Tenet

Originaltitel
Tenet
Land
Jahr
2020
Laufzeit
150 min
Genre
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Volker Robrahn / 26. August 2020

Ob dieser Film nun wirklich die Kinobranche retten oder ihr zumindest einen dringend benötigten Wiederbelebungsimpuls geben kann, weiß man zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Vielleicht ist es doch ein bisschen unrealistisch diese Last nun ausgerechnet einem Christopher Nolan aufzubürden, dessen Filme ja eher verkopft als familienfreundlich daherkommen und auch nicht die Fans einer großen Franchise bedienen.

Ziemlich massentauglich sind sie in der Regel aber dennoch, und daher ist es auch absolut angebracht „Tenet“ als Event-Film anzupreisen. Denn ein Ereignis ist dieses Werk, dass den Zuschauer mit fantastisch choreographierten Actionszenen und einem so vielleicht noch nie erlebten Soundgewitter bombardiert, auf jeden Fall. Es ist aber auch ein Film, bei dem der Meister unter Verdacht steht, mit diesem visuellen Overkill darüber hinwegzutäuschen, dass die von ihm erzählte Geschichte die Tiefe und Komplexität, die sie uns vorgaukelt, nicht wirklich besitzt. Was zu der Frage führt: Ist dieser Nolan vielleicht doch ein Blender?

Die Geheimniskrämerei war groß, auch der Trailer sollte einem nicht mehr als eine ungefähre Ahnung davon vermitteln, worum es eigentlich geht. Nun werden also die Karten auf den Tisch gelegt, und was sich in der ersten Stunde von „Tenet“ entfaltet ist erst mal ein überraschend standardisierter Agententhriller, mit ständigen Schauplatzwechseln und eingestreuten Actionsequenzen. Es knallt schon in den ersten Minuten ordentlich, wenn eine Gruppe bewaffneter Kämpfer die Oper in Kiew stürmt und sich der Protagonist (John David Washington) bei diesem Einsatz bewährt, indem er sogar den Freitod wählt anstatt seine Kollegen zu verraten. Der bleibt ihm dann letztlich doch erspart, und stattdessen wartet ein neuer, noch viel größerer Auftrag auf ihn, für den er das Codewort „Tenet“ erhält. Es geht angeblich um das Schicksal der Welt, die durch eine Art Invasion aus der Zukunft bedroht ist.

Denn von dort gelangen anscheinend immer mehr „invertierte“ Gegenstände und Waffen, die sich rückwärts durch die Zeit bewegen, in unsere Realität. Mehr darüber scheinen nur die wenigen Personen zu wissen, die mit diesen invertierten Objekten handeln, und dabei steht vor allem der Waffenhändler Santor (Kenneth Branagh) im Zentrum der Ereignisse. Der Weg zu ihm führt über seine von ihm entfremdete Ehefrau Kat (Elizabeth Debicki), aber einfach so ist auch die nicht zur Mithilfe bereit. Schon der kleine Gefallen, den der Protagonist (dessen Namen wir nicht erfahren) und sein ihm neu zugeteilter Partner Neil (Robert Pattinson) ihr erweisen sollen, erfordert gigantische Logistik und Aufwand, ist aber dennoch nur der Auftakt einer wilden Reise.

Eine Reise, die über zweieinhalb Stunden zu keiner Sekunde langweilt, das sei gleich mal angemerkt. Und eine, bei der der Betrachter das eine oder andere Mal förmlich in den Sitz gedrückt wird, soviel Power und Druck entfalten sich auf der Leiwand und aus den Lautsprechern. Wenn dann irgendwann im Stadium „Inversion für Fortgeschrittene“ die eine Armeeeinheit vorwärts und die andere rückwärts durch die Zeit marschiert, das genauso für Flugzeuge, Hubschrauber und Schiffe gilt und das zudem absolut wortwörtlich zu nehmen und zu sehen ist – dann hat das schon einen ziemlichen „Wow“-Effekt und darf für sich die Aussage „so noch nicht gesehen“ in Anspruch nehmen.

Im Detail zu verfolgen, wer genau dann wo steht und was gerade bewirkt, ist aber kaum möglich und vermutlich auch gar nicht gewollt. Denn die Empfehlung, das Spektakel am Besten einfach nur auf sich wirken zu lassen ohne es komplett begreifen zu wollen, legt der Regisseur zuvor einer seiner Figuren direkt selbst in den Mund, wenn eine Wissenschaftlerin unserem verwirrten Protagonisten rät: „Versuchen Sie nicht es zu verstehen, fühlen Sie es einfach!".

