Die „Älteren“ unter uns werden sich erinnern: Mehr als ein Jahr dauerte die zermürbende Geiselnahme von mehr als 50 Mitarbeitern der US-Botschaft in Teheran nach der Übernahme des Iran durch die Gotteskrieger des Ayatollah Khomeini. Wenig bekannt ist dagegen das Schicksal von sechs Amerikanern, die sich noch rechtzeitig absetzen konnten und schließlich Unterschlupf im Privathaus des kanadischen Botschafters fanden. Das liegt daran, dass die Unterlagen zu diesem Thema erst mit einer Verzögerung von zwanzig Jahren freigegeben und so der Öffentlichkeit bekannt gemacht wurden. Dabei war die vom CIA und seinen Helfern durchgeführte Befreiungsaktion höchst spektakulär und bietet zweifelsohne einen interessanten Filmstoff. Angenommen hat sich der Geschichte nun als Regisseur und Hauptdarsteller Ben Affleck und der fügt mit dem fast durchgehend gelungenen „Argo“ seiner bemerkenswerten künstlerischen Auferstehung ein weiteres Erfolgskapitel hinzu.
Tony Mendez (Ben Affleck) ist ein Spezialist für das „Ausfiltern“ von Amerikanern aus bedrohlichen Situationen. Und im Jahr 1979 ist die Situation mehr als gefährlich für die sechs aus der US-Botschaft geflohenen Amerikaner, denen ständig die Entdeckung droht, welche vermutlich einem Todesurteil gleichkäme. Nachdem CIA und Regierung bereits mehrere Pläne, die Sechs aus dem Iran herauszuholen, als wenig erfolgversprechend verworfen haben, überrascht Mendez seine Vorgesetzten mit einer reichlich verrückt klingenden Idee: Er will sich als kanadischer Filmproduzent ausgeben und unter dem Vorwand, nach Drehplätzen für seinen Science-Fiction-Film „Argo“ zu suchen, im Iran einreisen. Anschließend plant er die Sechs mittels gefälschter kanadischer Pässe als seine Filmcrew auszugeben und mit ihnen ganz offiziell und legal das Land wieder zu verlassen. Der Plan klingt zwar absurd, aber da niemandem eine bessere Lösung einfällt erhält Mendez schließlich das Okay der obersten Entscheidungsträger.
Es ist schon beeindruckend was der ehemals gern mal als schauspielerisches Leichtgewicht verspottete Ben Affleck in den letzten Jahren auf die Beine stellt. Gut, von seinen mimischen Fähigkeiten her wird er auch weiterhin nicht in die Gefahr einer Oscarnominierung geraten, doch zumindest auf dem Regiestuhl profiliert er sich nach „The Town“ nun erneut mit einem klar überdurchschnittlichen Werk. Dabei gelingt Affleck auch zum zweiten Mal hintereinander das Kunststück sowohl die meisten Kritiker als auch das Publikum auf seine Seite zu ziehen, denn „Argo“ darf bereits jetzt als kommerzieller Erfolg verbucht werden, der in seinem Entstehungsland recht mühelos auf die 100 Millionen Dollar-Kasseneinspiel zusteuert.
Zwar gibt Affleck hier auch wieder die Hauptrolle, doch legt er seinen Tony Mendez ganz bewusst als eine Art „Mann ohne Eigenschaften“ an, einen wenig charismatischen Arbeiter, der genauso stoisch wie entschlossen seinen Job macht und nur hauchzart mit so etwas wie einer Hintergrundgeschichte versehen wird. Frisur und Bart im Stil der späten siebziger Jahre tun dann das Übrige um das Gesicht des bekanntesten Namens in der Besetzung fast vollständig hinter der packenden Handlung verschwinden zu lassen. Mit Bryan Cranston („Breaking Bad“), Alan Arkin und John Goodman versichert sich Affleck allerdings der Unterstützung einiger Schwergewichte, die vor allem in der ersten Hälfte des Films für beste Unterhaltung sorgen.
Diese spielt noch überwiegend in den USA, wo sich um die zunächst völlig bescheuert wirkende Idee, so zu tun als ob man im politisch unruhigen Iran tatsächlich einen Film drehen will, zeitweilig eine echte Komödie um eitle und clevere Produzenten der Filmwelt entwickelt. Denn bei genauerem Nachdenken war dieser (tatsächlich stattgefundene) Bluff eigentlich durchaus plausibel: Warum sollte denn ein kleines kanadisches Studio in dieser Zeit nicht auf die Idee kommen, eine billige „Star Wars“-Kopie in Auftrag zu geben? Und hatte dieser George Lucas für seine komische Weltraumoper nicht gerade erst in der Wüste von Tunesien gedreht? Da hat der Iran doch schließlich ähnliches zu bieten und dürfte sich vermutlich sogar geschmeichelt fühlen. Und so wurden also munter Werbeanzeigen für einen Film namens „Argo“ geschaltet und Schauspieler für einen Film gecastet, der nie gedreht werden würde.
Ausstattung und Darsteller vermitteln dabei äußerst überzeugend Kolorit und Feeling der ausgehenden 70er Jahre und so langsam wandelt sich dann die Beinahekomödie schließlich doch zu einem äußerst fesselnden Thriller, bei dem die Gefahr entdeckt zu werden für die Protagonisten ständig steigt und Uneinigkeit innerhalb der aufeinander angewiesenen Gruppenmitglieder für zusätzliche Probleme sorgt. Der Ausgang der Mission ist dabei zwar historisch vorgegeben, dürfte aber vermutlich längst nicht jedem bereits im Vorwege bekannt sein. Beim großen Finale fängt sich „Argo“ dann aber auch seine einzigen nennenswerten Abzüge ein, denn im Bestreben die Spannungsschraube immer weiter anzudrehen, verfällt man in die typische Hollywood-Angewohnheit es mit den dramatischen Kniffen etwas zu übertreiben. Denn plötzlich geschieht alles gleichzeitig und wo sich bis dahin alles über Monate entwickelte, kommt es dann plötzlich auf wenige Sekunden an, die über Erfolg oder Fehlschlag der Aktion entscheiden. Hier verliert die Handlung dann doch ein wenig ihre Glaubwürdigkeit und übertreibt mit der ein oder anderen Szene ziemlich maßlos.
Doch das ist letztlich nicht mehr als ein kleiner Schönheitsfleck auf der ansonsten sehr weißen Weste eines überaus interessanten Geschichte. Überzeugend inszeniert vom anscheinend sehr kompetenten Filmemacher Ben Affleck. Daran werden wir uns wohl gewöhnen müssen.
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