Angesichts der immer stärkeren Spaltung der amerikanischen Gesellschaft blicken wir hier in Europa ja mit großer Sorge auf die dort im November stattfindenden Präsidentschaftswahlen. Dass Hollywood ausgerechnet in diesem angeheizten Klima nun einen Film über einen fiktiven amerikanischen Bürgerkrieg veröffentlicht, scheint genauso passend wie provokant zu sein. Doch “Civil War“ möchte den Amerikanern nicht wirklich knallhart den Spiegel vorhalten und die Rolle des gesellschaftlichen Brandbeschleunigers übernehmen. Statt zum Nachdenken anregender (und potentiell spaltender) Gesellschaftskritik erwartet uns hier viel mehr ein intensiver Thriller, der auch dank seinem angenehmen Fokus auf Charakterinteraktion zumindest bis zum großen Finale durchaus packend daherkommt.
In “Civil War“, der in einer sehr nahen Zukunft zu spielen scheint, hat die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft dramatische Dimensionen erreicht. Der Präsident (Nick Offerman, “The Founder“) schreckt selbst vor Luftangriffen gegen die eigenen Bürger nicht zurück, während auf der Gegenseite die sogenannten Western Forces, eine Militärallianz der Bundesstaaten Kalifornien und Texas, dessen gewaltsame Entmachtung plant. Als die erfahrenen Kriegsreporter Lee (Kirsten Dunst, “Melancholia“, “The Power of the Dog“) und Joel (Wagner Moura, “Elysium“) von einem geplanten Vorstoß der Western Forces auf die Hauptstadt erfahren, machen sie sich direkt auf den Weg, um vor Ort noch rechtzeitig ein exklusives Interview mit dem Präsidenten führen zu können. Gegen den Willen von Lee werden die beiden auch noch von der jungen Nachwuchsreporterin Jessie (Cailee Spaeny), sowie dem alten Hasen Sammy (Stephen McKinley Henderson) begleitet. Auf das Grauen, das sie auf ihrem gefährlichen Road-Trip erwartet, ist allerdings keiner von ihnen vorbereitet.
Schon alleine ein Blick auf das Ausgangsszenario von “Civil War“ zeigt, dass man das heiße Eisen Bürgerkrieg hier in ideologische Watte packen möchte. Ausgerechnet die für zwei sehr verschiedene politische Haltungen stehenden Bundesstaaten Texas und Kalifornien haben sich im Film verbrüdert, um Seite an Seite gegen den amerikanischen Präsidenten aufzubegehren. Das klingt schon fast wie eine versöhnliche Botschaft angesichts der heutigen politischen Realitäten des Landes und lässt das Szenario gleich zu Beginn deutlich in eine sehr fiktive Richtung rücken. Es ist natürlich durchaus verständlich, dass man nicht wirklich darauf erpicht ist einen noch größeren Keil in das sowieso schon zutiefst gespaltene Volk der Vereinigten Staaten zu treiben (und in Sachen breiter Zielgruppe und Einspielergebnis vermutlich ebenfalls ratsam). Wie konsequent “Civil War“ aber über die komplette Laufzeit jegliche Parallelen mit den gesellschaftlichen Problemen der USA vermeidet, ist dann doch schon sehr überraschend.
Selten kam ein Kriegsfilm auf jeden Fall so unpolitisch daher. Weder werden einem irgendwelche Hintergrundinfos dazu geliefert, wie es zu diesem Bürgerkrieg gekommen ist, noch erfährt man im weiteren Verlauf irgendetwas über die Unterschiede zwischen den verschiedenen Fraktionen. Das ist ehrlich gesagt gerade in der ersten Hälfte des Films sehr frustrierend, da dieser Bürgerkrieg so austauschbar daherkommt und, von der ungewöhnlichen Hintergrundkulisse mal abgesehen, eigentlich überall spielen könnte. Das fühlt sich wie eine verpasste Chance an, da man gerne auch die Positionen der Hauptfiguren besser verstehen möchte, diese aber gefühlt stets in einem politisch komplett luftleeren Raum agieren.
