Ja, wir geben es zu: Die Filmszene-Redaktion ist alles andere als ein Til Schweiger-Fanclub. Seit zehn Jahren zehrt dieser leidlich talentierte Mime von seinen zwei großen Erfolgen "Der bewegte Mann" und "Knockin' on Heaven's Door" und hat sich seitdem vor allem in internationalen Produktionen reichlich lächerlich gemacht (siehe "Deuce Bigalow", "Die Daltons gegen Lucky Luke", "King Arthur", "Tomb Raider 2" oder "Driven"). Wenn dann eine neue Komödie mit Schweiger in der Hauptrolle angekündigt wird und man hört, dass das ursprüngliche Drehbuch von zwei Amerikanern stammt, die es in Hollywood jedoch nicht verkauft bekamen, spitzt man in vermeintlich weiser Voraussicht schon mal den Bleistift für den Verriss. Auch das geben wir zu, und leisten hiermit Abbitte. Denn "Wo ist Fred?" ist - auch wegen Til Schweiger - ein richtig lustiger und unterhaltsamer Film geworden.
Schweiger spielt den grundehrlichen Polier Fred, der seine etwas verzickte Freundin Mara (Anja Kling aus "Traumschiff Surprise") heiraten möchte. Die will dem aber nur beipflichten, wenn Fred auch ihren völlig verzogenen und verfressenen Sohn für sich erwärmen kann. Der Sohnemann wünscht sich nichts mehr als einen handsignierten Basketball aus der aktuellen Rekordsaison seines großen Idols, dem Alba Berlin-Spieler Mercurio Müller. Der wirft den Siegerball allerdings nach jedem Spiel auf die Behindertentribüne der Halle, und so gibt es für Fred nur eine Chance: Mit Hilfe seines Kumpels Alex (Jürgen Vogel) schmuggelt er sich im Rollstuhl auf die Tribüne und kann den nächsten Müller-Ball tatsächlich dem nervigen Ronnie ("Stromberg" Christoph Maria Herbst) vor der Nase wegschnappen. Doch zu früh gefreut: Die junge Regisseurin Denise (Alexandra Maria Lara) dreht gerade im Auftrag des windigen Marketing-Fritzen Benno Held (Pasquale Aleardi) einen Imagefilm über den behindertenfreundlichen Verein und will den vermeintlich rollstuhlfahrenden und stummen Fred ins Zentrum ihres Streifens rücken. Eine Woche lang muss Fred nun den Behinderten mimen, um nicht entlarvt zu werden, und wird dabei auch noch von Ronnie erpresst, der ihn längst durchschaut hat und als größter Alba-Fan eine eigene Hauptrolle in dem Imagefilm fordert.
Das Szenario klingt potentiell geschmacklos, und mit solchen Comedy-Konzepten kann man sich ganz schnell in die Nesseln setzen. Und in den ersten knapp zehn Minuten von "Wo ist Fred?" sieht man auch alle Befürchtungen bestätigt: Kein einziger Gag zündet, der fette Quälgeist von Sohn ist hochgradig unerträglich und man beginnt sich ob der allgemeinen Unlustigkeit schon leicht unwohl zu fühlen: Und das geht jetzt noch 100 Minuten so weiter?
Tut es Gott sei Dank nicht, denn der kreuzlahme Anfang täuscht. Mit dem Auftauchen des in formidabler Alber-Laune befindlichen Jürgen Vogel und des ohnehin gottgenialen Comedy-Genies Christoph Maria Herbst landet "Wo ist Fred?" seine ersten Pointen-Treffer, nimmt an Fahrt auf und hält von da an das Tempo und die Gag-Frequenz erfreulich und konsequent hoch. Hat man über einige Ungereimtheiten der Geschichte erstmal hinweg gesehen und akzeptiert, dass Fred trotz wilder Kaspereien von seiner Umwelt nicht durchschaut wird, lässt man sich gerne von dem gelungenen Feuerwerk aus Slapstick und Situationskomik hinweg tragen und lacht herzlich mit.