Was aber eben auch eine recht lapidare Ausrede dafür ist, es dem Zuschauer praktisch unmöglich zu machen, das Geschehen im Verlauf komplett zu entschlüsseln oder überhaupt schon beim ersten Ansehen durchgehend den Überblick zu behalten. Wobei das bis etwa zur Hälfte des Films überhaupt kein Problem ist, erst dann geht es so richtig los, und einige Figuren beginnen in der Zeit zurückzugehen und erneut die Schauplätze aufzusuchen, die wir bereits gesehen haben und abgehakt glaubten.

Was zweifellos zu faszinierenden Momenten führt. Aber der Verdacht, dass es einfach nur die Idee selbst und die Möglichkeiten für deren spektakuläre Umsetzung waren, die zur Produktion von „Tenet“ führten, lässt sich nie ganz ausräumen. Denn letztlich ist das gesamte Konstrukt der Inversion zu absurd und zu unglaubwürdig, um es tatsächlich zu kaufen. Zumindest nicht in der hier präsentierten Form, wo man schon staunen darf, wie eher einfach gestrickte Soldaten es scheinbar mühelos durchblicken, stets den Überblick über das Chaos behalten und genau wissen, was sie darin zu tun haben.

Klar, im Tenet, ähem, Grundsatz funktioniert das schon und es ist auch absolut machbar dem zu folgen, was die designierten Weltenretter jeweils gerade aus welchem Grund erreichen wollen. Im Detail und bei näherem Nachdenken über die Logik der diversen geschehenen oder dann eben doch nicht (mehr) geschehenen Ereignisse ruckelt und hakt es aber gewaltig.Schuldig im Sinne des Vorwurfs „Style over Substance“ lautet daher diesmal recht eindeutig das Urteil, das bei dem artverwandten Vorgänger "Inception"  noch nicht so eindeutig ausgesprochen werden konnte.

Und das bedeutet dann fast zwangsläufig auch, dass die Darsteller in so einem Werk überwiegend funktionale Bedeutung haben und nicht viel mehr als das notwendige Mittel zum Zweck sind. So bleibt der namenlose Protagonist von Denzel Washingtons Sohn John David ein Mann ohne klare Eigenschaften, ohne Geschichte und Hintergrund. Es wird dabei irgendwann zwar deutlich, warum das so sein muss, aber das ändert nichts daran, dass es halt keine Rolle ist, die großen Eindruck hinterlässt.

Auch Kenneth Branaghs brutale Schurkenfigur bricht nur selten aus bekannten Motiven aus, während es Elisabeth Debicki in der Rolle der gequälten Ehefrau doch gelingt ein paar wirklich intensive Momente zu kreieren. Als positive Überraschung und Szenendieb entpuppt sich letztlich ausgerechnet der von Robert Pattinson herrlich erfrischend gespielte Neil, der als Einziger eine gewisse Unbekümmertheit und dazu noch Witz und Charme in die Geschichte bringt.

Eine Geschichte, die nach allem Abwägen letztlich einfach ziemlicher Quatsch ist. Aufregender, opulenter und beeindruckender Quatsch zweifellos, aber im Kern halt nicht viel mehr als das. Von einem großen Kinozauberer mit viel Tamtam und Getöse so weit aufgeblasen, dass man zeitweilig wirklich glaubt, hier wird etwas wahnsinnig Originelles und Bahnbrechendes erzählt. Doch wenn der Rauch sich lichtet und der Rausch vorbei ist, bleibt nicht allzu viel davon übrig.

Das ist aber gar nicht so schlimm und im Grunde nicht mal ein echter Vorwurf, denn ein tolles Kinoerlebnis kommt dabei (endlich mal wieder) ja trotzdem zustande. Und dafür vielen Dank, Mister Nolan. Sie Blender.

Bilder: Copyright

10
10/10

Klar mögen sich an dem Film die Geister scheiden. Dabei möge man allerdings bedenken, dass wir in der Zeit von Resterampen Filmen auf Netflix und Amazon zu sehr auf kurzweiliges Entertainment aus sind...

Den Gedankengängen des Christopher Nolan bei diesem epischen Kracher 100% zu folgen, war auch mir nicht möglich.

Aber das, was da geliefert wird, ist Kino-Kunst á la James Cameron oder Steven Spielberg.

Richtig (!!!) großes Action Kino, das nie aufdringlich wird und auch, trotz 2,5 Stunden keine Sekunde langweilig wird.

