Crazy Heart

Originaltitel
Crazy Heart
Land
Jahr
2009
Laufzeit
110 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Patrick Wellinski / 27. Mai 2010

 

Das Hemd trägt er offen. Immer. Die mittlerweile grau gewordenen Brusthaare ragen heraus, wie auch der runde Bauch seine Konturen nicht verbergen kann. Die Haare - ungewaschen, verschwitzt, verfilzt. Der graue Bart ist ungepflegt. Und immer ist der Schnaps in der Nähe. Das goldig-braune Lebenselixier, welches den in die Jahre gekommenen Country-Star Bad Blake (Jeff Bridges) am Laufen hält. Der Whisky ist der Treibstoff dieses Sängers, der seine besten und erfolgreichsten Tage bereits lange hinter sich hat. Eine große Tour, eine sich gut verkaufende CD - das wär's! Doch stattdessen heißt es für Blake: Auftritte in Bowlingcentern und Kneipen, mit ständig wechselnden und bunt zusammengewürfelten Begleitbands, irgendwo im Niemandsland des amerikanischen Südens.

"Crazy Heart" ist der Debütfilm des Schauspielers Scott Cooper, der für das Drehbuch den gleichnamigen Roman von Thomas Cobb adaptierte. Getreu der Vorlage spielt "Crazy Heart" im amerikanischen Süden und folgt der Countryikone Bad Blake, der versucht seine Karriere weiter am Laufen zu halten. Er ist kein Held im klassischen Sinne, eher ein Antiheld, der sowohl beruflich als auch privat keinen Neuanfang hinbekommt und nahezu ständig an seiner eigenen Sturheit und seinem Eigensinn scheitert. Sein ehemaliger Schützling Tommy Sweet (Colin Farrell) hat sich zum Country-Superstar gemausert und bittet Blake, Songs für ihn zu schreiben. Doch er lehnt ab. Er sehe sich nun mal nicht im Hintergrund, sagt Blake - tatsächlich tut er sich offensichtlich sehr schwer damit, dass sein ehemaliger Schüler ihn in Sachen Erfolg weit überflügelt hat. Gleichzeitig weckt eine Affäre mit der alleinerziehenden Mutter und Lokaljournalistin Jean Craddock (Maggie Gyllenhaal) in Blake - der schon vier gescheiterte Ehen hinter sich hat - unerwartete Familiengefühle.

"Crazy Heart" ist das ultimative Vehikel für Jeff Bridges. Es ist ganz allein seine Show. Er ist immer zu sehen. Er trinkt, leidet, singt, kotzt, ist kaputt und rappelt sich aber immer wieder auf. Und bleibt dabei konsequent glaubwürdig. Das ist die große Kunst von Bridges in diesem Film. Er schafft es, Blake immer noch genug Sympathie zu verleihen, so dass man diesen Menschen nicht ganz allein lassen möchte. Zurecht wird er wohl den Oscar als bester Hauptdarsteller dafür abräumen, zumal er diesen Preis ja schon längst verdient hätte, und gescheiterte Stehaufmännchen werden von der Academy gerne geehrt. Jeff Bridges' Dominanz in "Crazy Heart" führt natürlich dazu, dass die ebenfalls überzeugenden Nebendarsteller ein wenig zu Statisten degradiert werden. Das ist im Falle Gyllenhaals (ebenfalls Oscar-nominiert) vielleicht sogar ganz gut, weil sie es in zwei Momenten riskiert, den Film mit einer unansehnlichen Hysterieattacke seines erdig ruhigen Grundtones zu berauben. In Falle von Colin Farell und Robert Duvall (der hier Blakes alten Kumpel spielt, ganz nebenbei aber auch den Film mitproduziert hat) ist das aber ziemlich schade, weil in diesen beiden Figuren noch eine gewisse Tiefe mitschwingt, die der Film nicht ganz zur Geltung bringen kann. Die Scheinwerfer richten sich nun mal allein auf Bridges, und da er seine Rolle mit einem unnachahmlichen Tex-Mex-Charme verkörpert, ist das Zukurzkommen der anderen verzeihlich.