Dass das so gut funktioniert, ist der gebündelten Teamleistung fast aller Beteiligten zu verdanken. Regisseur Anno Saul ("Kebab Connection") beweist erneut sein Talent bei der Umsetzung von Comedy-Stoffen, ohne seine Figuren dabei der Lächerlichkeit preis zu geben. Autor Bora Dagtekin ("Türkisch für Anfänger"), der das ursprünglich amerikanische Drehbuch für die deutsche Umsetzung überarbeitete, leistete ganze Arbeit und trägt seinen Teil dazu bei, dass der Film auf dem schmalen Grat zwischen gelungenem Randgruppen-Humor und geschmackloser Diskriminierung nicht ins Wanken kommt: Hier lacht man nicht über die Behinderten, sondern mit ihnen, und ohnehin sind die "Rollis" die cleversten Nebenfiguren im ganzen Film.
Schlichtweg großartig ist die Besetzung: Vogel, Kling, Herbst und Lara legen eine begeisternde Spiellaune an den Tag, tauchen mit Schwung und Elan in ihre Figuren ein und liefern jeder für sich lehrbuchartige Kleinode des Komödien-Schauspiels ab. Wie es sich für gute Nebendarsteller gehört, spielen sie dem Star Schweiger dabei optimal zu, ohne sich selbst in den Vordergrund zu drängen oder die Schau zu stehlen. Was in diesem Falle auch gar nicht so einfach wäre, denn unser Til ist endlich mal wieder richtig gut. Schon "Der bewegte Mann" und "Knockin' on Heaven's Door" haben gezeigt, dass Schweiger dann am besten ist, wenn er mit genug Selbstironie simpel gestrickte Typen spielt, und sein Grundtalent zum gepflegten Herumkaspern kommt hier bestens zum Tragen. Es hilft für den Lachfaktor natürlich enorm, dass seine Filmrolle Fred behindert und stumm spielt und Schweiger entsprechend über weite Strecken nur wild grimassieren und grunzen kann. Das muss man aber auch erstmal gut hinkriegen, und Schweiger macht seine Sache hier wirklich großartig.
Die klug aufgebaute Geschichte tut ihr Übriges, dass "Wo ist Fred?" trotz beachtlicher Laufzeit keine Sekunde langweilig wird. Das Tempo wird hoch gehalten und die Story schlägt immer wieder zum richtigen Zeitpunkt neue Haken, bevor die Gefahr aufkommt, dass sie sich irgendwo festfährt. Da gelingen selbst gut abgehangene Standards der Situationskomik (wie der Klassiker, in einem Restaurant gleichzeitig zwei Dates in zwei verschiedenen Rollen zu haben) hervorragend, und der Film kann sich bis zum Schluss auf seine Stärken verlassen. Die Auflösung (und somit die Spannung), bis Freds doppeltes Spiel auch von Denise durchschaut wird (die sich natürlich längst in den vermeintlich Behinderten verliebt hat), wird so lang wie möglich hinausgezögert, so dass man nach einem schnell abgewickelten Happy End mit immer noch bester Laune das Kino verlässt.
Natürlich hapert es hier manchmal gewaltig mit der inneren Logik, und alle Figuren sind auch gerade mal so clever, wie sie der Film gebrauchen kann (vor allem Lara wird als gutgläubige Denise mehr oder weniger auf ihre süße Rehäugigkeit reduziert), aber das steht alles im Dienste der Komik, und wenn die funktioniert, ist alles andere zweitrangig. "Wo ist Fred?" jedenfalls macht Spaß: Kurzweilig, treffsicher, und ohne sich angesichts seines sensiblen Themas im Ton zu vergreifen oder zu artig daherzukommen. Eine rundum gelungene Komödie aus deutschen Landen also, mit Til Schweiger und nicht von Bully Herbig. Auch so was gibt's.
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