Christopher Nolan beweist einmal mehr, dass er ein Visionär ist, der dem Medium Film immer wieder etwas neues abgewinnt... Und auch in ruhigen Szenen, wie Schifffahrten, den Moment perfekt einfangen kann.

Dass der Autor den Film in seiner Tiefe nicht ansatzweise begriffen hat, zeigt sich leider schon im Fehler beim Namen des Bösewichts: Der heißt Sator - nicht Santor.. Googeln sie Mal Sator Quadrat, dann werden sie merken, was das für einen Unterschied macht.

Ohne zu spoilern: Eine Fortsetzung ist durchaus denkbar - die Geschichte scheint gerade erst anzufangen...

Wer von dem Film nicht überzeugt ist, dem empfehle ich "Taylor Rake" oder "Tiger King" als Alternative für seinen vom Medien Overdose Konsum zerballerten Kopf.

Alle anderen REIN INS KINO! ES HAT SICH SEIT JAHREN NICHT MEHR SO SEHR GELOHNT!!!

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9
9/10

Sehe ich anders. Das war sowohl visuell als auch inhaltlich ganz großes Kino.

Und wie lange müssen wir uns die letzten Jahre nur mit Comicverfilmungen, Prequels, Sequels und Disney-Live-Action-Filmen zufrieden geben. Ich kann sagen, dass ich sowas wie Tenet noch nicht auf der Leinwand gesehen habe und bin dankbar, dass es einen Regisseur wie Nolan gibt, der originelle Stoffe eindrucksvoll ins Kino zaubert - danke dafür!

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8
8/10

Ein schöner Film für die Rückkehr ins Kino. Und wie es der Meister möchte haben wir ihn uns im IMAX gegönnt.
Für alle die mit Christopher Nolans Filmen etwas anfangen können vermutlich
150 Minuten gute Unterhaltung.
Ich hätte mir gewünscht, dass mir der Film seine Regeln etwas besser erklärt. So bleiben manche Fragen offen, auch durch einen teils verwirrenden Schnitt.
Ansonsten ein ziemliches Spektakel.

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Schöne Kritik!
"...dass die Darsteller in so einem Werk überwiegend funktionale Bedeutung haben und nicht viel mehr als das notwendige Mittel zum Zweck sind."
Ist für mich Kern meines Problems mit den meisten Nolan-Filmen.
Nur bei "Inception" wurde für mich innerfamiliäre Beziehungen und Sehnsüchte streckenweise auch fühlbar. Bei Inception, Prestige, Dark Knight... alles für mich sehr kalte Filme in denen die Hauptfiguren schachbrettartig aufgestellt scheinen - vieles was Berührung verspricht bleibt reine Behauptung/leeres Zitat.
Bin nun aber auf Tenet gespannt - vermute irgendwas zwischen James Bond, Inception und Matrix :D

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6
6/10

Lieber Volker Robrahn, Sie sprechen mir aus der Seele und treffen mit Ihrer Kritik den Nagel auf den Kopf! Treffer!! Doch noch eins: Der Sound grenzte schon an Terror und sorgte für eine permanente Unruhe ... vielleicht auch um von der fehlenden Tiefe hinter dem Rauch abzulenken ...

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Wie soll man diesen Film bewerten? Vielleicht so: Das Kino wird er nicht retten, dann schon eher Dune, Avatar II oder Matrix IV. Christopher Nolan war mal ganz toll mit Following, Memento, Insomnia, The Prestige. Und Batman begins wie The Dark Knight war trotz Schwächen nicht wirklich schlecht. Ab da ging's dann rapide abwärts, wie bei fast allen guten Regisseuren (Aronofsky? Petersen? Emmerich?). Insomnia und Interstellar sind vor lauter plot holes in der Handlung nicht mehr wirklich mitzuverfolgen.

Tenet krankt nun neben dem katastrophalen Sounddesign mit unverständlichen Dialogen und schmerzhafter Dröhnerei, wieder jeder Menge plot holes und einer recht konventionellen Geschichte (schon mal "The time traveller's wife" gesehen? "Predestination"? "Timecrimes"? "Primer"? Um gar nicht von den ganzen Timecops, Zurück in die Zukunfts usw. anzufangen) an einer absichtlichen, aufgesetzten Verkomplizierung durch Verschachtelung und Vorenthaltung, die besser durch einen schlauen plot ersetzt würde - da kann die Konkurrenz ja auch. Bei Memento war das Vorenthalten noch durch den plot selbst erzwungen, hier will man ein bisschen absichtlich verwirren, um von einem sehr übersichtlichen Prinzip abzulenken, dass man sehr schön hätte umsetzen können - CHANCE VERTAN!

