Science of Sleep Anleitung zum Träumen

Originaltitel
La science des rêves
Land
Jahr
2006
Laufzeit
105 min
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Simon Staake / 29. Januar 2011

Filmkritiker lassen sich ja generell ungern mit Pawlowschen Hunden vergleichen. Trotzdem ist es natürlich unumgänglich, dass so ein Film wie "The Science of Sleep - Anleitung zum Träumen" gerade diese Berufsgruppe auf die Probe stellt. Ermüdet vom jahrelangen Betrachten der Dutzendware, die von Hollywood so serviert wird, neigen wir ja doch dazu, bei Filmen die "anders" und "originell" sind, sofort Begeisterung zu zeigen, eben weil diese Filme durch ihr Anderssein schon mal Bonuspunkte einsammeln. Aber "anders" heißt nicht zwangsläufig auch immer besser, und Michel Gondrys neuer Film ist das beste Beispiel dafür.
Dabei waren die Voraussetzungen nicht schlecht: Ein visuell und stilistisch eigenwilliger Regisseur, der einen der besten Filme der letzten Jahre ("Vergiss mein nicht") als letzte Arbeitsprobe vorweisen kann; ein talentierter junger Hauptdarsteller, der in vielen Kritikerhits der letzten Jahre auftauchte; eine völlig abgedrehte und auf diese Art garantiert noch nicht visualisierte Geschichte und - als Bonus für alle Cappuccinoschlürfenden Baskenmützenträger in der Filmkritikerzunft - eine Hauptdarstellerin aus dem Herkunftsland des Kinos.

Was ging also schief? Nun, abgefahrene Ideen allein machen eben noch keinen Film aus. Bindet man sie gut und stimmig in eine entsprechende Geschichte ein, die daneben auch Wärme, Glaubwürdigkeit und Rhythmus hat, dann werden auch aus abgefahrenen Ideen tolle Filme. Gut nachzusehen bei eben jenem "Vergiss mein nicht". Dort allerdings war Michel Gondry nur einer von drei Schreibern, und nach Betrachten von "Science of Sleep" muss man konstatieren, dass die Menschlichkeit und philosophische Tiefe jenes Films wohl eher von Charlie Kaufmann oder Gondrys damaligem Schreibpartner Pierre Bismuth herrührt. Hier auf sich allein gestellt, bleiben dann nur noch eine sehr dünne Handlung (Tagträumer Stéphane zieht zurück in die Stadt, hat einen langweiligen Job und verliebt sich in seine Nachbarin Stéphanie) und die Absurditäten übrig, die im Mittelteil von "Vergiss mein nicht" bei der Flucht der Jim Carrey-Figur in ihr eigenes Unterbewusstsein auftauchten. Dort waren sie witzig, auch anrührend und poetisch, aber es war eben nur ein kleiner Teil eines Films, der drum herum viele andere (und noch tollere) Sachen bot.
In "Science of Sleep" sind diese absurden Momente quasi der ganze Film, fortlaufend folgt man Stéphane hinaus aus der Realität und hinein in seine abgedrehten Träumereien, und auf über anderthalb Stunden gestreckt wirkt das Ganze eher ermüdend denn erfrischend, bemüht statt berührend. Natürlich sind hier auch wirklich witzige Szenen dabei, kleine "Aha" und "Oh"-Momente. Aber auch diese fügen sich immer noch nicht zu einem zufrieden stellenden Ganzen - soll heißen: einem guten Film - zusammen. Dazu bleibt das Ganze zu sehr Selbstzweck, ein mühsam auf kindlich getrimmter Trip durch die Fantasiewelt, der dann in entscheidenden Momenten statt kindlich kindisch rüberkommt. Und das ist dann eben entscheidend.

Andererseits kann man Gondry den schon in seinen legendären Musikvideos präsenten, visuellen Einfallsreichtum nicht absprechen, und diverse der Fantasieeinstellungen sind schon toll. Wenn etwa einige Töne des eigentlich verstimmten Klaviers den Traum mit Wolken aus Wattebäuschen füllen oder Stéphane seine obskure Zeitmaschine benutzt, dann gelingen Gondry inmitten des Wahnsinns doch anrührende und schöne Momente, die den Film über den Durchschnitt heben. Etwas ist immer los, auch wenn man nicht immer sicher ist, was es ist. Und meistens auch nicht recht weiß, was man davon halten soll. Unterhaltsam bleibt es demnach trotz der angesprochenen Mängel meistens. Und damit hat dieser beizeiten etwas zu selbstverliebte Nonsens sogar solchen Schnarchern wie "Superman Returns" noch etwas voraus.

