Der norwegische Polizist Harry Hole (Michael Fassbender) leidet unter Alkoholproblemen und Schlaflosigkeit. Aufgrund seiner Verdienste bei der Osloer Mordkommission lässt man ihm diese Unzuverlässigkeiten durchgehen, empfindlicher reagiert da schon seine Ex-Freundin Rakel (Charlotte Gainsbourg), wenn er mal wieder eine Verabredung mit ihrem Sohn platzen lässt. Als gleich mehrere Frauen als vermisst gemeldet werden und als Markenzeichen am Tatort stets ein in eine bestimmte Richtung zeigender Schneemann hinterlassen wird, stellt sich Harry endlich eine neue Aufgabe. Gemeinsam mit seiner neuen Kollegin Katrine (Rebecca Ferguson) beginnt er zu ermitteln und entdeckt dabei Spuren, die zu einem verdächtigen Arzt sowie dem wohlhabenden Industriellen Arve Støp (J.K. Simmons) führen. Doch der Schlüssel und Kern des Rätsels liegt letztlich ganz woanders...
Den Kinozuschauern dürfte der Name des Schriftstellers Jo Nesbø bisher hauptsächlich durch die Verfilmung seines Buches „Headhunters“ geläufig sein. Im Gegensatz zu diesem inhaltlich ziemlich abgefahrenen und im Verlauf immer verrückter werdenden Werk handelt es sich bei seinen Romanen um den Osloer Polizisten Harry Hole jedoch um recht standardisierte skandinavische Krimikost. Ein mit persönlichen Problemen belasteter (gerne dem Alkohol verfallener) Ermittler verbeißt sich (gerne mit einem neu zugeteilten Kollegen) in einen mysteriösen Mordfall, der auf einen Serientäter hinweist, der seine Morde gerne mit gruseligen Hinweisen und Psycho-Spielchen anreichert. All das findet sich auch in „Schneemann“ und somit bietet der Film im Grunde nichts, was man nicht schon dutzendfach auch in den populären TV-Adaptionen skandinavischer Kriminalliteratur gesehen hätte – die hübsch-gruselig in Szene gesetzte schneebedeckte Landschaft samt einsamer Waldhütten inklusive.
Dass der neue Film des versierten Tomas Alfredson ("So finster die Nacht", "Dame, König, As, Spion") trotzdem erst mal Interesse weckt liegt vor allem an der namhaften Besetzung, die man hier zusammen bekommen hat. Charaktermimen wie J.K. Simmons („Whiplash“) oder Charlotte Gainsbourg („Antichrist“) ließen sich für Nebenrollen engagieren, ebenso ein Val Kilmer („Heat“), der seine Version eines abgehalfterten, aufgedunsenen Ermittlers in einer Rückblicksequenz darbietet und dabei in nur wenigen Szenen mehr Eindruck hinterlässt als die Hauptfigur dieser Geschichte.
Und das kommt schon ein wenig überraschend, gilt doch Michael Fassbender zu Recht als einer der stärksten und wandlungsfähigsten Darsteller seiner Generation. Hier jedoch wirkt er persönlich deutlich verlorener und zielloser als die Figur, die er verkörpert. Denn das was seinen Harry Hole umtreibt und quält wird eigentlich nie richtig deutlich, der befindet sich einfach von Beginn an in diesem nur behaupteten derangierten Zustand, ohne dass er äußerlich tatsächlich so wirkt oder sich entsprechend unberechenbar benimmt. Im Prinzip agiert Harry sogar deutlich vernünftiger und kontrollierter als seine neue Kollegin, bei der recht schnell klar wird, dass sie auch aus persönlichen Motiven an diesem Fall klebt. So erweist es sich insgesamt als unglückliche Entscheidung uns hier eine Verfilmung des bereits siebten Romans der Reihe um Herrn Hole zu präsentieren, ohne dass dessen (vermutlich tragische) Vorgeschichte irgendwie näher erläutert wird.
Ein weiterer Schlüsselpunkt des Serienkiller-Rätsel-Thrillers ist natürlich die schlussendliche Enthüllung des Täters. Da bestehen dann zwei große Gefahren, nämlich entweder die, dass man als erfahrener Zuschauer schon sehr schnell ahnt in welche Richtung das Ganze wohl laufen wird. Oder – und das ist exakt die Falle in die auch „Schneemann“ stolpert – die Auflösung ist zwar eher nicht vorhersehbar, aber dafür derart weit hergeholt und von persönlichen Verbindungen bzw. Zufällen geprägt, dass es in höchstem Maße unglaubwürdig wirkt. Und weil das hier so ist, überzeugt die Geschichte letztlich auch inhaltlich nicht.
Was bleibt, ist daher ein nordischer Krimi, der sich lediglich aufgrund seines höheren Produktionsbudgets und der imposanten Besetzung von massenhaft hergestellter Fernsehkost abhebt.
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