Mit was für einem Kuriosum wir es hier wahrhaftig zu tun haben verdeutlicht eigentlich schon ein etwas genauerer Blick in die oben aufgeführten Credits und dort in die Drehbuch-Spalte im Speziellen. Jawohl, für diesen nicht ganz unbedeutenden Bestandteil einer Filmproduktion zeichnet hier das neue Traumduo des deutschen Kinos in Form von Bushido & Bernd Eichinger verantwortlich. Ob daraus auch eine Freundschaft fürs Leben werden wird, dürfte maßgeblich vom Erfolg des Films abhängen, es bleibt aber bereits jetzt festzuhalten, dass man bei Bernd Eichinger definitiv damit rechnen muss, dass er nicht nur wirklich jedes deutschen Medien-Thema für verfilmbar hält, sondern den Beweis dafür auch gleich umgehend selbst abliefert. Dabei ist in der Vergangenheit ja auch durchaus Brauchbares bis Anerkennenswertes entstanden, seine Adaption der Autobiographie des populären Skandal-Rappers gehört aber leider nicht dazu. Und das keineswegs weil sie nun etwa so jugendgefährdend oder moralisch fragwürdig daherkommen würde - nein, sie ist stattdessen einfach so bieder, brav und glatt geraten, dass man sich ernsthaft fragt für wen das denn interessant sein soll.
Wer es irgendwie nicht mitbekommen hat oder nur deutsche Barden kennt, die schon in der seligen ZDF-Hitparade aufgetreten sind, dem sei kurz mitgeteilt: Der Erfolg ist dem Musiker Bushido nicht einfach so in den Schoß gefallen. Denn vorher hatte er ein knallhartes Schicksal zu meistern wie man es wohl kaum schon mal irgendwo gesehen hat. Denn der Papa verprügelte die Mutter und bei den Mitschülern genießt der kleine Anis Ferchichi irgendwie nicht den wiederholt eingeforderten "Respekt", ohne den aber eigentlich gar nix geht. Der überraschende weitere Weg führt dann wegen nicht allzu cleveren Verhaltens beim Drogen dealen von der Straße direkt vors Strafgericht und nimmt mit der Auflage, jetzt aber mal eine ordentliche Ausbildung durchzuziehen, einen vorerst glimpflichen Ausgang. Mit den Mädels läuft es nicht schlecht, sogar ein recht wohlhabendes Girl aus gutem Hause findet an Anis eine zeitlang Gefallen. Wobei die Damen sämtlichst den Fehler machen, den planlosen Graffiti-Sprayer zu früh zu verlassen, denn der verändert bald durch intensives Fernsehschauen sein Leben. Erst inspiriert ihn ein Samurai-Streifen zu seinem neuen Künstlernamen "Weg des Kriegers", und dann bewegt ihn der Anblick der in sich zusammenstürzenden Türme des World Trade Centers spontan zu seinem ersten Songtext (eine von Al'Quaida vermutlich nicht ganz mit einkalkulierte Nebenwirkung ihrer Aktion). Und von da an geht's steil bergauf mit der Karriere als zeitweise "gefährlichster Verführer der Jugend", unterbrochen nur von zwischenzeitlichen Reibereien beim Wechsel von einem Plattenlabel zum anderen und dem immer wieder aufschwelenden Konflikt mit seinem verhassten Vater.
Beginnen wir mit dem was ganz gut gelungen ist bei der Verfilmung der Lebensgeschichte einer zweifellos nicht uninteressanten öffentlichen Figur. Da sind zuerst die prominenten und bewährten Darsteller zu nennen, die sich hier aus was für Gründen auch immer beteiligt haben und dabei mindestens souverän agieren (Uwe Ochsenknecht als spießiger Vater der Freundin, Moritz Bleibtreu in einer Neuauflage seiner "Pate"-Rolle aus "Chiko") oder sogar vollkommen glaubwürdig und überzeugend in ihrer Figur aufgehen wie die große Hannelore Elsner als leidgeprüfte Mutter Bushidos. Und wer mit der Musik und den Texten des Rappers auch nur ansatzweise etwas anfangen kann, den wird wohl bei der Inszenierung des finalen Konzerts vorm Brandenburger Tor schnell die Gänsehaut befallen. Da hat der Film dann seine emotional stärksten Momente, aber da befinden wir uns auch schon im ureigensten Refugium des Künstlers und im Grunde nicht mehr in einem Spielfilm.
