauspielerische Mammutleistung ab und schlüpfen in die Masken von jeweils gleich fünf Figuren. Das ist dann aber alles andere als eintönig, sondern im Gegenteil höchst interessant und spannend zu beobachten.
Natürlich, von Olli Dittrich kennt man diese Vorliebe für Verkleidungen bereits seit seligen "Zwei Stühle - eine Meinung"-Fernsehzeiten, er schlüpfte in "Blind Date" gemeinsam mit Anke Engelke in die unterschiedlichsten, spontan entwickelten Charaktere und philosophiert als sozial am unteren Ende der Leistungsgesellschaft angesiedelter Imbissgast "Dittsche" seit Jahren über das wirklich wahre Leben. Von Katja Riemann hingegen, die sich im Kino zuletzt eher rar gemacht hatte, hat man so etwas noch nicht gesehen. Und wie überzeugend die Masken hier geraten sind, lässt sich daran erkennen, dass man sich gerade bei den weiblichen Figuren, die auch gelegentlich gemeinsam auftreten, als Zuschauer immer wieder fragt, ob denn das jetzt tatsächlich auch die Riemann ist (so man es nicht schon von vornherein weiß, aber auch dann muss man sich fast gewaltsam immer wieder dran erinnern).
Die Arbeit der Maskenbildner ist hier extrem aufwändig zu nennen, da wurden ganze Hautpartien verklebt, um ein bestimmtes Alter zu erreichen, und das Ergebnis dieser Handarbeit ist fast überzeugender und allemal realistischer als etwa der computergenerierte Prozess eines "Benjamin Button". Wer sich also Olli Dittrich bisher nicht wirklich als libanesischen Imbisswirt vorstellen konnte, darf hier durchaus staunen.

Der Effekt ist daher gelungen und das Ganze damit sowieso schon mal ziemlich originell und ungewöhnlich. Bleibt die Frage, ob denn auch die einzelnen Geschichten da mithalten können und stark genug sind, um den Betrachter auch emotional zu packen und einzubinden. "Bedingt", lautet hierauf die Antwort, zumindest sind sie aber überwiegend sehr unterhaltsam und witzig. Das gilt sowohl für den grobschlächtigen Fahrlehrer Paul und dessen eher klägliche Versuche, sich einen überzeugenden Unfalltod für seine untreue Gattin einfallen zu lassen, als auch für die stoische Gelassenheit mit der Geschäftsmann Frieder die immer absurderen Aktionen seiner nicht mehr wirklich in der Realität verankerten Angetrauten erträgt, und als diese sich in einer mit Vollmilch aus dem Supermarkt gefüllten Badewanne tiefenentspannt, lediglich höflich fragt: "Geht's Dir gut, Eva? - Das freut mich".
Ganz frei von Klischees sind insbesondere die Frauenfiguren allerdings nicht, denn da wird schon mal in die entsprechenden Schubladen "hässliches Entlein" oder eben "abgedrehte Esoterikerin" gegriffen. Zudem führt das Prinzip von mehreren in nur 90 Minuten abgehandelten Episoden fast unvermeidlich dazu, dass nicht alle gleich stark zu ihrem Recht kommen und gleich sorgfältig erzählt werden. Dieser Erkenntnis geschuldet ist dann auch Dittrichs fünfte Rolle des "Yogi Swami Helmut" nicht viel mehr als ein visueller Gag ohne eigenen Handlungsstrang.
Auch an Antworten und Erkenntnissen zum großen Thema "Liebe" sollte man nicht allzu viel erwarten, ist doch selbst die hier von einem der Betroffenen geäußerte Theorie zum Thema laut Aussage von Regisseur und Drehbuchautor Otto Alexander Jahrreis nicht wirklich für bare Münze zu nehmen. Der inszenierte übrigens mit Olli Dittrich auch schon die berüchtigten Werbespots mit den "schwierigsten Kunden" einer großen Elektrofachmarktkette und man darf in diesen kurzen Spots durchaus die Keimzelle für die nun vorliegende ausführlichere Parade der unterschiedlichsten Charaktertypen verorten.

Immerhin: Ein paar berührende Momente gelingen dann zum Schluss auch noch, in diesem Kaleidoskop der Möglichkeiten, das auch der Stadt Berlin eine tragende Rolle einräumt und das ursprünglich mal "Tauben auf dem Dach" heißen sollte. Es bleibt abzuwarten, ob der etwas sperrige und hochtrabende Titel "Die Relativitätstheorie der Liebe" nun die bessere Wahl ist. Olli Dittrich und Katja Riemann jedoch haben alles gegeben, um dem Publikum ein doch ziemlich einzigartiges Stück Kino zu bieten.

Bilder: Copyright

freue mich auf den film. dittrich ist ein grandioser melancholischer "komiker", der es immer wieder schafft, zwischen subtil und überbordend zu wechseln.

eine bitte: kann mir jemand sagen, ob man im internet seine und engelkes blind date irgendwo sehen kann?
wäre toll wenn das jemand wüßte!
hanna

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6
6/10

Netter Film, wenn auch recht sinnfrei. Allerdings haben die Maskenbildner wirklich tolle Arbeit geleistet - Hut ab! Insgesamt würde ich es als interessante Experimentalfilm-Erfahrung mit höchst gelungener Maske bezeichnen.

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