George Clooney hat sich einen Ruf erarbeitet als liberaler Vorzeige-Intellektueller von Hollywood, und als solcher liest man natürlich viele Bücher. Da Clooney sich offensichtlich auch für die amerikanische Geschichte des 20. Jahrhunderts interessiert - ein Thema, dass sich auffällig als roter Faden durch seine Filmografie als Regisseur und Produzent zieht - sind vieles davon Sachbücher, und man wäre ja nicht Filmemacher, wenn man dabei nicht ständig den Gedanken bekäme: Daraus müsste man unbedingt einen Film machen! Manchmal ist dieser Gedanke richtig, so wie beim Oscar-prämierten "Argo". Manchmal ist dieser Gedanke falsch, so wie bei der schlappen Militär-Realsatire "Männer, die auf Ziegen starren". Clooneys neuster Film gehört eindeutig zur zweiten Kategorie.
"Monuments Men" erzählt die wahre Geschichte eine Gruppe von Kunsthistorikern, die sich gegen Ende des Zweiten Weltkrieges massive Sorgen machten, dass im Schlachtengetümmel und Dauer-Bombardement auf dem europäischen Kontinent und angesichts der Politik der verbrannten Erde, welche die Nazis verfolgten, unersetzliche Kunstschätze der Menschheitsgeschichte vernichtet werden könnten. Mit dem Segen aber nicht gerade der aktiven Unterstützung der US-Army machte sich diese kleine Gruppe auf, um in den Wirren des letzten Kriegsjahres soviele Kunstschätze wie nur möglich zu retten und an ihre rechtmäßigen Besitzer (oftmals von den Nazi enteignete, jüdische Kunstsammler) zurück zu geben.
Es gibt verschiedene Ansätze, mit der man sich diesem Stoff in der filmischen Umsetzung nähern kann. Das zentrale Problem von "Monuments Men" ist, dass er sich so unsicher zu sein scheint, welchen Weg er einschlagen will, dass er einfach in alle Richtungen gleichzeitig läuft. Da gibt es die hehre, ehrenhafte Heldengeschichte, deren Kernaussage den Film ganz offensichtlich motiviert hat: Dass die größten Kulturgüter der Menschheitsgeschichte eine Bedeutung haben, die über ein einzelnes Menschenleben hinausgeht, und dass sie es somit wert sind mit dem Leben verteidigt zu werden. Wenn Stokes beim Aufbruch nach Europa zu seinen Mannen sagt "Euer Leben ist wichtiger als irgendein Kunstwerk", so ist denn auch völlig klar, dass Stokes' selbst bis zum Ende des Films die Lektion verinnerlicht haben wird, dass das nicht stimmt. Zugleich fragt man sich aber schon am Anfang, ob ein Mann, der von diesem Satz überzeugt ist, sich überhaupt für diese sehr spezielle Mission entscheiden würde. Denn schließlich wagen sich hier im Sinne einer größeren Sache eine Gruppe von Männern in die Hölle des Krieges, die dafür eigentlich überhaupt nicht geeignet sind.
Womit wir bei der nächsten Variante dieser Geschichte wären: Die Konfrontation unvorbereiteter Akademiker mit den Gräueln und Gefahren des Krieges, und wie sie an dieser Herausforderung wachsen müssen, um zu überleben. Das ist aber natürlich auch ein "Fish out of water"-Szenario, welches sich genauso gut als Komödie inszenieren lässt: Verkopfte Bücherwürmer versuchen sich als Soldaten und müssen auf oft absurde Weise lernen, dass das Leben beim Militär anders aussieht als in der Bibliothek. Und dann ist da noch die Variante, die ganze Sache wie eine Art Gaunerstück zu spielen, in dem ein zusammen gewürfelter Haufen cleverer Köpfe mit spitzen Zungen versucht, den Nazis den größten Kunstschatz der Welt zu stehlen, welchen die Nazis sich zuvor selbst zusammengeraubt haben. So eine Art "Ocean's Eleven im Weltkrieg - und mit Kunst".