Interessant ist auch die Entstehungsgeschichte des Films, der so gar nicht für das Oscarrennen geplant war und dies alles eher durch Zufall erreichte. Für knapp sieben Millionen Dollar von Country Music Television produziert, glaubte niemand so richtig an die Kraft des Films. Paramount - welches die Vertriebsrechte an "Crazy Heart" hatte - verkaufte das Werk für weniger als die Hälfte der Produktionskosten an Fox Searchlight, die wiederum den Film im Frühjahr 2010 auf den Markt bringen wollten. Ein Wink des Schicksals wollte es aber, dass Bridges zu dieser Zeit keine Zeit gehabt hätte den Film zu promoten, weil er da gerade für das Coen-Brüder-Remake von "True Grit" vor der Kamera stehen wird. Das Ende der Geschichte ist der Filmstart von "Crazy Heart" im Dezember, was Bridges als Spätstarter ganz vorn ins Oscar-Rennen katapultierte und ihn im Januar schon prompt einen Golden Globe eingebracht hat.

Neben seiner Schauwerte, die "Crazy Heart" dank Jeff Bridges hat, krankt Coopers Debüt allerdings an seiner Vorhersehbarkeit. Man kann nun mal nicht die Augen davor verschließen, dass diese Geschichte schon oft erzählt worden ist. Die Puzzleteile sind bekannt. Cooper erzählt diese Geschichte schlicht und anspruchslos unter Verzicht auf die großen Wendungen und Dramen. Der genügsame und anständige Rhythmus der Geschichte vermag aber dennoch zu überzeugen, besonders wenn man der Countrymusik etwas abgewinnen kann, die der heimliche Rhythmusgeber des Films ist. Komponiert wurde sie vom Alternative-Country-Urgestein T Bone Burnett, der ja schon maßgeblich für die Soundtracks von "Walk the Line" und "O Brother, where art thou" zuständig war.
Die Klänge in "Crazy Heart" sind betörend. Man muss das vielleicht mögen, aber der Film funktioniert auch für Menschen, die mit einer der ältesten amerikanischen Musikformen nichts anfangen können. Schließlich ist der Country hier nie reiner Selbstzweck. Er ist keine bloße akustische Untermalung. Die Musik ist in diesem Film immer auch Spiegel der Hauptfigur, die sich nur so ausdrücken und mitteilen kann. Deshalb hat Coopers Film dann seine stärksten Momente, wenn Blake sich durch seine Musik ausdrückt, wenn er komponiert oder auf seiner Gitarre klimpert. In seiner Ruhe und Stille ist der Film ganz bei sich. Das ist dann einfach nur noch schön.

Bilder: Copyright

allein die letzten 3 sätze sind es wert, sich den film anzuschauen ... jeff ist die ruhe in person ... das lieb ich schon immer an seinem spiel ...

freu mich auf ein countrymovie und drück ihm fest die daumen für den oscar!

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9
9/10

Sehr sehr schöner Film!

Nur schade, dass die großen Kinos ihn mal wieder nicht zeigen wollen... vielleicht jetzt erst wieder, nachdem Jeff Bridges (zurecht) den Oscar abgeräumt hat.

Wunderbare Musik, tolle Schauspieler, eine gewisse Ruhe und doch Spannung zieht sich durch den ganzen Film.
Allein die Story ist ein wenig vorhersehbar... aber das dachte ich mir schon vorher und konnte damit leben und mich von dem Film und va.a. der Musik einfach berieseln lassen.

Mit Sicherheit eines DER Kino-Highlights des Jahres!

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8
8/10

Sehr schöne Kritik.

Obwohl es nicht Jeff Bridges bester Film war, eine absolut Oscar-würdige Darbietung.

8/10 für den Film, 10/10 für Jeff.

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8
8/10

...wie das Leben eben so spielt. Tolle Emotionen und sehr tiefgehend ohne viel Geschnulze...der Film hat mich an "The Wrestler" mit Micky Rourke erinnert.......absolut sehenswert.

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