Vincent will Meer

Jahr
2010
Laufzeit
91 min
Genre
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Volker Robrahn / 27. Mai 2010

 

Vincent (Florian David Fitz) lebt bisher nicht nur recht ziellos vor sich hin, er hat auch noch ein ganz besonderes Problem in Form des Tourette-Syndroms. Nachdem er deshalb auch auf der Beerdigung der eigenen Mutter machtlos einen Haufen ordinärer Beschimpfungen ausgestoßen hat, verliert sein eh nicht besonders feinfühliger Vater (Heino Ferch) endgültig die Geduld und verschafft seinem nutzlosen Nachwuchs kurzerhand einen Platz in der Therapie. Dort muss sich Vincent zwar erstmal mit seinem zwangsneurotischen Zimmergenossen Alexander (Johannes Allmayer) auseinander setzen, freundet sich aber auch mit der magersüchtigen Marie (Karoline Herfurth) an. Gemeinsam machen sich beide eines Abends mit dem Auto der zuständigen Psychologin davon, den Störenfried Alexander als zunächst unfreiwilligen Passagier auf der Rückbank. Für Vincents Vater ist diese Aktion eine mittlere Katastrophe, möchte der doch als Lokalpolitiker im Wahlkampf möglichst jeden Skandal vermeiden. Gemeinsam mit Frau Doktor macht man sich daher an die Verfolgung der Ausreißer, von denen man erstmal nur eines weiß: Sie wollen ans Meer.

Genau wie seine bisherige Filmographie zwischen debilem Holzhammerhumor ("Voll Normaaal") und preisgekrönter TV-Arbeit ("Dr. Psycho") hin und her pendelt, so ist auch die neue Arbeit von Regisseur Ralf Huettner ein sehr wechselhaftes Vergnügen, bei dem sich fortwährend gelungene und klischeehafte Momente, witzige und eher alberne Szenen gegenüberstehen. Für die gröbsten Kapriolen der Handlung kann Huettner zwar in diesem Fall nicht direkt verantwortlich gemacht werden, da sich Hauptdarsteller Florian David Fritz ("Männerherzen", "Doctor's Diary") hier das Drehbuch gleich selbst auf den Leib geschrieben hat, doch ist es dem Regisseur leider nicht so wirklich gelungen, dabei "die Balance zu halten", wie er es sich laut eigener Aussage doch vorgenommen hatte. So dient die eine Krankheit (Zwangsneurose) im Grunde nur zu Belustigung, die andere (Magersucht) wird dagegen hochdramatisch und lange Zeit mit geheimnisvollen Andeutungen inszeniert.
Am fragwürdigsten ist aber sicher der Einsatz des Tourette-Syndroms von Hauptfigur Vincent, welches zu Beginn ständig Thema ist und diesem ein "normales" Leben völlig unmöglich zu machen scheint. Im späteren Verlauf der Reise bleiben aber nicht nur die Anfälle plötzlich aus, das ganze Problem verschwindet praktisch und spielt für die Geschichte auch überhaupt keine Rolle mehr. Da bleibt der fade Beigeschmack, dass auch dieses Element vor allem als Gimmick dient, zumal auch noch die meisten "Tourette-Szenen" in erster Linie auf Lacher angelegt sind. Florian David Fitz spielt trotzdem gut und engagiert, seine Figur, die noch kurz zuvor so gut wie lebensunfähig war, entwickelt sich aber doch etwas zu schnell zum starken und selbstbewussten Anführer seiner kleinen Gruppe, die noch aus einem anstrengenden Nerd und einer unerklärt lebensmüden jungen Frau besteht.
Wer ebenfalls hoch motiviert wirkt und seinem oberflächlichen und aalglatten Politiker-Vater die nötige Schippe Charisma verleiht, ist Heino Ferch, doch auch dessen Handlungsstrang kämpft ansonsten mit einigen Problemen. So ist es natürlich von vornherein klar, dass sich der Macho mit der harten Schale und die ihn begleitende Seelenklempnerin trotz aller Gegensätzlichkeit doch näher kommen und ihre gegenseitige Sympathie füreinander entdecken werden. Die Schritte, in denen das dann wie erwartet geschieht, kann man dabei fast minutengenau vorhersagen. Und um die Geschichte nicht schon auf halbem Weg enden lassen zu müssen, da die drei Ausreißer schnell von ihren beiden Verfolgern gestellt werden, konstruiert man schließlich eine haarsträubende Fahrlässigkeit eines Beteiligten, welche den "Rebellen" zwar ein neues und viel besseres Fortbewegungsmittel verschafft, dabei aber die Glaubwürdigkeit bis aufs Äußerste strapaziert.

Seine besten Momente hat "der Film immer dann, wenn er es leicht und entspannt angehen lässt, mit schönen Landschaftsaufnahmen von Alpen und Italien glänzt und seine Figuren heitere, von luftiger aktueller Popmusik untermalte Augenblicke erleben lässt. Sobald es aber wieder "dramatisch" werden soll und vor allem bei der Entwicklung seiner Charaktere scheitert dieses verkappte und etwas halbherzige Road Movie jedoch. Das Meer erreicht Vincent zwar wie zu erwarten. Doch durfte man als Zuschauer sicher noch etwas mehr erwarten.

Bilder: Copyright

7
7/10

Die Rezension finde ich doch etwas hart. Sie erweckt ein bisschen den Eindruckt als würde sich H. Hüttner hier auf Kosten der Protagonisten Lacher kassieren. Ich finde aber das der Film die Figuren durchaus respektiert. Leider ist die Enticklung zwischen dem Vater Vincents und der Ärztin tatsächlich voraussehbar und die Wandlung das an sonsten von Heino Frech hervoragend dargestellten Vaters ebenso wie die Verhaltensänderung von Vincent etwas zu abrupt um nachvollziehbar zu sein. Dennoch bietet der Film sehr gute schauspielerische Leistungen, die Story ist fraurig schön und keineswegs überzogen.

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