Den gibt es aber vorher und über diese 4/5 des Werkes gibt es ansonsten nicht viel Gutes zu berichten. Der Trumpf und zwangsläufig auch größtes Problem von "Zeiten ändern dich": Der Hauptdarsteller. Gut, wer sonst außer Bushido selbst hätte die Rolle übernehmen sollen und vermutlich stand eh nie zur Debatte, dass der Mann sich das nehmen oder irgendwie ausreden lässt. Es ändert aber nichts daran, dass nun ausgerechnet der Darsteller, der in jeder Szene zu sehen ist, im Vergleich mit den Profis um ihn herum stark abfällt, spürbar nur "spielt" oder nicht mehr als seinen Text aufsagt. Man gewöhnt sich im Verlauf fast dran, aber gleich zu Beginn wirken seine aus dem Off gesprochenen Erzähltexte wie vom Blatt abgelesen und in Szenen wie der, in der Bushido seine Freundin ohrfeigt und sich Sekundenbruchteile später zu entschuldigen versucht, stimmt dann einfach gar nichts, nicht das Timing, nicht der Ausdruck und nicht die Bewegung. Da man sich zudem wenig Mühe gemacht hat, den gut zehn Jahre jüngeren Anis erkennbar anders aussehen zu lassen als den zwischendurch immer wieder eingeblendeten Bushido der Gegenwart am Tag vor seinem größten Konzert, sorgen diese Zeitsprünge zunächst für etwas Verwirrung.
Dass der ehemalige Kinderschreck sich bei seiner selbst verfassten Biographie nicht als ernsthaft übler Kerl präsentiert und demzufolge also anscheinend nur weitgehend harmlose Straftaten begangen und höchstens leicht sexistische oder homophobe Texte verzapft hat, war dabei zu erwarten, von den allemal diskussionswürdigen rassistischen Tendenzen in einigen seiner Werke ist aber nun überhaupt nichts mehr zu hören. Vielmehr wirkt es als sei man eigentlich ziemlich stolz auf all die Schlagzeilen, die den Rapper vor ein paar Jahren als gefährliches falsches Vorbild und als "Staatsfeind Nr. 1" titulierten, so schön werden sie hier nochmal ins Bild gesetzt. Bei soviel potentiellem "Sprengstoff" erstaunt es dann fast ein wenig, dass diese aufregende Geschichte bereits nach nicht einmal 80 Minuten auserzählt ist, bevor es mit (wie erwähnt immerhin überzeugenden) Konzertaufnahmen und dem Nachspann dann langsam ausklingt.
Nein, aufregen über irgendwelche bedenklichen "Messages" und fragwürdige Ideale wie beim amerikanischen Pendant 50 Cent und dessen Machwerk "Get Rich or die tryin'" muss man sich nicht bei diesem bundesdeutschen Künstler, der schon lange im absoluten Mainstream angekommen ist und von Onkel Bernd mit diesem Film auch genau dort positioniert wird. Und wer hier tatsächlich noch nach letzten Spurenelementen von aufrührerischem Rebellentum sucht, der wird spätestens dann bekehrt sein, wenn Karel Gott, der nette ältere Herr aus Prag, schließlich noch seine "Biene Maja" zum Besten gibt. Womit wir ihn dann doch noch geschlagen hätten, den Bogen zur guten alten ZDF-Hitparade.
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