Statt intellektueller Provokation setzt “Civil War“ viel lieber auf das eher generische Spannungspotential einer solchen Ausgangssituation und möchte dabei die emotionale Abstumpfung von Menschen angesichts solch traumatischer Ereignisse auf die Leinwand bringen. Das gelingt dem Film wiederum ganz gut, wenn unsere Protagonisten zum Beispiel in einer Kleinstadt vorbeischauen, deren Bewohner die Gräueltaten im Land einfach zu ignorieren versuchen. Das können unsere vier Hauptfiguren auf ihrem Road Trip allerdings nicht und ihre immer extremer werdenden Erlebnisse nutzt “Civil War“ vor allem dafür, um kräftig an der Spannungsschraube zu drehen.
Die Tatsache, dass man dabei als Zuschauer gar nichts über die Hintergründe des Krieges weiß, entpuppt sich hier sogar als Bonus. Es macht nämlich jede Begegnung mit Fremden komplett unberechenbar, da teilweise nicht mal die Fraktionen selbst wissen, warum sie sich hier gerade bekämpfen (eine Aussage, die der Film immer wieder genüsslich einstreut). So kann man sich auch im Publikum nie sicher sein, wie irgendjemand nun als nächstes reagieren wird. Das lässt immer wieder ordentlich den Adrenalinspiegel nach oben schnellen und sorgt dank einem toll aufspielenden “Breaking Bad“-Veteranen vor allem einmal für eine wirklich besonders packende Sequenz. In diesen Momenten zeigt sich auch die ganze Klasse von Alex Garland ("Ex Machina", "Sunshine") als Regisseur, der oft Shots einfach etwas länger als gewohnt laufen lässt oder auch die Pausen in Gesprächen länger zieht, damit sich die Spannung auch so richtig ausbreiten kann.
So wird “Civil War“ mit fortschreitender Dauer auch für das Publikum zu einem immer intensiveren Erlebnis. Bei all dem Lob sei aber auch erwähnt, dass “Civil War“ dabei auf sehr vertraute Motive zurückgreift, wie dem Protagonisten, der sich auf einem Berg Leichen wiederfindet oder dem immer wieder aufgegriffenen Kontrast zwischen menschlicher Gewalt und friedlicher Natur. Diese Kontraste versucht der Film auch immer wieder durch den Einsatz eher „fröhlicher“ Musikstücke zu verstärken, was aber irgendwie etwas abgenutzt und teilweise zu gewollt daherkommt. Besser funktionieren dagegen die Figuren, womit dann auch gleich die zweite große Stärke des Films gelobt werden darf. Die vor allem auf Action setzenden Trailer von “Civil War“ zeichnen nämlich (zum Großteil) ein falsches Bild des Films. Man nimmt sich hier wirklich viel Zeit für die Charakterinteraktion und lässt die Erlebnisse auch immer auf seine Figuren wirken, was dem Film richtig gut tut. Dabei macht das komplette Schauspielensemble einen sehr guten Job, allen voran Kirsten Dunst als desillusionierte Kriegsreporterin und Cailee Spaeny als ein Stück für Stück seine Unschuld verlierendes Nachwuchstalent.
So gut der Film in Sachen Spannungsaufbau aber auch funktioniert, das fehlende Hintergrundwissen rund um den Konflikt hinterlässt trotzdem irgendwie eine kleine Leere in einem. Genauso, wie das leider doch deutlich missglückte Ende. Dort setzt man nämlich auf einmal nur noch auf Schauwerte und wirft Logik und Charakterintegrität über Bord. Das bezieht sich vor allem auf eine Figur, bei der man schon früh ahnt auf welche Reise der Film diese schicken will, deren Verhalten im Schlussdrittel aber trotzdem viel zu erzwungen und unglaubwürdig daherkommt. Auch die Inszenierung des großen Showdowns wirkt eher generisch und sorgt kaum für packende Spannungsmomente.
Und so fehlt “Civil War“ am Ende einfach die Kraft, um noch mal einen richtigen emotionalen Punch zu setzen. Was nach dem Abspann bleibt ist die Erinnerung an einige intensive Momente, aber insgesamt eben auch das Gefühl, hier einer verpassten Chance beigewohnt zu haben.
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