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3
3/10

mmmmh.....was soll das? Filme in denen man nach 20Min. keine Ahnung mehr hat worum es geht und das Hirn signalisiert "ohne mich!" Dialoge die einen völlig sinnlos erscheinen. Schon Interstellar spielte in dieser Liga und war eine herbe Entäuschung.

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8
8/10

Mit Tenet stellt Nolan leider seine größte Schwächen in den Fokus. Seine Vorliebe für komplexe, visuell beeindruckende und abgefahrene Geschichten sind einerseits mutig und revolutionär, andererseits muss man während des Films wieder mal ein Physik-Studium absolvieren. Bei Inception und Interstellar war das noch recht spacig, hier langweilt es aber doch erheblich. Zeitreisen sind immer ein zweischneidiges Schwert, denn irgendwann wird es immer unlogisch. Hier wird von Beginn an hochkomplex und tatsächlich verliert Nolan mich als Zuschauer und mein Interesse, alles zu verstehen, sehr schnell. Warum auch immer, hatte ich bei diesem Film keine Lust, alles zu hinterfragen oder nach dem Film unzählige Webseiten zur Erklärung aufzusuchen.
Die an Nolan viel kritisierte, fehlende Menschlichkeit und Zugang zu den Charakteren wird hier ganz drastisch deutlich. Ich fühlte mich, als wäre ich eine Stunde zu spät in den Film eingestiegen. Mit welcher Rasanz der Protagonist die Thematik als selbstverständlich aufnimmt, wie Kalt alle Figuren sind, das nimmt einem eine Mitfiebern mit den Darstellern. Ich konnte nichts zu den Figuren aufbauen.
Zudem ist die Story auch sehr holprig. Die Umwege, über welche man an den Bösewicht gelangen will, sind absurd verquer und vor allem sehr drastisch und übertrieben aufsehenerregend. Für die Kamera sicher toll, für die Story etwas unverständlich. Auch die Schnitte waren teils verwirrend.
Der Sound etwas dröhnend, aber für mich aber nicht unpassend.

Am Ende doch 8/10 Augen. Nolan könnte auch buntes Avengers-Kino machen, stattdessen ist Film doch wieder etwas besonderes und gerade das Filmen von Figuren, die sich gleichzeitig entgegengesetzt durch die Zeit bewegen, ist einfach konzeptioneller und visueller Wahnsinn, den man gesehen haben muss. Es ist mutig und macht es dem Zuschauer nicht einfach. Dem muss ich Respekt zollen, auch wenn ich Inception und Interstellar besser fand.

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5
5/10

...kam der Film dann ja auch ins Fernsehen, was natürlich nur die halbe Miete ist, aber es einem erlaubt, den Sound wenigstens nach eigenem Gusto zu regulieren.
Ich stimme weitgehend mit Herrn Robrahn überein, aber mit deutlich geringerer Augenzahl. Für mich hat Nolan zwei wirklich überzeugende Filme gemacht: Memento und Dunkirk. Der Mann hat ja einfach eine fixe Idee mit den Zeitschleifen, aber es gelingt ihm eben sehr unterschiedlich gut, uns nicht so manisch darauf fixierte mitztunehmen. Mich verliert er, wenn es nur noch rundrum kracht und blitzt, wenn er also sein Hauptthema mit einem Effektgewitter zukleistert. In den beiden als Höhepunkte von mir genannten Filmen waren die Hauptakteure eben nicht so kalt und austauschbar, man konnte sowas wie Mitleid, Einfühlung und Anteilnahme empfinden .... und der Erzählmodus war halt klar und nachvollziehbar. Den kann man dann mögen oder nicht, aber man konnte ihm folgen. Für mich streift Tenet oft die Bond-Parodie, so überdreht ist das, mit dem Jumbojet in einen Flughafen zu fahren, um ein gefälschtes Bild aus einem Depot zu stehlen. Ham' Sie's nicht mal 'ne Nummer kleiner, oder brauchen Sie das pausenlose Feuerwerk, um mir als Zuschauer Ersatz für fehlende Stringenz der Handlung oder Originalität der Figuren zu bieten? Washington junior und Branagh laufen da doch wie Abziehbilder von Papa oder sich selbst durch's Bild. Trotzdem bin ich, wenn auch kopfschüttelnd, drangeblieben.

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