Til Schweiger, Deutschlands massentauglichster Filmemacher, und Jana Pallaske, deutscher Nachwuchs-Star, scheinen vertraglich aneinander gebunden zu sein. Anders lässt es sich kaum erklären, dass sie in diesem Jahr in drei gemeinsamen Filmen zu sehen sein werden: ab August in Tarantinos "Inglourious Basterds" und kurz darauf in der Komödie "Männerherzen". Doch den Anfang macht nun erstmal das Werk mit dem sicherlich stärksten Ballast: "Phantomschmerz", das Spielfilmdebüt von Matthias Emcke. Ein ergreifendes, bewegendes Drama mit starkem Soundtrack und einem überraschend guten Til Schweiger.
Es gibt drei Dinge im Leben von Marc (Til Schweiger), die er richtig gut kann: Geschichten erzählen, Rennrad fahren und Frauen aufreißen. Erwachsen zu werden und Verantwortung zu übernehmen liegt ihm hingegen weniger. So träumt er zwar davon, eines Tages den höchsten Straßenpass der französischen Pyrenäen zu befahren, und lernt über seinen Nebenjob als Fahrradverkäufer Nika (Jana Pallaske) kennen, schafft es aber im Gegenzug nicht, den Unterhalt für seine Tochter Sarah (Schweiger-Tochter Luna) aufzubringen, sie von der Schule abzuholen oder ihr einfach mal bei einem Gedicht zu helfen, und verliert überdies einen Job nach dem anderen. Doch dann folgt der entscheidende Wendepunkt in Marcs Leben: Bei einem Verkehrsunfall wird er so schwer verletzt, dass die Ärzte nur noch sein linkes Bein amputieren können, um sein Leben zu retten. Für Marc ändert sich von nun an vieles: sein Alltag, seine Ziele, seine Einstellung zum Leben. Aber an seinem großen Traum hält er fest….
Es
fällt schon ziemlich schwer, sich diesen Til Schweiger,
den
es zuletzt in "Far Cry"
und "1 ½ Ritter" zu sehen gab, als Protagonist
in einem sehr ernsten Film wie "Phantomschmerz"
vorzustellen.
Aber was ein paar Haare mehr im Gesicht so ausmachen
können,
hat ja vor gar nicht so langer Zeit erst Adam Sandler in "Die
Liebe in mir" gezeigt, als er sich plötzlich als
ernstzunehmender
Schauspieler präsentierte. Und so ist nun auch ein auf dem
Kopf stärker als gewöhnlich behaarter Schweiger in einer
Rolle zu sehen, die nicht einfach zu spielen ist, im
Großen
und Ganzen aber zufriedenstellend gemeistert wird. Einige
kleine
gesichtsverrenkende Ausrutscher bleiben zwar nicht aus,
doch überrascht
Schweiger an anderen Stellen wiederum mit sehr
zurückhaltendem,
sehr gefühlvollem Spiel.
An seiner Seite stehen mit Jana Pallaske und Stipe Erceg
zwei Darsteller
Anfang-Mitte-30, denen der große Durchbruch zwar noch
nicht
geglückt ist, bei denen dies aber hoffentlich lediglich
eine
Frage der Zeit bleibt. Einen weniger glücklichen Eindruck
hinterlässt
Luna Schweiger, die nach "Keinohrhasen" zum zweiten Mal
an der Seite ihres Vaters spielt. Diese reale
Vater-Kind-Intimität,
die sich auch auf die große Leinwand übertragen soll,
hat beispielsweise in "Das Streben nach Glück" (mit
Will Smith und Sohn) besser funktioniert.
"Phantomschmerz"
ist trotz seines deutschen Über-Stars in der Hauptrolle
ein
ziemlich kleiner Film geworden mit nur wenigen relevanten
Figuren,
überschaubarer Werbe-Kampagne und einer vermutlich recht
kurzen
Laufzeit in den Kinos. Grau ist die am häufigsten
anzutreffende
Farbe in diesem Film. Doch trotz einer sehr traurigen,
nachdenklichen
Grundstimmung überwiegt das Gute. Viele Szenen spenden
Kraft
und die Charaktere sind alle irgendwo liebenswürdige
Menschen.
Selbst Protagonist Marc, sicher nicht frei von Schwächen,
fängt
sich die Sympathien des Publikums im Eiltempo ein und gibt
sie auch
nicht mehr her.
Deshalb geht es später auch an die Nieren, wenn er nach
seinem
Unfall mit den Bedingungen seines Überlebens konfrontiert
wird.
Dies gehört zu den traurigsten Momenten, die man in
letzter
Zeit im Kino miterleben durfte/musste. Aber
"Phantomschmerz"
entlockt eben auch Freudentränen, wenn man mit ansehen
darf,
wie Marc mit seinem Schicksal umgeht. Mit einer gehörigen
Portion
Galgenhumor, aber eben auch mit Kraft, die ihm unter
anderem sein
bester Freund Alexander (Stipe Erceg) spendet. Das Ganze
beruht
übrigens zur Abwechslung mal mehr als weniger auf einer
wahren
Begebenheit.
Vielleicht
drückt Regisseur Emcke etwas zu bemüht auf die
Tränendrüse.
Vielleicht hätten es ein paar Szenen weniger sein dürfen,
in denen Marc auf seinem Fahrrad sitzt, eine Landstraße
entlang
fährt und seine ganz persönliche Geschichte erzählt,
unterlegt mit gefühlvoller Musik. Da sich das musikalische
Hauptthema aber selbst nach der x-ten Wiederholung nicht
wirklich
erschöpft, ebenso wenig wie Marcs Geschichten, lässt sich
daraus aber nicht ernsthaft ein Vorwurf ableiten. Es mag
eine recht
simple Methode sein, den Zuschauer emotional zu packen,
aber sie
funktioniert nun mal hervorragend.
"Phantomschmerz" ist zuweilen tief traurig und dann wieder zum Heulen schön. Der Verlauf der Handlung lässt sich zwar ganz gut vorhersehen, doch stört das in Anbetracht der Art und Weise, wie diese erzählt wird, nicht wirklich. Gefühlvoll, bewegend, authentisch. Mit vielen kleinen Weisheiten versehen, bei denen für jeden das Passende dabei sein sollte. Und nicht zuletzt fügt Til Schweiger seiner Filmographie mal wieder einen Titel hinzu, auf den er wirklich stolz sein darf, auch und vor allem in Anbetracht seiner eigenen Leistung.
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