Clooney und sein Co-Autor/Produzent Grant Heslov waren wohl der Auffassung, dass dieser Stoff all diese verschiedenen Aspekte enthält und gerade darum einen guten Film abgeben muss, nämlich einen Film, der alles gleichzeitig ist: Drama, Tragödie, Komödie, Gauner-Krimi. In ihrer Umsetzung ist "Monuments Men" wirklich all das, aber leider nicht gleichzeitig, sondern nebeneinander. Über weite Strecken fühlt es sich so an, als würde der Film mit jeder Szene seine Tonalität verändern, wobei er mindestens so unsortiert und zusammenhanglos umher hüpft, wie es bald auch die Geschichte tut. Es hilft der Stringenz von "Monuments Men" leider überhaupt nicht, dass sich die mit großen Schauspieler-Namen gespickte Truppe nach Ankunft in Europa aufteilt und auf bis zu fünf gleichzeitige Handlungsstränge zerfasert, die nur bedingt miteinander zusammenhängen. Vieles ist hier nicht mehr als anekdotisch, kleine "Geschichtchen aus dem Krieg", für sich genommen ganz nett, fürs große Ganze aber nur wenig bis gar nicht relevant. Richtig ärgerlich wird es, als der einzige Subplot, der so etwas wie eine runde Handlung besitzt - Matt Damons Versuch, eine schnippische und skeptische Französin (Cate Blanchett in dem "Wir haben auch eine wirklich wichtige Frauenrolle in diesem Männerfilm!"-Part) von der Aufrichtigkeit seiner kunstbeschützenden Absichten zu überzeugen - dem allgemeinen Tonalitätswirrwarr auch noch unbeholfen einen Hauch Romanze beizufügen versucht, leider sehr zu Lasten von Blanchetts Charakter.
Man merkt "Monuments Men" durchweg seine verkrampfte Mühe an, aus dem Sachbuch, auf dem er basiert, die Rosinen heraus zu picken und aus einem Tatsachenbericht so etwas wie eine runde Filmhandlung zu stricken. Es klappt leider überhaupt nicht. Die Mission der Kunstbeschützer (alle Kunst Europas vor dem Krieg und den Nazis retten) ist so überdimensional, dass der Versuch, sie mit sieben Mann anzugehen, geradezu lächerlich naiv wirkt, wodurch wiederum ein klares ernstzunehmendes Ziel fehlt, aus dem man Spannung generieren könnte. Und selbst als sich der Film gegen Ende bemüht, ein Rennen gegen die Zeit zu konstruieren, so glaubt man doch für keinen Moment, dass die Kunst, die hier am Ende gerettet wird, ernsthaft in Gefahr war. Es ist kein Geheimnis, dass die echten "Monuments Men" die großen Kunstverstecke der Nazis tatsächlich ausfindig machten. Man kommt nur nicht umhin sich zu fragen, ob diese nach Ende des Krieges nicht auch so oder so gefunden worden wären. Und so schafft es der Film nicht mal, sein zentrales, pathetisches Motiv - das es große Kulturgüter wert sind, sie mit seinem Leben zu verteidigen - überzeugend rüber zu bringen. Es gibt nur eine einzige dramatische Zuspitzung, in der einer der Männer sein Leben in Verbindung mit einem Kunstschatz lässt, und dabei versucht er nicht einmal aktiv, diesen wirklich mit aller Kraft zu verteidigen. Auch wenn der Film nachher so tut, als hätte er.
So scheitert Clooney mit seinen hehren Motiven leider auf ganzer Linie. Die gewichtige Aussage, die er mit "Monuments Men" transportieren will, bleibt in schlechter filmischer Umsetzung stecken, der es auf fast schon erschreckende Weise an Feinfühligkeit fehlt. Und der Rest ist in seiner erzählerischen und tonalen Unentschlossenheit so unfokussiert und krampfig, dass es an jeglicher Spannung ebenso fehlt wie an überzeugendem Witz. Wenn selbst Komödien-Größen wie Bill Murray und Bob Balaban nicht in der Lage sind, die Konstruiertheit ihrer gewollt spitzzüngigen Wortgefechte zu überspielen, dann wird es wirklich düster für einen Film. Und fürs Publikum einfach nur sehr, sehr öde.
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