Einen wichtigen und entscheidenden Fehler begeht Gondry allerdings mit der Annahme, sein Alter Ego Stéphane werde durch die dargestellten Fantasiehöhenflüge durch Traumwelten automatisch zum Sympathieträger. Das fällt aber bei der Ansicht eines so offensichtlich dysfunktionalen Menschen nicht immer leicht. Denn wo Gondry alle negativen Interpretationen weglässt und durch die rosarote Brille einen Freigeist sieht, der die Fesseln des Erwachsenseins sprengt und sich in die unschuldige und freie Kinderzeit zurück fantasiert, so sieht der böse rationale Erwachsenenblick einen mit Schizophrenie-Symptomen kämpfenden Menschen mit Persönlichkeitsstörung, dem es unmöglich ist mit seiner Umwelt eine richtige Beziehung aufzubauen. Spätestens wenn Stéphane dann im (enttäuschenden) Finale unvermittelt und grundlos seine Angebetete aufs Übelste beschimpft, hat man das Gefühl, er hätte zusätzlich zu seinen anderen Problemen auch noch ein Stück Tourette-Syndrom abbekommen. Den Zuschauer haben Stéphane und Michel zu diesem Zeitpunkt jedenfalls längst verloren, denn spätestens jetzt mag man Stéphanes Eigenwilligkeiten nicht mehr so bedingungslos folgen, wie sich der Regisseur und Drehbuchautor das wohl gedacht hat.
Da kann dann selbst der eigentlich immer gut spielende Gael Garcia Bernal nicht wahnsinnig viel machen. Auch Charlotte Gainsbourg spielt ihre Rolle durchaus charmant, aber ihre Figur bleibt viel zu holzschnittartig, um zu überzeugen. Man erfährt schlichtweg nicht genug über sie. Noch mehr als Stéphane wird Stéphanie über Fantasie und Kreativität definiert, hat aber offenbar kaum andere Eigenschaften. Wenn der Film dann mal andere Charaktereigenschaften abbildet, wie etwa ihre Flirtwilligkeit während einer Party, weiß er nicht, wie er damit umzugehen hat und nimmt die Position des Protagonisten ein, nämlich die eines bockigen Kindes. Erwachsensein ist halt nicht nur schwer, sondern - eingeschränkte Kreativfreiheit hin oder her - manchmal auch nötig.

Und daher ist Herr Gondry vielleicht doch besser damit beraten, zukünftig Co-Drehbuchschreiber mit heran zu lassen, die seinen Ideen Struktur und Stringenz verleihen und vielleicht auch mal "Stop" rufen, wenn es zu albern wird und eine erwachsene Stimme der Vernunft braucht. Denn ungezügelte und nicht kontrollierbare Fantasie - das müssen sowohl der Protagonist Stéphane als auch sein Erfinder Michel erkennen - ist nicht immer nur Segen, sondern beizeiten auch ein Fluch.

Bilder: Copyright

Der Film wirkt über weite Strecken so, als hätte Michel Gondry "seinen" Teil von "Vergiß mein Nicht" nun nachträglich nochmal getrennt verfilmt.
Dabei herausgekommen ist erwartungsgemäß ein um einiges unkonventionellerer Film, der aber seltsam kalt läßt.
Lange verfolgt man die Hauptfigur in ihren fieberhaft verbastelten Traumgespinnsten und ist mit ihr unfähig Fantasie und Traum auseinanderzuhalten - leider viel zu lange, als daß einen die auf diese Weise sehr wenig nachvollziehbar verlaufende Liebesgeschichte und die Entwicklung der sozialen Umgebung der Hauptfigur irgendwie nahekommen würde.
Gondrys absurde Sybolik ist ja oft aus seinen eigenen Kindheitserlebnissen abgeleitet, was seinen bisherigen Arbeiten oft eine psychologische Wahrhaftigkeit verliehen hat, die hier aber zu einer in der Tat etwas überbordenden Albernheit (ich denke nur an den Auftritt im Bärenkostüm) verkommen ist.
Meine Vermutung ist, daß er Film um einiges länger gewesen sein muß, dafür spricht der Kommentar auf der DVD (ebenfalls etwas unangenehm-chaotisch) in dem einige offensichtliche Absurditäten des Films mit fehlenden Szenen erklährt werden.
Trotzdem ein nicht ganz unsehenswerter Trip - zwischen dem ganzen hyperaktiven Bastelkram gibt es eben doch einige Symbole die etwas mehr tragkraft haben - besonders die kleine Zeitmaschine! :o)

Permalink

8
8/10

Das war ein echt toller Film. Alain Chabat und Miou-Miou waren am bessten.

Permalink

10
10/10

Für mich war es einer der stärksten Film des Jahres und sogar einer der besten der letzten Jahre. Die impliziten (oder auch nicht so impliziten) normativen Forderungen, die in der Rezension an Filme gestellt werden, sollten nochmal überdacht werden. Ein ernstzunehmender Tip: Unbedingt im Original anschauen, sonst funktioniert da nicht mehr viel.

Permalink

9
9/10

Ach, Alain Chabat ist ein hervorragender Schauspieler, er wurde schon oft Ausgezeichnet, Charlotte Gainsbourg macht zusätzlich noch tolle Musik.

SCHAUT EUCH DEN FILM AN, ICH WAR BEEINDRUCKT.

Permalink

6
6/10

Ich hab den Film vor gezeiten mal im Kino geschaut, aber jetzt wo mir der name hier aufgefallen ist, ist mir gleichzeitig auch wieder das gefühl eingefallen, dass ich beim schauen des Filmes hatte...

Man kann auch ein wenig zuviel Phantasie reinschmeißen und ein wenig zu wenig Handlung drin haben

der Film kam mir vor, als hätte er sich an die fabelhafte Welt der Amelie versucht, ist dabei aber in einer Traumblase stecken geblieben

Also nach dem Kinobesuch war ich nicht sonderlich.... sagen wir mal.... befriedigt. hat zuviel versucht, aber es nicht wirklich zuende geschafft. Meine Begleitung war übrigends der selben Meinung

Permalink

1
1/10

Der Kritik vom Herrn Staake kann ich zustimmen. Zusammen mit der Kritik von Buci ist wohl meine Meinung zum Film gesagt.

Permalink

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Aufgabe prüft, ob du menschlich bist um Bots zu verhindern.